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Zwei schwachköpfige Brüder wollen eine riesige Fliege dressieren und damit reich werden: Mandibles“ bildet in der an Absurditäten nicht gerade armen Filmografie Quentin Dupieux keine Ausnahme.

Mandibules (2020)

Eine Filmkritik von Katrin Doerksen

In der Not frisst die Fliege Chihuahuas

Wie bewertet man einen Film, den man die ganze Zeit über fein fand, witzig und pointiert, aber doch auch nicht übermäßig von den Socken hauend? Und dessen allerletzte Szene dann einen dreiminütigen Lachanfall auslöst, inklusive Tränen und Atemnot? Mandibules“ ist von Anfang an im Grunde nichts als der Vorbau für den einen großen Gag am Schluss. Und das ist noch nicht mal ein Spoiler. Auf die Details würde eh niemand kommen, außer eben Quentin Dupieux.

Die Werke des französischen Filmemachers, der unter dem Pseudonym Mr. Oizo auch als House-Musiker firmiert (man denke an den 1999er-Hit Flat Beat mit dem Würstchen liebenden Plüschtier Flat Eric), kommen in den letzten Jahren immer nur knapp auf Spielfilmlänge. Wahrscheinlich, weil er sich das ganze Drumherum spart. Seine Figuren haben meist nur eine sehr rudimentäre Backstory und erst recht keine Psyche. Die Filme sind wie musikalische Variationen über ein Thema, kleine Versuchsanordnungen, die in ihrer Absurdität so ernsthaft wie konsequent durchgespielt werden: Ein mordender Autoreifen. Ein Regisseur auf der Suche nach einem oscarreifen Schmerzensschrei. Oder zuletzt: ein Mann mit einer Obsession für eine fransenverzierte Wildlederjacke.

Mandibules bildet in dieser Filmografie keine Ausnahme: Die Protagonisten sind Brüder, Manu (Grégoire Ludig) und Jean-Gab (David Marsais), zwei Schwachköpfe vor dem Herrn. Wir wissen über sie nur drei Dinge. Erstens: Sie haben kein Geld. Zweitens: Sie wollen mit möglichst geringem Aufwand reich werden. Drittens: Sie haben eine Mission. Jemand schenkt ihnen ein Auto mit dem Auftrag darin einen Koffer zu irgendeinem reichen Typen zu transportieren. Keine weiteren Fragen, 500 Euro bar auf die Kralle. Aber einfältig wie die beiden nun mal sind, schauen sie in den Kofferraum und finden dort eine überdimensional große Fliege. Schnell reift ein neuer Plan heran: Wenn sie das Insekt dressieren, verdienen sie sich an dieser Sensation dumm und dämlich.

Dupieux hat Mandibules irgendwo in Südfrankreich gedreht, in einer durch die Augen anderer Filmemacher sicher charmanten Umgebung, die hier vor allem ziemlich reizarm dreinschaut. Abgesehen von den wenigen Szenen, die direkt am Meer spielen, fliegen an den Fensterscheiben des zitronengelben Mercedes vor allem sandsteinfarbene Felsen vorbei, dazu ein bisschen grünes Gestrüpp, trockener Boden, Sonne. Andere Menschen tauchen nur selten auf. Entfernt erinnert der Film in diesen Momenten an die ebenfalls chronisch einfarbigen Italowestern, gewissermaßen sind ja auch Manu und Jean-Gab mit ihrer Fliege – die inzwischen Klebeband um die Flügel gewickelt und den Namen Dominique bekommen hat – Outlaws.

Und noch eine andere Assoziation ploppt auf: Jene an den 1953er Looney-Tunes-Cartoon Duck Amuck von Chuck Jones, in dem Duffy Duck sich mit seinem eigenen Zeichner anlegt. Der piesackt die arme Ente und zeichnet immer wieder neue Hintergründe, denen sich Duffy anpassen muss; Gewässer, in die er fällt, und radiert ihn bei den ersten Widerworten einfach aus. Ähnlich diebische Freude scheint auch Dupieux zu empfinden, wenn er seine Figuren von der einen in die nächste durchgeknallte Situation wirft: Der Wohnwagen, den die Brüder dank eines kleinen Raubüberfalls ergattern konnten, geht beim Kochen in Flammen auf. Kurz darauf meint eine Frau in Manu ihren alten Handballerfreund wiederzukennen und schleppt die beiden mit ins Haus ihrer Eltern, wo sich umgehend die nächsten (und für Chihuahua-Liebhaber möglicherweise verstörenden) Verwicklungen ereignen. Denn natürlich muss Dominique ein Geheimnis bleiben. Die Impulse gehen in Mandibules nie von den zwei Protagonisten aus. Sie scheinen immer aus heiterem Himmel zu kommen, Manu und Jean-Gab können nur versuchen darauf zu reagieren. Und wir Zuschauer können nur versuchen, uns beim Lachkrampf am Ende keine Zerrung zuzuziehen. Für Quentin Dupieux ist das alles ein großer Witz.

Mandibules (2020)

Mandibules“ handelt von zwei schlicht gestrickten Freunden, die eine riesige Fliege finden. Gemeinsam entscheiden sie das Tier zu zähmen und zu trainieren, um damit ein wenig Geld zu machen.  

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