Memories on Stone

Eine Filmkritik von Falk Straub

Filmen gegen alle Widerstände

Unter Saddam Hussein lebten Filmliebhaber gefährlich. Dass ein Regisseur auch in unzensierten Zeiten am Kino verzweifeln kann, zeigt Shawkat Amin Korki in Memories on Stone auf tragikomische Weise.
Es schüttet in Strömen, als der kleine Hussein mitten in der Nacht an einer verschlossenen Kinotür rüttelt. Wenn er ein paar Einstellungen weiter in der Vorführkabine steht, die Augen weit aufgerissen zwischen all den Filmrollen und vergilbten Plakaten, dann verwandelt sich die Apparatur für einen kleinen Moment in ein Cinema Paradiso. Der kurdische Film, der in dieser Nacht heimlich über die Leinwand flimmert, ist in Saddam Husseins Irak verboten. Und der kleine Hussein wird Zeuge, wie die Schergen des mächtigen Hussein die Vorführung stürmen und das Publikum abführen. Die Traummaschine mutiert zum Alptraum. Der Kinosaal als Hort des Widerstands, Film als subversive Kunst – auch dafür steht dieses Medium in Memories on Stone.

Dreißig Jahre später ist der Diktator Geschichte, das Land im Auf- und Umbruch. Hussein (Hussein Hassan) ist dem Kino treu geblieben. Gemeinsam mit seinem Freund Alan (Nazmi Kirik) will er einen Spielfilm über den Völkermord an den Kurden drehen. Doch die neugewonnene künstlerische Freiheit prallt auf althergebrachte Sitten. Die Suche nach einer geeigneten Hauptdarstellerin scheitert am Veto der Männer. Bis die junge Lehrerin Sinur (Shima Molaei) endlich unter Vertrag steht, müssen viele Aufwartungen gemacht, Opfer gebracht und Tassen Tee getrunken werden. Wie Hussein überhaupt mehr verhandelt als filmt, immer weiter hinter dem Drehplan zurückliegt.

An der Oberfläche ist Memories on Stone ein Metafilm, ein Film über das Filmemachen. Regisseur Shawkat Amin Korki stellt sich damit in eine Reihe mit Größen wie Godard und Truffaut, Fellini und Allen, Wenders und Fassbinder, um nur einige zu nennen, die im Verlauf ihrer Karriere irgendwann den Prozess des Filmemachens zum Thema ihrer Filme erhoben haben. Der Protagonist ist jedoch kein Auteur in der Sinnkrise, kein Blockierter, der vom kreativen Weg abgekommen ist. Hussein ringt mit den ökonomischen und sozialen Zwängen und schreitet dennoch leise, aber unbeirrt voran. Dabei nimmt er manchen Umweg: Er schmuggelt Equipment ins Land, erduldet die Marotten seines männlichen Stars, dirigiert die Dreharbeiten nach einem Attentat gar vom Krankenbett aus.

Das ist mal komisch, immer an der Grenze zum Absurden, im Kern todtraurig, am Ende aber zutiefst ermutigend. Wie in jedem gelungenen Film über das Filmemachen schlummert auch in Memories on Stone mehr unter der Oberfläche. Ebenso leise und unbeirrt wie der Regisseur im Film folgt auch Shawkat Amin Korki seinen Protagonisten und ihrer Opferbereitschaft. Die ruhigen Einstellungen lassen den Schauspielern viel Raum zur Entfaltung. Der Schmerz erlittener Verluste eint die Figuren, denen Shawkat Amin Korki mit Zärtlichkeit begegnet. Ihr Anfilmen gegen alle Widerstände reflektiert den Zustand einer Gesellschaft auf der Suche nach sich selbst.

Zu guter Letzt ist Husseins Geschichte auch die Geschichte vieler an Memories of Stone Beteiligten. Hussein Hassan, der den Regisseur spielt, ist selbst Filmemacher. Wie Shawkat Amin Korki und große Teile von dessen Crew ist Hussein Hassan im Verlauf seiner Karriere auf zahlreiche Widerstände gestoßen. Wenn seine Figur am Ende von Memories on Stone im übertragenen wie im wörtlichen Sinn erneut im Regen steht und dennoch ausharrt, dann ist das Kino Traum- und Widerstandsmaschine zugleich.

Memories on Stone

Unter Saddam Hussein lebten Filmliebhaber gefährlich. Dass ein Regisseur auch in unzensierten Zeiten am Kino verzweifeln kann, zeigt Shawkat Amin Korki in „Memories on Stone“ auf tragikomische Weise.
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