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„Eine private Angelegenheit“ ist das Vermächtnis von Vittorio Taviani; sein Bruder und jahrzehntelanger Co-Autor und -Regisseur Paolo hat das Liebes- und Kriegsdrama in Szene gesetzt – und zeigt einen Partisanen im Banne der Vergangenheit.

Eine private Angelegenheit (2017)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Im Nebel der Erinnerungen

Die Brüder Vittorio und Paolo Taviani (Jahrgang 1929 und 1931) zählen zu den Meistern des italienischen Kinos. Zu ihren bekanntesten Werken gehören „Mein Vater, mein Herr“ (1977), „Die Nacht von San Lorenzo“ (1982) und Cäsar muss sterben (2012). Für „Eine private Angelegenheit“ schrieben sie wie üblich zusammen das Drehbuch. Die Regie fiel jedoch erstmals allein Paolo zu, da Vittorio durch einen Unfall nicht am Set erscheinen konnte. Nach einer gemeinsamen Autorenfilmer-Karriere, die mehr als 60 Jahre umfasste, verstarb Vittorio im April 2018.

Als Vorlage für ihr Skript zu Eine private Angelegenheit diente den Taviani-Brüdern der gleichnamige, autobiografische Roman von Beppe Fenoglio aus dem Jahre 1963. Es geht um den Widerstandskampf in Italien in der finalen Phase des Zweiten Weltkriegs – sowie um die Erinnerung an eine unerfüllte Liebe. Im Zentrum steht der junge Milton (Luca Marinelli), der als Partisan im Piemont gegen die deutschen Truppen sowie gegen einheimische Faschisten im Einsatz ist. Als er in den Bergen zu dem verlassenen Haus gelangt, in dem einst sein großer Schwarm Fulvia (Valentina Bellé) lebte, erfährt er, dass Fulvia und sein bester Freund Giorgio (Lorenzo Richelmy) womöglich eine Affäre hatten. Nun will er Giorgio, der in Gefangenschaft ist, ausfindig machen, um ihn zur Rede stellen zu können.

Als Mädchen aus Miltons „früherem Leben“ wird Fulvia einmal beschrieben. Und tatsächlich wirken die Vergangenheit, die in vielen Rückblenden gezeigt wird, und die Gegenwart des Krieges kaum miteinander vereinbar. Die extrem unterschiedliche Farbgebung der Bilder – warm und leuchtend im Damals, kalt und karg im Heute der Figuren – ist gewiss recht plakativ, aber durchaus wirkungsvoll. Die traumhafte, künstliche Anmutung der Rückschau auf besagtes früheres Leben wird durch diverse Elemente noch betont; so wird etwa der Song Over the Rainbow zu einem wiederkehrenden Motiv. Eine private Angelegenheit ist weniger daran interessiert, episches Historienkino zu bieten; vielmehr wird das Kriegsgeschehen in einigen Miniaturen visualisiert, während der Protagonist allmählich in eine Obsession abdriftet.

Paolo Tavianis Inszenierung ist so stilsicher, wie es die Arbeiten, die der Italiener gemeinsam mit seinem Bruder geschaffen hat, seit jeher waren. Insbesondere der Einsatz der Kamera, hier geführt von Simone Zampagni, trägt mit den zahlreichen langen Nahaufnahmen eindeutig die Taviani-Handschrift. Der Hauptdarsteller Luca Marinelli, der bereits in der eigenwilligen Literaturadaption Die Einsamkeit der Primzahlen (2010) glänzte und aktuell im Netflix-Actionfilm The Old Guard zu sehen ist, kann seine Ausdrucksstärke gerade in diesen Einstellungen demonstrieren und die Traurigkeit sowie die zunehmende Besessenheit von Milton vermitteln. Marinellis Co-Stars Valentina Bellé und Lorenzo Richelmy bleiben hingegen in ihrem manierierten Spiel etwas blass.

Die Dreiecksgeschichte zwischen Milton, Fulvia und Giorgio ist letztlich eher trivial; von Bedeutung ist vor allem, wie sich Milton mehr und mehr „über den Regenbogen“ begibt, in die zarte Erinnerung an Tänze, Flirt-Gespräche über Emily Brontës Sturmhöhe – und an eine Liebe, die in der Imagination des jungen, hoffnungslos romantisch veranlagten Mannes eventuell viel größer und strahlender ist, als sie es in Wirklichkeit jemals war.

Eine private Angelegenheit (2017)

Der junge Partisan Milton ist in der nebligen Landschaft des Piemont unterwegs. Er kämpft um seinen Freund Giorgio, gleichzeitig sieht er ihn als Konkurrenten in seiner Leidenschaft für Fulvia, jene junge Frau, die sich längst in den Norden abgesetzt hat, aber in den Träumen der beiden präsent bleibt. Es ist die Zeit der zu Ende gehenden Faschistenherrschaft, verschiedene Widerstandsgruppen kämpfen gegen die deutschen Truppen und die einheimischen Schwarz-hemden. Alle haben den Überblick verloren, leben im Nebel einer Zeit, in der niemand sicher sein kann, ob der andere Freund oder Verräter ist.

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