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Eine Auftragsmörderin wird vergiftet. Sie hat noch einen Tag zu leben. Und sie weiß, wer verantwortlich ist. Ab geht’s.

Kate (2021)

Eine Filmkritik von Lars Dolkemeyer

Neonrache

In einer Welle an Rache-Filmen haben es Liam Neeson oder Keanu Reeves in den letzten Jahren geschafft, fast im Alleingang ein kleines Genre zu entwickeln: Menschen, die an den Rande des Abgrunds getrieben werden und unerbittlich geradlinig gegen all jene vorgehen, die ihnen Unrecht getan haben. Nun ist auch Mary Elizabeth Winstead am Zug. In Cedric Nicolas-Troyans Netflix-Film „Kate“ schießt, kämpft, rast und schreit sie sich durch die japanische Nacht und zerlegt Horde um Horde an Mitgliedern einer Yakuza-Familie. Der Film schafft es dabei, eigene Akzente im langsam etwas schal werdenden Umfeld seines Genres zu setzen und durchweht es mit dem frischen Wind seiner ungebremst energetischen Inszenierung.

Kate (Mary Elizabeth Winstead) schaltet im Auftrag einer nebulösen Organisation der Reihe nach wichtige Mitglieder einer Familie des organisierten Verbrechens aus. Ihr Mentor und Auftraggeber Varrick (Woody Harrelson) hat ein letztes Ziel für sie: den kaum erreichbaren Anführer der Familie, Kijima (Jun Kunimura). Doch Kate verpatzt den Schuss, ist von Kopfschmerzen und Übelkeit geplagt und erfährt, dass sie durch einen radioaktiven Stoff vergiftet wurde. Sie hat noch einen Tag zu leben und geht auf einen unnachgiebigen Rachefeldzug gegen Kijima und seine Handlanger. Dabei trifft sie allerdings auch auf Ani (Miku Martineau), Kijimas Nichte. Monate zuvor hatte Kate bei einem missglückten Attentat deren Vater erschossen, während Ani hilflos dabei zusehen musste. Nicht ahnend, dass Kate die Mörderin ihres Vaters ist, schließt sie sich dem Kampf gegen die eigene Familie an.

Was nach viel Plot klingt, verdichtet sich in Kate zu einem Parcours atemberaubender Kampf- und Verfolgungssequenzen, die ein eindeutiges und mit allen Mitteln verfolgtes Ziel haben: das kontinuierliche, unausweichliche Aufeinandertreffen zwischen Kate und den Menschen, die für ihre Vergiftung und ihren Tod verantwortlich sind. Ohne Umwege, ohne überflüssige Erklärungen oder Auflösungen rast der Film in der Geschwindigkeit seiner Protagonistin durch die neonbeleuchtete Nacht. In finster-schwarzen Stadtsilhouetten, die von grellen, beinahe abstrakten Lichtkompositionen durchzogen werden, taucht Kate von Kampf zu Kampf tiefer in die Untergründe des organisierten Verbrechens. Es zeigen sich von Schlag zu Schlag mehr Symptome ihres Verfalls unter der Strahlenvergiftung und ihr Kampf wird mit jeder Wunde nur verbissener.

Ein Film, der in dystopisch anmutenden japanischen Großstädten überbordende Martial-Arts-Sequenzen inszeniert, läuft ein wenig Gefahr, nicht gerade mit Innovationen zu trumpfen. Und doch gelingt es Kate, fast jede Kampfszene und jede Verfolgungsjagd in den Strudel einer zunehmend aussichtslosen Rachenacht einzubetten und in der irren Geschwindigkeit des Films mitzureißen. Jede der Sequenzen entwickelt immer wieder feine, eigene Nuancen, in denen sich frische und unverbrauchte Kamera- und Körper-Choreographien bewundern lassen. Insbesondere ein aberwitziges Rennen in einem mit Neonröhren und allerlei Geglitzer getunten Auto zu Beginn des Films muss an Dynamik erst einmal seinesgleichen suchen. Dass Kate die hohe Taktung durchhält, ohne dabei an irgendeinem Punkt die Luft zu verlieren oder sich zu wiederholen, ist bis zum Ende eine beeindruckende Leistung.

Neben der punktgenau inszenierten Action entfaltet sich eine Beziehung zwischen Kate und Ani, deren Witz und Charme im Vergleich ein wenig steckenbleiben. Anis quirlige und naive Aufgeregtheit einerseits und die abgebrühte und eiskalte Kate auf der anderen Seite harmonieren nur in wenigen Momenten als Gegensatzpaar. Der Film verhebt sich an einem emotionalen Hintergrund, der zwischen den dichten Rhythmen der Kämpfe nie wirklich zum Atmen kommt. Die sparsam und stellenweise vorhersehbar gesetzten Wendungen, die Kate im Laufe der Nacht erfährt, und die sich entwickelnde Geschichte von Verrat und Gier, in die sie unweigerlich hineingezogen wird, hätten kein Comic Relief gebraucht. Ani kommt dabei stets zu kurz und erscheint eher wie ein später Einfall.

Erzählerisch bleibt Kate an einigen Stellen damit hinter der eigenen Geschwindigkeit und Dynamik zurück, der Film fängt sich aber immer wieder und wird fortgerissen vom nächsten Familienmitglied, das sich Kate in den Weg stellt, und von der nächsten Gruppe an Handlangern, die wirbelnd und tobend zerlegt werden. Was bei aller schematischen Konstruktion schon in der Filmen etwa der John Wick- oder Taken-Reihen wundervolle Freude bereitet, trägt dabei auch Kate: eine ungebremste, gradlinige, pausenlose Bewegung nach vorne, die mit dem Kopf durch die Wand den ganzen Film in eine atemberaubende Choreographie wütender Rache hineinreißt.

Kate (2021)

Nachdem sie vergiftet wurde, bleiben einer knallharten Auftragskillerin weniger als 24 Stunden Zeit, um sich an ihren Feinden zu rächen. Dabei bekommt sie überraschend Unterstützung von der Tochter eines ihrer früheren Opfer.

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