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Tom Hanks als Helfer in der Not: Der Western Neues aus der Welt“ zeigt den Hollywood-Star als Kriegsveteranen, der ein deutsches, von Ureinwohnern aufgezogenes Waisenmädchen zu seinen nächsten Verwandten bringen soll. Darf man mehr als eine stark bebilderte Reise durch die Wildnis erwarten?

Neues aus der Welt (2020)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Der gute Mensch aus San Antonio

In den USA war der Romanverfilmung Neues aus der Welt trotz der grassierende Corona-Pandemie Ende 2020 noch ein Kinostart vergönnt. Hierzulande schlägt das von Paul Greengrass (Jason Bourne“) in Szene gesetzte Westerndrama hingegen, anders als ursprünglich geplant, nicht mehr auf der großen Leinwand auf, sondern im Angebot des Streaming-Riesen Netflix. Bedauerlich ist das vor allem wegen der eindrucksvollen, rauen Landschaftsbilder von Kameramann Dariusz Wolski. Zu Hause, im kleinen Rahmen, dürfte die im Mittelpunkt der Handlung stehende Reise durch die texanische Wildnis ihre ganze visuelle Kraft wohl nicht entfalten können.

Auf den Weg begeben wir uns mit dem aus San Antonio stammenden Bürgerkriegsveteranen Captain Kidd (Tom Hanks), der im Jahr 1870 von Stadt zu Stadt zieht und den hart arbeitenden Menschen Neuigkeiten aus regionalen und überregionalen Zeitungen vorliest. Nach einem seiner Vorträge entdeckt er eine umgestürzte Kutsche und stolpert über das deutschstämmige, in indigene Kleidung gehüllte Waisenmädchen Johanna Leonberger (Helena Zengel), das kein Wort Englisch spricht. Wie Kidd einem Schreiben entnehmen kann, wurden die Eltern und die Schwester der Zehnjährigen von Kiowa-Mitgliedern ermordet, die das Kind anschließend bei sich aufnahmen und großzogen.

Der frühere Soldat bringt Johanna in die nächste Ortschaft und will sie dort eigentlich den Behörden übergeben, die sich darum kümmern sollen, dass sie zu Verwandten kommt. Da sich die Sachlage jedoch etwas schwieriger gestaltet, nimmt sich Kidd nach kurzem Zögern selbst der Aufgabe an – auch wenn die widerspenstige Johanna keineswegs erpicht ist, bei ihrer Tante und ihrem Onkel in einer unbekannten Umgebung zu leben.

Neues aus der Welt führt, einem Topos des Roadmovies folgend, zwei Figuren zusammen, die anfangs noch nicht an einem Strang ziehen. Das Mädchen lässt zunächst seine wilde Seite aufblitzen und versucht mehrfach, sich loszureißen. Immerhin fühlt sie sich der Welt der Ureinwohner, in der sie aufgewachsen ist, viel näher als ihrer echten Familie. Ohne allzu großen Druck bemüht sich Kidd dennoch, Johanna davon zu überzeugen, dass der Verbleib bei ihren Angehörigen das Beste für sie sei. Erwartungsgemäß finden die beiden auf ihrer Reise Schritt für Schritt zueinander und schaffen es zudem, ihre Sprachbarriere – zumindest in Ansätzen – zu überwinden. Der Captain lernt ein paar Worte Kiowa und seine junge Begleiterin einige Brocken Englisch.

Das von Greengrass und Luke Davies verfasste, auf Paulette Jiles‘ Roman basierende Drehbuch schlägt kein besonders hohes Tempo an, forciert die Spannung auf einigen Stationen allerdings recht effektiv. Etwa dann, wenn sich drei abgebrannte Ex-Soldaten an die Fersen des ungewöhnlichen Reisegespanns heften, weil sie Johanna in ihre Gewalt bringen und sie als Prostituierte ausbeuten wollen. Die bleihaltige Konfrontation auf einem Felsen treibt den Puls nach oben und ist der Moment, in dem das Mädchen zum ersten Mal wirklich aktiv in die Handlung eingreifen darf.

Nicht nur diese bedrohliche Begegnung lässt erahnen, dass das Land auch fünf Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs zwischen Nord- und Südstaaten tief gespalten ist und mit den Nachwehen der blutigen Auseinandersetzungen zu kämpfen hat. Frustration über elendige Lebensbedingungen macht sich vielerorts breit. Und der Hass auf Afroamerikaner, Mexikaner und Ureinwohner bricht sich nicht selten unverhohlen Bahn. Ab und an vermittelt der Film einen Eindruck von der gärenden, explosiven Stimmung, schreckt aber vor einer allzu düsteren Zeichnung zurück. Captain Kidd, dessen Vorlesestunden unter anderem von technischen und gesellschaftlichen Fortschritten handeln, verkörpert die Hoffnung auf eine bessere Zukunft und ein friedvolleres Miteinander. Dass sich Neues aus der Welt punktuell auf aktuelle Entwicklungen in den USA bezieht, ist reizvoll. Manchmal fallen die Anspielungen jedoch arg plakativ aus. An einer Stelle heißt es beispielsweise „Texas first“ – ein überdeutlicher Seitenhieb auf das nationalistische Gebaren Donald Trumps.

Das Herz der Geschichte ist freilich die Beziehung zwischen Kidd und Johanna, die besonders deshalb Interesse weckt, weil sich Tom Hanks und Helena Zengel gut ergänzen. Gewohnt einfühlsam und unprätentiös taucht der Hollywood-Star in die Rolle des integren, hilfsbereiten Normalbürgers ein, die er schon so oft überzeugend ausgefüllt hat. In beachtlicher Manier gelingt es der deutschen Newcomerin, von Hanks‘ einnehmender Präsenz nicht erdrückt zu werden. Muss man zu Beginn noch befürchten, Zengel solle bloß ihr in Systemsprenger entdecktes furioses Temperament entfesseln, darf die Jungdarstellerin im weiteren Verlauf auch mit eindringlicher Mimik glänzen. Die Traumata und Ängste Johannas zeichnen sich mehrfach auf ihrem ausdrucksstarken Gesicht mit den klaren blauen Augen ab.

Bei aller Freude über ihre starke Darbietung ist eines leider unstrittig: Kidds Perspektive dominiert. Ihm gehört die Erzählung, obwohl seine Mitreisende eine aufregend ambivalente Figur mit brüchiger, zwischen verschiedenen Extremen pendelnder Identität ist. Ihre Einwandererherkunft und ihre Kiowa-Erfahrungen sind allemal spannender als der etwas halbherzige innere Konflikt des Veteranen, dem im direkten Vergleich Ecken und Kanten fehlen. Einmal behauptet er zwar, ebenso wie Johanna müsse er sich auf der Fahrt seinen inneren Dämonen stellen. Diese unbequeme Aussage unterfüttert der Film später allerdings nur bedingt. Am Ende folgt sein Charakterbogen einem konventionell-erbaulichen und damit eher langweiligen Muster.

Neues aus der Welt (2020)

Das Projekt basiert auf dem Bestsellerroman von Paulette Jiles, in dem ein Mann namens Captain Jefferson Kyle Kidd (Tom Hanks) kurz nach dem US-Bürgerkrieg durch die Vereinigten Staaten zieht, um analphabetischen Bürgern die Zeitung vorzulesen. Unterwegs wird ihm ein zehnjähriges Mädchen (Helena Zengel) anvertraut, das er zurück zu seinen Verwandten eskortieren soll. 

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Meinungen

vogt · 21.02.2021

Schlimmer gehts nimmer !!

Ellen · 16.02.2021

Leider sehr langweilig. Fast zwei Stunden eine Mischung aus schaumgebremstem Western und eine kleine Farm. Da war der Trickfilm Jackari spannender. Keine echte Handlung, Schmerz und Verständigungsprobleme, schlechter Schießfilmwitz, Klischeebedienung... Echt leider sehr langweilig...