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Die französische Komödie von Tristan Séguéla stellt das Grundvertrauen in die ärztliche Berufsethik lustvoll auf die Probe. Zu Leuten, die an einem Heiligabend in Paris den medizinischen Notdienst rufen, kommt statt des Arztes ein Essenslieferant zum Abhören. Denn der Mediziner hat Rückenschmerzen.

Ein Doktor auf Bestellung (2019)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Wenn ein Arzt kommt, der keiner ist

An Heiligabend ist Serge (Michel Blanc) schrecklich allein in Paris. Er fährt als Bereitschaftsarzt von einem Patienten zum nächsten, während seine Kollegen daheim mit ihren Familien feiern. Serge ist überfordert, als er seiner Bekannten Rose (Solène Rigot) beistehen muss, die Tabletten genommen hat, und der Notdienst ihn zu einem anderen Patienten schickt. Da spannt der entnervte Mann kurzerhand Malek (Hakim Jemili) ein, der als Essenslieferant zufällig zur Stelle ist: Er soll doch dem Patienten, der wohl nur ein Rezept braucht, dieses vorbeibringen. Aber der Fall nimmt wider Erwarten eine dramatische Wendung. Serge und Malek stehen als komödiantisches Duo am Beginn einer langen, abenteuerlichen Nacht, in der sie versuchen, den Bereitschaftsdienst mit vereinten Kräften durchzustehen.

Serge bekommt so etwas wie einen Hexenschuss und kann sich praktisch nicht mehr bewegen, hat aber Angst vor beruflichen Konsequenzen, wenn er in dieser Nacht versagt. Er schickt also Malek als vermeintlichen Arzt auch zu den nächsten Patienten und steht mit ihm über Handy und Ohrhörer in Verbindung, was niemand merken darf. Malek, der selbst gerne Arzt werden wollte, aber nun nur noch von einem Taxiunternehmen mit seinem Bruder träumt, bekommt jedenfalls Gelegenheit, in den fordernden Medizineralltag hineinzuschnuppern. Und so aberwitzig und ungesetzlich das Treiben dieses Duos in der Weihnachtsnacht auch ist, scheint in dieser Komödie des Regisseurs Tristan Séguéla auf paradoxe Weise auch stets Respekt vor der Leistung des ärztlichen Notdienstes durch.

Hinter jeder neuen Haustür wartet auf Malek und den mit ihm aus dem Auto kommunizierenden Serge eine Überraschung. Mal ist sie nur unangenehm, wie im Fall des Mannes mit Verstopfung, mal droht Maleks Lüge aufzufliegen. Und dann gibt es die Fälle, in denen es medizinisch ernst wird – wenn die beiden da nicht als Team funktionieren würden, stünden Menschenleben auf dem Spiel. Der alte Serge, der so oft einen mürrischen, gereizten Eindruck macht und auch nicht mehr ganz nüchtern ist, kann doch blitzschnell kombinieren, wenn es darauf ankommt. Michel Blanc spielt den erfahrenen Doktor herrlich desillusioniert und raubeinig. Schon die Eingangsszene, in der er die liebevoll besorgten Eltern eines zu untersuchenden Babys barsch anweist, dieses an Armen und Beinen festzuhalten, ist zum Schreien komisch. Denn Serge gibt sich so gar keine Mühe, die Genervtheit zu kaschieren, die er in manchen Situationen gerade aufgrund langjähriger, einschlägiger Erfahrung empfindet.  

Der Komiker Hakim Jemili spielt Malek als aufgeweckten, neugierigen Charakter. Malek ist sozial eher ein Underdog, hat weder Ausbildung noch Geld, um seine Träume zu verwirklichen. Aber in dieser Nacht bekommt er eine Ahnung von seinen schlummernden Fähigkeiten. Serge wird ohne großes Zutun so etwas wie sein Mentor und bekommt seinerseits von Malek menschliche Anteilnahme. Es ist dramaturgisch originell, wie die Dialoge der beiden, in denen es um persönliche Dinge geht, um den seelischen Schmerz, den Serge mit sich herumschleppt, ganz beiläufig eingeflochten werden. Das kann sogar im unpassenden Moment einer ärztlichen Behandlung geschehen und ist dann komödiantisch umso reizvoller.

In Gestalt eines schnöseligen Mannes, dem Malek in der Geschichte mehrmals begegnet, wird die Arroganz und das Anspruchsdenken mancher Zeitgenossen auf die Schippe genommen. Es gehört zur Einstellung dieses materiell gut situierten Menschen, Dienstleister und auch Ärzte menschlich nicht wirklich wahrzunehmen. So erkennt er Malek beim nächsten Mal nicht wieder, was diesem in seiner speziellen Lage aber nur recht sein kann. Die Komödie bietet vergnügliche Unterhaltung zum Schmunzeln. Trotz ihrer Harmlosigkeit ist sie auch realitätsnah genug, um einem bewusst zu machen, wie schnell man auch selbst in eine medizinische Notlage geraten könnte, in der kompetente Hilfe keine reine Selbstverständlichkeit, sondern einen unschätzbaren Wert darstellt.  

Ein Doktor auf Bestellung (2019)

Während all seine Kollegen bereits den Weihnachtsbraten genießen, ist Serge der einzige Arzt in ganz Paris, der am Heiligabend noch im Bereitschaftsdienst Hausbesuche abstattet. Was als Routineschicht beginnt, wird plötzlich sehr turbulent: Als Serge versehentlich den tolpatschigen Pizzaboten Malek anfährt, verrenkt er sich derart den Rücken, dass an weitere Patientenbesuche nicht mehr zu denken ist. Also beschließt er kurzerhand, sich durch Malek vertreten zu lassen. Über drahtlose Kopfhörer „ferngesteuert“, muss der überforderte Malek die Anweisungen des Arztes umsetzen – leider nicht immer zum Wohle der Patienten… (Quelle: AG Kino)

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