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In „Erde und Blut“ muss der Inhaber einer Sägemühle im französischen Hinterland das Leben seiner Tochter gegen gewalttätige Drogenhändler verteidigen. Die bedrückende Atmosphäre wird dem martialischen Titel gerecht – das Finale dem Spannungsaufbau allerdings nicht.

Erde und Blut (2020)

Eine Filmkritik von Christian Neffe

Treffpunkt: Sägewerk

Der martialische Titel verspricht einen Film, der an die Nieren geht – und zumindest im Prolog wird „Erde und Blut“ dem auch gerecht. Ein Gruppe Maskierter überfällt eine Polizeistation, nimmt Geiseln, lässt mehrere Kilo Kokain mitgehen. Es fallen Schüsse, nur zwei der Räuber kommen durch, können mit der Beute fliehen, lassen mehrere Leichen zurück. Schwarzblende, Ortswechsel.

Ein Krankenhaus. Saïd (Sami Bouajila) erhält eine fatale Diagnose: Metastasen in der Lunge, Krebs im Endstadium. Der Besitzer einer Sägemühle nimmt sein Schicksal wortlos hin, steigt ins Auto, zündet sich eine Zigarette an. Jetzt kann er auch wieder damit anfangen. Zu Hause wartet seine taubstumme Tochter Sarah (Sofia Lasaffre), 18 Jahre ist sie alt. Saïd hat derweil einen Plan gefasst: Er will die Sägemühle verkaufen, um Sarah ein Studium zu ermöglichen. Über seine Krankheit hüllt er den Mantel des Schweigens.

Das Vorhaben scheint von Erfolg gekrönt, ein Interessent für den Kauf ist bald gefunden. Doch dann entdeckt Saïd zufällig, dass sein Angestellter Yanis (Samy Seghir) – vorbestraft, jung, naiv – etwas im Werk versteckt hat: die Drogen aus der Polizeistation. Yanis hat sie dort für seinen älteren Bruder deponiert, den Drahtzieher des Überfalls, der sich nun in der Gewalt des örtlichen Drogendealers Adama (Eriq Ebouaney) befindet, von ihm verhört und gefoltert wird. Adama hat eine Vorliebe dafür, unliebsamen Gestalten wortlos das Genick zu brechen – und will das Rauschgift um jeden Preis an sich bringen.

Es bedarf weder viel Fantasie noch Vorwissen, um zu erahnen, worauf der Plot von Erde und Blut hinausläuft. Die Sägemühle; der alleinerziehende Vater, der im Angesicht des Todes alles richtig machen will; die bedrohliche Entität des brutalen Gangsterbosses – all diese Versatzstücke deuten auf eine unvermeidliche, gewaltsame Konfrontation im letzten Akt hin. Bevor es soweit ist, verbringt Regisseur Julien Leclercq, dessen Filmografie von düsteren Geschichten aus dem Untergrund geprägt ist (The Crew, The Bouncer), eine gute Dreiviertelstunde mit Figuren- und Spannungsaufbau. Ein Vorhaben, das ihm dank der stringenten, nüchternen Erzählweise, der bedrückenden Atmosphäre und den lichtarmen, fast bis zur Farblosigkeit entsättigten Bildern auch gelingt: Von Beginn an ist zu spüren, dass sich hier etwas Großes, Bedrohliches am Horizont zusammenbraut.

Gegenüber Braven, der 2018 einen nahezu identischen Plot mit Jason Momoa als Titelheld etablierte und ebenso wie Erde und Blut exklusiv auf Netflix erschien, profitiert die französische Produktion von seinem versierteren Hauptdarsteller. Sami Bouajila verleiht der Figur des hart schuftenden Landarbeiters, der als aufopferungsvoller Vater nur noch auf das Wohl seiner Tochter bedacht ist, eine nahbarere und nachdrücklichere Ausstrahlung als Momoa. Die fügt sich sehr gut in die Stimmung des grauen, verregneten Hinterlands ein. Auch in den übrigen Figuren schlummert Potential. Fast könnte man meinen, Erde und Blut sei ein guter Film – bis das geschieht, auf das alles bis hierhin zusteuerte: das Finale.

Das mündet in ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Saïd und den Gangstern, das sowohl an Orientierungsschwächen als auch tonalen Schwankungen und Tempoproblemen krankt. Wo sich die Figuren befinden und wohin sie sich bewegen, scheint völlig egal zu sein; dass sich Fliehende und Verfolger bei der Jagd durch die stets gleich aussehende Waldkulisse aus den Augen verlieren und schließlich wiederfinden, wirkt reichlich unglaubhaft und achtlos dahininszeniert. Die bis dato schmucklose Inszenierung wird zudem durch mehrere, überstilisierte Momente zerrissen, in denen Leclercq von Zeitlupensequenzen bis zu dröhnenden Inception-Horns alles verfeuert, was die Regiekiste für einfallslose Dramaturgietricks hergibt. Nicht zuletzt verschenkt Erde und Blut auch all die Mühen, die zuvor in die Charaktere gesteckt wurden, wenn einer nach dem anderen dem Blutbad zum Opfer fällt, ohne dass dies irgendeinen emotionalen oder inhaltlichen Effekt hätte. Am deutlichsten fallen die erzählerischen Versäumnisse bei Sarah aus, deren Gehörlosigkeit für einige hochspannende Momente hätte sorgen können. Stattdessen muss sie als weitere wehrlose Damsel in Distress herhalten. Und selbst als reines Genrestück bleibt Erde und Blut weit hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Erde und Blut (2020)

Jahrzehntelang hat Said seine Sägemühle erfolgreich mit Ex-Häftlingen und Jugendstraftätern betrieben, doch dann steht unwillkommener Besuch vor der Tür: ein Kartell.

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