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Bernd wartet schon lange darauf, dass er endlich eine wichtige Rolle in einem bedeutenden Theaterstück angeboten bekommt. Seine Chance kommt schließlich in Form des „Gasmanns“, das ihn aber an die Grenzen seiner Toleranz und Anpassungsfähigkeit bringt.

Gasmann (2019)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Ein Theaterschauspieler in der Krise

Sie sind eine Gruppe abgelöschter Männer, die im Grunde nur wenig gemeinsam haben, aber sich regelmäßig an ihrem Stammtisch in der Kneipe treffen, um sich gegenseitig selbstgeschriebene Texte vorzulesen. Nicht gerade zimperlich werden diese dann auseinandergenommen und mit hochgestochenen, pseudointellektuellen Worthülsen kommentiert: „Viel zu journalistisch, keine Poesie“, „Es hat keinen Beat“ oder „Es ist schon ganz gut an dieser gesetzten Transgression“. Bernd (Rafael Stachowiak) ist einer von ihnen. Er gehört zum Ensemble eines Hamburger Theaters und wartet seit Ewigkeiten auf die eine Hauptrolle in einem bedeutenden Stück. Diese Chance soll dann tatsächlich kommen, und Bernd wird zum „Gasmann“. Fortan bewegt sich Bernd zwischen den Theaterproben, seinen kurzen Treffen mit seinem Sohn, den Ausflügen mit seiner Freundin und den Abenden mit seiner Clique, der er am meisten Zeit widmet, weswegen er auch systematisch zu spät ins Theater kommt.

Arne Körner geht in seinem schwarzhumorigen Existenz- und Identitätsdrama hart mit dem Kulturbetrieb ins Gericht. Er mokiert sich in Gasmann über das experimentelle zeitgenössische Theater. Der Regisseur (Peter Ott) des Stücks im Film plustert sich gegenüber den Schauspielern auf. Verlangt von ihnen, „möglichst nicht zu spielen, sondern den Stoff zu spüren“. Auf diese Weise sollen Bernd und sein Kollege (Kristof van Boven) selbst zu den SS-Offizieren werden, die mit ihrem mobilen Vergasungsapparat durch die Straßen wandern und „Homosexuelle und Behinderte einsammeln“. Diese Immersion in die Rollen, dieses Pseudo-Verwischen von Realität und Fiktion betreibt Gasmann auf verschiedenen Ebenen. Es ist in der Handlung des Films zugegen, wenn es um das Theaterstück selbst geht, für das neben den Darstellern des Ensembles angeblich echte Konzentrationslagerüberlebende auf die Bühne geholt werden sollen. Aber auch in der äußeren Form des Films, die von einer massiven Reduktion der Mittel geprägt ist und bewusst einer Ästhetik des Dokumentarischen folgt. 

Körner schafft einen Antihelden, gespielt vom Theaterschauspieler Rafael Stachowiak, selbst in Hamburg an einem Theater tätig, der nur schwer die Sympathien der Zuschauer für sich gewinnen kann. Lustlos, unentschlossen und ziemlich unreif geht er durchs Leben. Er kann sich gegenüber seiner Ex-Frau nicht durchsetzen, hat zum Sohn keinen Zugang, und offenbar liegt ihm am meisten an seinem leicht verbeulten und ältlichen Wagen, mit der er seine englischsprachige Freundin, deren Haar im Wind weht, ausführt. Eine Entwicklung macht die Figur nicht durch, auf eine Emanzipation oder Läuterung jeglicher Art legt es der Film nicht an. Vielmehr versucht Gasmann eine Stimmung einzufangen. Doch welche Position er dabei genau einnimmt, bleibt unklar. Ist es eine melancholische Sicht auf das Künstlerbohemienleben? Ist es eine Solidarisierung mit den Akteuren der Theaterszene?

An verschiedenen Stellen verselbstständigt sich diese beobachtende Haltung zu sehr. Gerade dort, wo eine Distanzierung gegenüber gewissen Geschmacklosigkeiten erforderlich wäre, die von Seiten der Figuren kommen, setzt das Drehbuch dem zu wenig entgegen. Und schließlich ist es so, wie Bernd einmal selber sagt: „Das Nazi-Thema ist doch längst abgebrannt“. Die damit versuchte Provokation bleibt aus, wirkt vielmehr forciert. Insgesamt ist der Film genauso antriebslos und energiearm wie sein Protagonist. Die Handlung schlurft vor sich hin, unsicher, worauf sie eigentlich hinauswill. Den Figuren, die der Film präsentiert, fehlt es an Tiefgang. Das Ensemble wirkt wie willkürlich zusammengewürfelt, Hauptsache, es ergeben sich ein paar skurrile Typen, die derb reden, sich über alles beschweren und rauchend und saufend an die guten alten Zeiten erinnern. 

Man könnte Gasmann als eine Art Geschichte übers Erwachsenwerden bezeichnen, in der sich die Hauptfigur aber genau diesem Schritt verweigert. Auch wenn die lakonische Form des Films einerseits als Stärke ausgelegt werden kann, weil sie eine selbstbewusste und mutige Erzählsprache bezeugt, sorgt sie andererseits für einen sperrigen Zugang zum Stoff. Die stoische Spielart des Hauptdarstellers verhindert zudem die Entstehung einer emotionalen Bindung zum Protagonisten, der einen, leider, am Ende doch eher gleichgültig zurücklässt. 

Gasmann (2019)

Bernd ist Schauspieler am St. Pauli Theater in Hamburg und bisher nur Nebendarsteller. Er hat sich vom Intendanten breitschlagen lassen, in „Der Gasmann“ aufzutreten, einem Giftstück über zwei SS-Männer, die „Unerwünschte“ an der Haustür abholen und mobil vernichten. Bernds „Hauptrolle“ ist von Anfang an ein Alptraum. Regisseur Frank, sonst beim Film, ist ein genialischer Despot, der Täter und Opfer getrennt voneinander inszeniert, Spielpartner Mathis ein unterwürfiger Streber und das perfide Stück ist Bernd ohnehin zuwider.

Auch sonst ist das Leben schwierig für Bernd – die Ex redet nur das Nötigste mit ihm, der Gerichtsvollzieher will Geld sehen, die wenigen Momente mit dem kleinen Sohn sind für beide viel zu kurz. Und was will Bernd eigentlich von seiner Fünferclique, einem Literaturzirkel, der sich regelmäßig in Kaschemmen auf St. Pauli trifft? Wer sind die Klugschwätzer? Salonrevoluzzer, Stammtischfaschisten? Die Liaison mit einer mysteriösen jungen Frau ist Bernds einziger Lichtblick. (Quelle: missingFILMs)

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