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Manila steht im Kino wie in der Literatur für Chaos und Wunder gleichermaßen. In Blanka schlägt sich in der philippinischen Metropole ein taffes Mädchen als Straßenkind durch. Schnell gerät es ins Visier von Puffmüttern wie Klosterschwestern. Aber ein Wundermittel hat Blanka: ihre Stimme.

Blanka

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Durch das Regenbogenmeer segeln

„Mutter für 30.000 Pesos gesucht“ steht auf einem einfachen Plakat. Geschrieben hat diese alles andere als gewöhnliche Annonce die kleine Blanka (Cydel Gabutero), die vielleicht zehn, zwölf Jahre alt ist und irgendwo im Nirgendwo Manilas lebt. Oder besser gesagt: Sich dort als durchaus ruppiges Mädchen mit allerhand Tricksereien durchschlägt. So genau weiß man das in Blanka nicht – und auch ebenso wenig ist über die gleichnamige Titelheldin lange Zeit im Film tatsächlich bekannt: Eine Geburtsurkunde besitzt das kleine Mädchen nicht, sie hat keinen Vater oder eine Mutter, die für sie sorgen, sie erziehen oder auch auf das Leben in den philippinischen Straßen vorbereiten würden.

Vielmehr ist Blanka zwangsläufig alleine unterwegs: Ohne Obdach, aber mit einem Bündel von Geldscheinen, das sie sich als Kleingaunerin in der Vergangenheit zusammengestohlen hat, will sie durch die Annonce bloß raus aus diesem höchst unsicheren Straßenleben. Schließlich werden Kinder sowohl in Kohki Haseis verzauberndem Film als auch in der hart-rauen Realität des Landes – erst recht, wenn sie ohne Begleitung unterwegs sind – nicht selten als Freiwild betrachtet. 

Oder gleich als „Dreck“, behandelt wie lebendiger „Müll“, wie das einer der Straßenjungen, den Blanka später besser kennenlernt, einmal in brutal ehrliche Worte fasst. Kein Wunder bei dem Faktum, dass einerseits auf den Philippinen besonders viele kirchliche Kinder- und Pflegeheime existieren, andererseits aber genauso auch schier endlose Straßenstich-Zonen, in denen viele der aufgeschnappten Kinder – im Prinzip ohne wirkliche Alternativen –fast schon zwangsläufig hängenbleiben.

Der japanische Regisseur Hasei hat in seinem atmosphärisch starken und enorm authentischen Debütfilm, der bereits viele Preise gewonnen hat und Kinder wie Erwachsene begeistern kann, ausschließlich mit Laiendarstellern gearbeitet – mit einer einzigen Ausnahme: Die 12-jährige Philippinerin Cydel Gabutero war schon vor den Dreharbeiten in ihrer Heimat ein YouTube-Kinderstar mit hunderttausenden Klicks. Dabei spiegelt sich in ihrem überzeugenden Augenspiel das gesamte Drama ihrer vagen Existenz wider. 

Zusammen mit ihrer zauberhaft klaren Gesangsstimme, die auch im Film in einigen Passagen mit dem blinden Gitarristen Peter (Peter Millari) eindrucksvoll zur Geltung Ausdruck kommt, trägt sie Haseis Film mitunter lange Zeit komplett alleine – und vollkommen überzeugend. Das hat zwingend auch damit zu tun, dass sich darin wunderbare Märchenelemente mit präzisen Milieustudienmomenten mischen, frei von herzschmerziger Kitschgefahr oder einer allzu naiv-kindlichen Sprache. 

Zu dieser überaus gelungenen Mixtur aus Kinderfilm, Problemfilm, Freundschaftsfilm und Melodram tragen gleichsam die herrlich stimmungsvollen Einstellungen von Takeyuki Onishi bei, die in den Tages- und speziell in den Nachtszenen einen ganz eigenen Sog entwickeln, wodurch Blanka als humanistischer Genrefilm für ein junges Publikum weit aus der Massenproduktion hervorsticht. Mit gutem Fingerspitzengefühl in der Figurenzeichnung, großem Einfühlungsvermögen in die Welt der Straßenkinder und eben einer ganz speziellen Prise Magie ist Kohki Hasei ein bestechendes, hoffnungsvoll stimmendes Langfilmdebüt geglückt, das lange nachwirkt – und selbst glücklich macht.

Blanka

Das Leben ist nicht einfach, wenn man mit elf Jahren bereits auf der Straße lebt wie die kleine Blanka, die sich mit Diebstählen und Tricksereien mühsam über Wasser hält. Dann lernt sie den blinden Straßenmusiker Peter kennen, dessen Lieder sie magisch anziehen. Und aus dieser Faszination erwächst plötzlich ein kleiner Hoffnungsschimmer, denn wenn die beiden sich zusammenraufen, könnten sie es vielleicht schaffen…

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