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Was passiert, wenn eine Mutter erfährt, dass das Kind in ihrem Arm nicht ihr Kind ist? Penelope Cruz glänzt als Mutter im neuen Film von Pedro Almodóvar, die mit einer schrecklichen Wahrheit zurechtkommen muss. 

Parallele Mütter (2021)

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Für die Wahrheit

Mit „Parallele Mütter“ kehrt Pedro Almodóvar zurück zu seiner wahren Stärke und zu seinem Herzensthema: der Mutter. Mütter spielen in vielen seiner Filme eine große Rolle, und seine eigene Mutter hat, das hat er oft betont, in seinem Leben eine große Bedeutung. Aber Almodóvar macht auch etwas ganz anders als bisher: Er spricht erstmals in einem Film offen den Bürgerkrieg in Spanien an und die Wunden, die noch heute – über 80 Jahre später – deutlich zu spüren sind. 

Die Geschichte des Films startet mit der Bitte der Fotografin Janis (Penelope Cruz) an Arturo (Israel Elejalde), ihr dabei zu helfen, das vermutete Massengrab am Rande ihres Heimatdorfs in der Provinz auszuheben und Gewissheit über den Tod ihres Urgroßvaters zu erhalten. Auch der Archäologe ist an der Exhumierung interessiert und setzt seine Stiftung auf das Projekt an. Über das gemeinsame Forschen in der Vergangenheit kommen sich die beiden näher, und bald meldet sich Arturo jedes Mal, wenn er in Madrid ist, und besucht dann auch Janis. Als diese schwanger wird, bricht die Beziehung der beiden auseinander, und Janis geht alleine ihren Weg – mit einem Kind im Bauch und der Aussicht, es alleine aufzuziehen, so wie es ihre Mutter und ihre Großmutter auch schon gemacht haben.

Der Plot lässt das Thema Bürgerkrieg damit erst einmal beiseite und konzentriert sich auf Janis, die im Beisein von Freundin Elena (Rossy de Palma) ihr Kind bekommt und sich im Krankenhaus mit Ana (Milena Smit) anfreundet, einem jungen Mädchen, das ebenfalls ohne Partner ein Kind auf die Welt bringt. Ana ist noch nicht volljährig und wohnt bei ihrer Mutter (Aitana Sánchez-Gijón), die sich zwar auf das Enkelkind freut, aber im selben Moment die Chance ihres Lebens als Schauspielerin erhält. Auch Ana ist also allein.

Wie Ana ist Janis überglücklich als Mutter, doch als Arturo bei ihr vorbeikommt, um seine Tochter zumindest kennenzulernen, und zurückhaltend auf das Baby reagiert, wird sie verunsichert. Arturo erklärt auf ihr Nachfragen, das Kind komme ihm fremd vor, und zweifelt daran, der Vater zu sein. Janis lehnt einen Vaterschaftstest ab, weil sie weiß, dass Arturo der Vater sein muss. Dann aber macht sie selbst einen Mutterschaftstest und erfährt, dass sie vermutlich nicht die Mutter dieses Kindes ist, das nebenan im Bett liegt, ihr Kind im Krankenhaus vertauscht worden sein muss. 

Schon früh ahnt man das Drama, in das Janis geworfen ist. Pedro Almodóvar gibt ungewohnt viele Hinweise und Vorausdeutungen auf die Entwicklung der Geschichte, so dass man mit der Hauptfigur mitleiden und zusehen kann, wie sie sich – auch selbst – immer weiter in die eigene Misere verstrickt. Es ist eines der ganz großen Stärken des Films, dass er die Möglichkeiten des Melodramas genussvoll auskostet.

In einer ersten Reaktion will Janis jedem von ihrer Erkenntnis erzählen: Arturo, aber auch Ana. Sie erreicht niemanden, und dann kappt sie die Verbindung zu ihnen und behält das Geheimnis für sich. Erst Monate später sucht Ana sie auf, die beiden knüpfen an ihre erste Zuneigung im Krankenhaus an, und weil Ana aus dem mütterlichen Zuhause ausgezogen ist, nimmt Janis sie bei sich als Haushälterin und Kindermädchen auf. Doch von ihrer Vermutung erzählt sie Ana nichts.

Es geht um Lügen und Wahrheiten in Parallele Mütter, aber auch darum, wie schmerzhaft es ist, die Chance zur Wahrheit zu verpassen und mit einer Lüge zu leben. Man sieht es Janis (großartig gespielt von Penelope Cruz) an, wie sehr sie darunter leidet, niemandem von ihrer Erkenntnis erzählen und ihre Gedanken nicht teilen zu können. 

Es ist wieder Arturo, der sie zum Weiterdenken bringt, als er ihr erklärt, er habe endlich seiner Frau nach deren langer Krankheit von der Affäre zu Janis erzählt, sie würden sich voneinander trennen, er habe sie nicht länger anlügen können. Selten sind es bei Pedro Almodóvar die Männer, die das Gute aus den Frauen herausholen; gewöhnlich sind sie für das Leid und Leiden der Frauen verantwortlich – wie zuletzt auch wieder in The Human Voice (2020). Arturo aber ist letztendlich ein guter Mann, der als idealer Partner für Janis erscheint, diese Rolle auch übernehmen mag und dem einsamen Kämpfen dieser Frau ein Ende bereiten kann.

Aber natürlich zeigt Almodóvar auch in seinem 22. Film die starken Frauen, verdichtet in Janis‘ Heimatdorf, in dem fast nur noch Frauen zu leben scheinen. Sie sind es, die übrig geblieben sind nach dem Bürgerkrieg, weil die Männer verschwunden sind und verscharrt wurden. Sie ziehen ihre Töchter in dem Bewusstsein auf, dass sie alles auch alleine schaffen können und einen männlichen Partner an der Seite nicht nötig haben. An Janis selbst jedoch wird deutlich, dass sie Arturo durchaus braucht, dass ein Leben mit ihm besser und schöner ist, als sich alleine durchzukämpfen.

Almodóvars neuer Film hat viel von dem, was einen Almodóvar-Film ausmacht: die starken Frauen, der Blick auf die Medienbranche, die wohldurchdachten Dekors, die emotionssteigernde Musik von Alberto Iglesias, die kunstvollen Detailansichten von Alltagsgegenständen und Ritualen. Was an Parallele Mütter aber besonders verwundert und auch begeistert, ist, dass Almodóvar nun auch die Geschichte seines Landes mit einwebt in die Erzählung – und das auf wunderbare, meisterhafte Art und Weise. Bezüge zur Franco-Diktatur hatte er in seinen Filmen zunächst bewusst vermieden, dann nur in Andeutungen, Nebenfiguren oder über Ecken gemacht. Nun aber stellt er sie in den Fokus. 

Die Wahrheit ans Licht zu bringen, das ist immer noch ein großes offenes Thema in Spanien und wird verbildlicht in der Exhumierung der vielen Massengräber im Land, die es immer noch gibt, die erst kürzlich wieder auf der politischen Agenda in Spanien waren und denen Almodóvar nun in seinem Film einen Platz einräumt. Ana fragt Janis in einem Moment, warum sie so besessen sei mit der Öffnung des Grabes ihres Urgroßvaters. Und Janis spricht aus, was für viele Spanier ein großes Anliegen ist: Dass Wahrheit wichtig sei, dass das entzweite Spanien erst dann zueinanderfinden könne, wenn man die Vergangenheit, das, was geschehen ist, die Verbrechen der Franco-Zeit Tatsache anerkenne. 

Dasselbe gilt auch für Janis als Mutter: Erst wenn sie die Wahrheit anerkennt, so schmerzlich diese aus sein mag, kann sie eine gute Mutter sein, erst dann wird sie Frieden finden. Wenn sich in Parallele Mütter das kleine Einzelschicksal im Großen spiegelt und die Vergangenheit das Landes zum Katalysator für die Katharsis der einen Figur wird, so hält Almodóvar mit dem einen Film dem Land einen Spiegel vor und ruft dazu auf, sich zu erinnern und sich nicht der Erinnerung zu verweigern, oder in den Worten des uruguayischen Schriftstellers Eduardo Galeano, mit denen der Film endet, „Geschichte ist niemals stumm“.

Parallele Mütter (2021)

Zwei Frauen, zwei Schwangerschaften, zwei Leben. Janis (Penélope Cruz) und Ana (Milena Smit) erwarten beide ihr erstes Kind und lernen sich zufällig im Krankenhaus kurz vor der Geburt kennen. Beide sind Single und wurden ungewollt schwanger. Janis, mittleren Alters, bereut nichts und ist in den Stunden vor der Geburt überglücklich. Ana, das genaue Gegenteil, ist ein Teenager, verängstigt und traumatisiert, die auch in ihrer Mutter Teresa (Aitana Sánchez Gijón) kaum Unterstützung findet. Janis aber versucht Ana aufzumuntern. Die wenigen Worte, die sie in diesen Stunden im Krankenhausflur austauschen, schaffen ein enges Band zwischen den beiden. Doch ein Zufall wirft alles durcheinander und verändert ihr Leben auf dramatische Weise. (Quelle: Verleih)

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Meinungen

Franziska · 13.04.2022

Den Worten Sonjas und Agnes ist nichts hinzuzufügen - die überwiegend, positiven Kritiken sind wirklich verwunderlich!

Sonja · 12.03.2022

Flach, langweilig und in wirklich jeder einzelnen Szene vorhersehbar. Dazu ein mittelalterliches Frauenbild, hübsche Brüste, falsche Wimpern und eine niedliche Lesbenszene. Für solch ein männlich-dümmliches Klischee, dekoriert mit etwas politischem Pseudo-bewusstsein, gibt's bestimmt haufenweise Preise. Ist ja Kunst.

Agnes Schmidt · 20.03.2022

Zu Sonjas Kommentar braucht man/Frau nichts zufügen, ich verstehe nur nicht , warum die positive Rezensionen in der Presse! Die Geschichte ist an Haaren herbeigezogen, Frauen kochen, bügeln, fotographieren, haben aber auch Hausangestellten und Kindermädchen. Sex muss natürlich auch sein, natürlich auch lesbische neben heterosexuelle. Die politische Geschichte läuft daneben völlig oberflächlich !

Uwe · 07.05.2023

Ich kann meinen Vorrednern hier nur zustimmen. Ich ärgere mich total, dass ich 2 Std. meiner Lebenszeit fur so einen flachen Film verschwendet habe. Alle Szenen sind irgendwie so abgehackt...die kleine Sexgeschichte der Frauen musste aus welchen Gründen auch immer auch eifach mal so rein. Unfassbar langweiliger, sinnloser Film mit blöder Geschichte... Die vergebeben Preise an Film und Schauspieler nich nachvollziehbar..