Morris aus Amerika

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Er hat sein Teenie-Herz in Heidelberg verloren

Morris (Markees Christmas) fühlt sich fremd in Heidelberg. Wenn der 13-jährige Junge durch die Stadt geht, trägt er Ohrhörer, um sich mit seinem geliebten Hip-Hop zu trösten. Obwohl sich Morris so in sich zurückzieht, fällt er überall auf: Er ist Afroamerikaner, korpulent und spricht gebrochen Deutsch. Sein alleinerziehender Vater Curtis (Craig Robinson) – die Mutter ist vor einiger Zeit gestorben –, ermuntert ihn, sich Freunde zu suchen. Und seine private Deutschlehrerin, die Studentin Inka (Carla Juri), drückt ihm aus demselben Grund einen Prospekt des Heidelberger Jugendzentrums in die Hand. Morris ist mehr als skeptisch. Dass er nicht versteht, wie deutsche Kids ticken, liegt nicht nur am Sprachproblem: Morris schwärmt für Gangsta- und Freestyle-Rap, experimentiert selbst damit, kennt alle Idole des Genres – doch diesem spezifischen Lebensgefühl scheinen die hiesigen Teens nicht so nachzueifern.
Also staunt Vater Curtis nicht schlecht, als Morris ihm am Wochenende erklärt, er wolle gleich nach dem Frühstück ins Jugendzentrum. Dort gibt es das blonde Mädchen Katrin (Lina Keller). Die 15-Jährige ist auf Morris zugegangen und hat seine Schwärmerei sofort in Verliebtheit verwandelt. Und auf einmal kommt mächtig Bewegung in Morris‘ Leben und auch in seine Beziehung zum Vater.

Der amerikanische Regisseur und Drehbuchautor Chad Hartigan (This is Martin Bonner) wuchs in Zypern auf und kennt folglich die interkulturelle Kluft aus eigener Erfahrung. Sein Film Morris aus Amerika, eine deutsch-amerikanische Produktion, wurde auf dem Sundance Film Festival 2016 mit zwei Preisen – für das Drehbuch und den Darsteller Craig Robinson – bedacht.

Die gewichtigen Themen in diesem frischen kleinen Jugendfilm werden mit einer naiven Unschuld, die gut zum kindlichen Hauptcharakter passt, und charmantem Humor serviert. Dieser Witz entspringt zum Teil auch der leichten Schräghaltung, die der Film zum Mainstream einnimmt. So ist die Vater-Sohn-Beziehung ungewöhnlich für eine im Kino erzählte Geschichte, wirkt dabei aber umso authentischer. Curtis will die Vaterrolle perfekt ausfüllen, aber als der Junge plötzlich lieber auf sein Zimmer verschwindet oder ihn abends allein lässt, merkt er, dass er selbst niemanden zum Spielen hat. Witzig ist auch die jähe Aufmüpfigkeit des Jungen, wenn er dem Vater Paroli bietet und ihm beispielsweise sagt, was er von dessen Rap-Versuchen aus den Neunzigern hält.

Von dem blonden Fräuleinwunder Katrin, das es faustdick hinter den Ohren hat, wird Morris zur Teilnahme am Talentwettbewerb des Jugendzentrums ermuntert. Er soll rappen – aber als er dann unter schrecklichem Lampenfieber den ersten Vers herausstößt, mit „Bitches“ und dem F-Wort, ist es dort auch schon vorbei mit der pädagogischen Toleranz. Wenige, aber treffende, pointierte Bespiele lassen die Barrieren, Vorurteile und Missverständnisse aufscheinen, die Morris das Leben schwer machen. Katrin, eine sehr interessante, ambivalente Figur, empfindet die Stadt als eng und provinziell und sucht auch deshalb den Kontakt zu Morris. Aber der Altersunterschied lässt sie auf ihn rätselhaft wirken wie eine femme fatale.

Jedenfalls lernt Morris die eigene Leidenschaft kennen. Dazu fallen dem Film wunderbare Szenen und Bilder ein: der Tanz mit einem verkleideten Kissen, Springbrunnen, die angehen, als die beiden dasselbe Lied hören. Der Newcomer Markees Christmas stattet Morris mit einer schmollenden Tapsigkeit und einer Spur trotziger Kühnheit aus, die berühren. Dank der gut gezeichneten und gespielten Charaktere übersteht die Geschichte auch kleinere Holprigkeiten und abrupte Verläufe. Sie überschüttet Morris nicht mit Geschenken, vermittelt aber dem sympathisierenden Publikum den Eindruck, dass der Junge seinen Weg im Leben machen wird.

Morris aus Amerika

Morris (Markees Christmas) fühlt sich fremd in Heidelberg. Wenn der 13-jährige Junge durch die Stadt geht, trägt er Ohrhörer, um sich mit seinem geliebten Hip-Hop zu trösten. Obwohl sich Morris so in sich zurückzieht, fällt er überall auf: Er ist Afroamerikaner, korpulent und spricht gebrochen Deutsch.
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Meinungen

Hans im Glück · 05.11.2023

Ein netter Film, der einen Abend lang unterhält.
Allzu viel Tiefe sollte man aber nicht erwarten.