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Nachdem die Menschen eine zerstörte Erde verlassen und jahrzehntelang auf einem anderen Planeten gelebt haben, wollen sie nun auf die Erde zurückzukehren. Doch diese ist nach wie vor unwirtlich. Eine junge Astronautin entdeckt noch mehr als das.

Tides (2021)

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Wenig Zeit zum Luftholen 

Der Baum ist ein Symbol des Lebens. In Tim Fehlbaums „Tides“ ist er das auch, aber gleichzeitig ist er ein Bild dafür, was die Menschen auf der Erde einst zerstört haben: erst die Bäume, dann das Leben. Jahrzehnte später regiert auf der Erde das Wasser. Die Gezeiten, die zweimal am Tag alles Land überfluten, machen das Leben der Bäume unmöglich und die Erde fast unbewohnbar für die Menschheit. Trotzdem haben einige Menschen überlebt und schlagen sich irgendwie durch. Wenn die Fluten kommen, retten sie sich auf Flöße bis zur nächsten Ebbe. Dann haben sie die Chance, ein paar Muscheln von den Felsen zu kratzen und zu überleben.

So findet die junge Astronautin Louise Blake (Nora Arnezeder) die Erde vor, als sie in einer Kapsel von der Weltraumkolonie Kepler zurück auf die Erde kommt. Vor Generationen war eine Eliteeinheit dorthin ausgewandert, weil die Erde von Umweltkatastrophen, Pandemien und Kriegen zerstört worden war. Die Menschen haben jedoch nie aufgegeben, zur Erde zurückzukehren, zumal die Atmosphäre des Planeten Kepler die Menschen unfruchtbar macht. Deshalb haben sie zunächst eine Mission mit dem Namen Ulysses zurück auf den blauen Planeten geschickt, von der sie aber nie mehr etwas gehört haben. Louise Blake ist nun Teil von Ulysses 2, und ihr geht es dabei nicht nur darum, ihren Dienst an der Menschheit zu tun, sondern gleichzeitig um ein ganz persönliches Anliegen. Ihr Vater (Sebastián Roché) nämlich war Teil der ersten Ulysses-Delegation gewesen, und Louise hat immer noch die Hoffnung, ihn – nun auf der Erde – wiederzusehen.

Louise ist dann auch die einzige der Crew von Ulysses 2, die die Landung der Kapsel auf der Erde überlebt. Und sie wird sogleich ins feindselige Hier und Jetzt katapultiert: Nicht nur die Natur zeigt sich von ihrer aggressivsten Seite, auch die Überlebenden, die das gelandete Flugobjekt recht schnell ausfindig gemacht haben, gehen direkt zum Angriff über und nehmen sie gefangen. Auch nachdem Louise die Wunde im Gesicht eines Mannes versorgt hat, schafft sie es nicht, das Vertrauen der Gruppe zu gewinnen. Und dann muss sie feststellen, dass diese Menschen, die eine unverständliche Sprache sprechen, nicht die einzigen Menschen auf der Erde sind.

Louise trifft auf Gibson (Iain Glen), den ehemaligen Kollegen ihres Vaters, der auf einem alten Schiffswrack eine kleine irdische Siedlung von Kepler-Mitgliedern gegründet hat und mit Louises Ankunft und den Geräten ihrer Kapsel die Chance seines Lebens wittert. Plötzlich ist Louise kein anzugreifendes Objekt mehr, sondern wird als hochrangige Besucherin hofiert. Natürlich entdeckt Louise aber mehr, als sie wissen sollte.

Wie auch schon mit Hell ist Tim Fehlbaum mit seiner zweiten Regiearbeit wieder ein sehenswerter Endzeit-Thriller gelungen, der abermals von Produzent Roland Emmerich unterstützt wurde. Tides überzeugt zunächst durch seinen außergewöhnlich temporeichen Plot: Kaum hat man sich in eine Situation eingefühlt, folgt der nächste Plot Point, und die Lage ist eine völlig andere. Das macht die Geschichte nicht nur vielschichtig, sondern auch wenig vorhersehbar und schon dadurch spannend. Selten sind die Momente, in denen man sich als Zuschauerin zurücklehnen und ein wenig Luft holen kann.

Der Fokus liegt fast ausschließlich auf Louise. Die Kamera folgt ihr überall hin, sie ist die Sympathieträgerin und Identifikationsfigur. Bei den anderen Figuren hat man zwar oft eine Ahnung, weiß aber nie genau, wer auf welcher Seite sie stehen, wer Gutes tut und wer Böses im Schilde führt. Die Informationsvermittlung ist behutsam dosiert und wird immer wieder gedrosselt, sodass die Charaktere bloß schrittweise an Kontur gewinnen. Auch das wirkt ebenso auf die Spannung und zieht einen tief in die Geschichte hinein. 

Darüber hinaus ist Tides ein dystopischer Thriller, der bewusst auf Atmosphäre und große Bilder setzt. Bilder, die aber einfach auf die Leinwand gehören. Bei einem Film wie Tides wird deutlich, wie wichtig es ist, dass die Kinos bald wieder aufmachen und das Publikumsevent der Berlinale in den Kinosälen und nicht zu Hause stattfinden muss, um diese graubraunen, dunklen Bilder, die vom Ende der Welt erzählen, im Großformat sehen zu können.

Und Tides ist ein Film, der gut in die aktuelle Zeit passt. Er zeigt in seiner Vision, was passieren kann, wenn wir nicht auf unseren Planeten aufpassen, wenn wir uns gegenseitig kaputtmachen und nicht zusammenstehen. Denn das ist letztendlich die einzige Lösung: Zusammenhalten. Dann haben die Bäume und das Leben auf der Erde vielleicht eine Chance.

Tides (2021)

Als die Erde für den Menschen unbewohnbar wurde, besiedelte die herrschende Elite den Planeten Kepler 209. Doch seine Atmosphäre macht die neuen Bewohner unfruchtbar. Zwei Generationen später soll ein Programm feststellen, ob Leben auf der Erde wieder möglich ist: Mission Ulysses II soll Gewissheit bringen. Die Raumkapsel gerät beim Eintritt in die Erdatmosphäre außer Kontrolle. Die Astronautin Blake überlebt die Landung als Einzige — doch sie muss feststellen, dass sie auf der Erde nicht alleine ist. Ein Überlebenskampf beginnt, und Blake muss Entscheidungen treffen, die das Schicksal der ganzen Menschheit bestimmen werden.

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Meinungen

Ronald · 02.05.2021

Ich habe den Film natürlich auch noch nicht gesehen. Aber diese Thematik kann vielleicht, mehr als nur ein Film zu sein. Die Ausschnitte versprechen eine düstere gefährliche Erde, die lange eingesteckt hat und jetzt ohne Kompromiss gnadenlos zurück schlägt. Die Menschen hatten so viele Chancen und keine richtig genutzt. Und der Entschluss steht fest die Erde braucht uns nicht. Die letzten Menschen klammern sich an ihr Leben und versuchen irgendwie einen Ausweg zu finden. Es gibt keine Nahrung mehrJeder kämpft gegen jeden Das Leben ist nicht mehr wertvoll. Ob es in etwa so ist? Keine Ahnung ich habe einfach meiner Fantasie freien Lauf gelassen.. Ich hoffe ich kann ihn bald sehen..

wignanek-hp · 02.03.2021

Ein toller Film, der unbedingt auf die große Leinwand gehört.