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Zwischen Fernseh-Beschallung und Abhörtechnik inszeniert Radu Jude in „Uppercase Print“ den Horror der Bürokratie.

Uppercase Print (2020)

Eine Filmkritik von Lucia Wiedergrün

Lache, wenn Du schreien willst

Zu den großen Mysterien der Geschichte gehört die Frage, warum Propaganda so einen Hang zur Lächerlichkeit hat. In Radu Judes Film „Uppercase Print (Tipografic majuscul)“ treffen die Heilsversprechen des offiziellen Fernsehprogramms des Ceaușescu-Regimes auf die Kleingeistigkeit des bürokratischen Überwachungsstaates. Was als absurdes Theater beginnt, wird zunehmend zur schmerzhaften Durchhalteprobe. Zermürbung als Mittel der Staatsgewalt: in dem Film wird das spürbar.

Uppercase Print geht auf ein Theaterstück von Gianina Cărbunariu zurück. Das Stück basiert auf einer tatsächlichen Akte der Securitate, der rumänischen Geheimpolizei der sozialistischen Ära. Die Akte diente dem Stück nicht nur als Inspiration, sondern als konkrete Textgrundlage. Berichtet wird darin von Vorkommnissen in Botoşani im Jahr 1981. An verschiedenen Stellen in der Stadt tauchen dort mit Kreide geschriebene Parolen auf. Sie fordern bessere Lebensbedingungen, Freiheit und eine Öffnung des Landes. Die Securitate wittert eine Gefahr für die Nation und beginnt in groß angelegten Aktionen nach dem Staatsfeind zu fahnden. Tag und Nacht werden Wachen aufgestellt, Informanten kontaktiert und großangelegte Schriftvergleiche angestellt. Die Mühen tragen Früchte und bald kann der Übeltäter ausgemacht werden. Es ist der Schüler Mugur Călinescu. Für die Paranoia des Sicherheitsapparats ist die reine Ergreifung Călinescus aber noch nicht Beruhigung genug und so werden Abhörgeräte installiert und immer mehr Menschen aus seinem Umfeld befragt, bis auch sein Vertrauen in die Umwelt schwindet. Was man als Kreide-Schmierereien eines Schuljungen hätte abtun können, zieht somit immer größere Kreise. Alles wird dabei minutiös in der Akte festgehalten und was beim nächsten Regen einfach verschwunden wäre, somit für die Nachwelt verewigt.

In Radu Judes Film wird das Theaterstück nun aufgeführt. Die Bühne entspricht dabei einem kreisförmigen Fernsehstudio, aufgeteilt in fünf tortenförmige Bereiche. Jedes Tortenstück steht für eine andere Spielstätte dieser Groteske. Geradeaus sprechen die Schauspieler*Innen ihre Texte in die mittig platzierte Kamera. Die Monotonie ihrer Deklarationen lässt selbst die Gespräche wie Monologe klingen. Sie unterstreicht die seelenlose Umständlichkeit der bürokratischen Sprache. In dialektischer Gegenüberstellung trifft das Theaterstück auf die Bilder des Staatsfernsehens der frühen 1980er Jahre. Das Material reicht von Tipps zur Hühnerhaltung bis zu Musikeinlagen und Massenveranstaltungen und immer wieder geht es um die Jugend und die Hoffnungen, Wünsche und Erwartungen, die an sie gerichtet werden. Von den Archiv-Funden geht eine große Faszination aus, aber auch der stete Unglaube, dass diese teils so infantilen Inhalte für Erwachsene produziert wurden. Das Aufeinandertreffen der offiziellen Selbstbeschreibung der schillernden Propaganda-Bilder und der Kleinlichkeit und Brutalität der Alltagsüberwachung ist zwar wenig subtil inszeniert, gerade in seiner Deutlichkeit aber durchaus eindrucksvoll und lässt den Horror des einen im anderen hervortreten.

Was zu Beginn des Films noch durchaus komisch anmutet, wird über dessen Verlauf hinweg immer beklemmender. Die anfängliche Begeisterung angesichts der skurrilen Fernseh-Funde weicht einer Abstumpfung in Anbetracht der steten Redundanz der immer selben Phrasen. In der konkreten Filmerfahrung stehen sich das Fernsehen und die Verhöre somit keineswegs immer diametral gegenüber. Vielmehr wirken beide zusammen auf die Zermürbung des Publikums hin. Die Zeit scheint sich in den kafkaesken Untersuchungen zu ziehen, bis die knapp zwei Stunden des Films sich wie eine Ewigkeit anfühlen. Damit schafft Uppercase Print eine dem Gegenstand angemessene filmische Erfahrung ausgelaugter Müdigkeit und Resignation.

Uppercase Print widmet sich dem Horror bürokratischer Wiederholungsprozesse, paranoiden Abhörwahns und der skurrilen Selbstverklärung autoritärer Selbstdarstellungen. Was zunächst nach der Aufarbeitung längst vergangener Zeiten klingt, erfährt am Ende des Films eine Aktualisierung, die nicht nur darauf verweist, dass die Obsession von Überwachungsinstitutionen mit Alltagswirklichkeiten leider keineswegs nur der Vergangenheit angehört, sondern auch deutlich macht, dass die Verbindung von Lächerlichkeit und Politik aktueller ist, als man sich beim Schauen des Films eingestehen mag.

Uppercase Print (2020)

Der Film erzählt die Geschichte des rumänischen Jugendlichen Mugur Calinescu, der Graffitis gegen den Diktator Nicolae Ceausescu auf Wände schrieb, geschnappt und ausführlichen Verhören unterzogen wurde, bis die Geheimpolizei ihn schließlich mit ihren Methoden zu Grund richtete.

 

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