Train to Busan (2016)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Es fährt ein Zug ins Zombieland

Mit seinem ersten Live-Action-Film Train to Busan liefert Yeon Sang-ho (King of Pigs) einen Genrefilm ab, der auf den ersten Blick nur ein weiterer Zombiefilm zu sein scheint. Und da dieses Genre seit Jahren bis auf Mark und Bein ausgelutscht wurde, erscheint diese Entscheidung überaus redundant. Doch man sollte Yeon Sang-ho nicht unterschätzen. Schon seit George A. Romeros Night of the Living Dead (1968) schlurfen Zombies mit einem Zweck durch Filme. Sie sind fleischgewordene Sozialkritik. So bitter und tödlich, dass man ihre Message nicht ignorieren kann. Dachte man zumindest. Doch spätestens mit Danny Boyles 28 Tage später hat das Subgenre einen Platz im Actionfilm gefunden. Zombies sind plötzlich schnell und clever und damit von anderen Monstern oder Aliens kaum noch zu unterscheiden. Einziges Alleinstellungsmerkmal: sie waren einmal Menschen. Geliebte Menschen.

Von Menschen hält der Fundmanager Seok-woo (Gong Yoo) aber nicht so viel. Sie sind – so verlangt es seine Arbeit – zu ersetzen, wenn sie nicht mehr profitabel sind. Ein wenig wehrt er sich zwar dagegen, denn das Gewissen nagt, am Ende macht er aber dann doch einfach seinen Job. Wie zum Beispiel ein Leck in einer Chemiefabrik zu verheimlichen, damit die Firma erstmal ihre Aktien verkaufen kann, bevor der Skandal aufgedeckt wird. Derweil leidet zuhause Seok-woos Tochter Su-an (Kim Su-an) unter der berechnenden Kälte und dauerhaften Nichtanwesenheit ihres Vaters. Sie wünscht sich nur eins: zu ihrer Mutter, von der der Vater geschieden ist, nach Busan zu fahren. Und zwar an ihrem Geburtstag, der nur 24 Stunden entfernt ist. Dazu müsste der Vater sie aber im Zug hinbringen, und der hat eigentlich Besseres zu tun. Nachdem er ihr aber das dämlichste Geschenk aller Geschenke macht, fühlt er sich so schlecht, dass er einwilligt. Im Zug am nächsten Tag passieren plötzlich eigenartige Dinge. Ein völlig verstörter Mann ruft „Sie sind alle tot!“, im Zugfernsehen berichten sie von Streiks und gewalttätigen Ausbrüchen und ein Mädchen mit einer Wunde am Bein benimmt sich komisch.

Wie es weitergeht, ist eigentlich klar. Die Zombie-Apokalypse bricht im Zug aus. Was folgt ist eine Mischung aus Snowpiercer, Snakes on a Plane und dem üblichen Zombiegedöns. Die Überlebenden müssen auf engstem Raum Verstecke finden und sich vor den hochgradig aggressiven, aber glücklicherweise klassisch dämlichen Zombies verstecken. Abteil für Abteil arbeiten sich diese vor. Soweit, so üblich. Doch dann transformiert Yeon Sang-ho den Film zurück in das, was Zombiefilme einst waren: eine starkes und hartes Stück Drama mit einer eindeutigen sozialkritischen Aussage. Die Überlebenden im Zug spalten sich recht schnell in zwei Gruppen: die, die aus darwinistischer Sicht eh kaum eine Chance haben (die Alten, die Kinder, die Schwangeren und, sehr spannend, die Mitfühlenden), und die, die zur Not auch alte Omas auf die Zombies werfen würden, um auch nur eine Sekunde länger zu leben. Im Angesicht des Todes wird der Mensch sehr hässlich. Auch Seok-woo ist anfänglich in der Gruppe der Opportunisten dabei, doch seine Tochter reagiert so entsetzt auf sein Verhalten, dass er sich zurücknimmt. Als er dann noch erfährt, dass er persönlich zu dem Auslöser der Ereignisse beigetragen hat, muss er sich seiner moralischen Verantwortung stellen, die in diesem Moment in Form einer riesigen Masse von Zombies vor ihm steht.

Abgesehen von der Überführung des Genrefilms in alte, kritische Gefilde bietet Train to Busan ein Einblick in die südkoreanische Gesellschaftsstruktur. Im Zug ist klar: Männer, die Anzug tragen, haben mehr zu sagen als andere Männer. Frauen dürften nicht viel beitragen. Tun sie es doch, werden sie gemaßregelt. Einzig und allein für den emotionalen und moralischen Haushalt haben sie in Katastrophenmomenten zu sorgen. Noch interessanter ist ein Vergleich der Inszenierung koreanischer und amerikanischer Zombies. Zwar treten sie sehr gern in beiden Hemisphären in riesigen Massen auf, doch gibt es einen signifikanten Unterschied. Während die Zombies in The Walking Dead und Co. stets in großen, recht breit gestreuten und eher individuellen Gruppen auftreten, formt Yeon Sang-ho ganz oft Haufen, Reihen, Wellen oder andere Formationen aus totem Fleisch, die immer wieder in der Masse ihr Ziel durch Zusammenarbeit, Willenskraft und Flexibilität erreichen. Und das faktisch sogar mit einem toten Hirn und minimalen Impulsen.

Doch trotz allem Tod und Gemetzel geht in Train to Busan weniger um das Überleben, als um die Frage, wie und wofür man eigentlich leben sollte.
 

Train to Busan (2016)

Mit seinem ersten Live-Action-Film „Train to Busan“ liefert Yeon Sang-ho („King of Pigs“) einen Genrefilm ab, der auf den ersten Blick nur ein weiterer Zombiefilm zu sein scheint. Und da dieses Genre seit Jahren bis auf Mark und Bein ausgelutscht wurde, erscheint diese Entscheidung überaus redundant. Doch man sollte Yeon Sang-ho nicht unterschätzen.

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