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In unserer schönen neuen Online-Welt sind die wahren Helden der Weihnachtszeit gar nicht der Santa Claus und seine Rentiere, sondern die Paketboten. Aus diesem Umstand hat Sergio Pablos einen Animationsfilm realisiert, der das Zeug hat, in der Flut der Weihnachtsfilme zu überdauern.

Klaus (2019)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Santa Claus Origins

Im Universum der Superhelden sind Origin-Stories gerade schwer angesagt, also Geschichten, die erzählen, wie ein Pro- oder Antagonist zu dem wurde, was er heute ist bzw. auf der Leinwand darstellt. Todd Philipps „Joker“ hat gerade vorgemacht, wie viel Potenzial in diesen Origins stecken kann und wie eigentümlich und einzigartig sie sich einer Figur und einem Stoff annähern können.

Dass sich nun aber jemand den Ursprüngen des Weihnachtsmanns angenommen hat, kommt dann doch ein wenig überraschend. Und noch überraschender, aber auch unterhaltsamer ist das in diesem Fall geraten, weil Klaus sich lange Zeit lässt, bis der Film zu der vermeintlichen eigentlichen Hauptfigur kommt. Im Mittelpunkt steht nämlich jemand ganz anderes: Jesper ist ein Faulpelz und Tunichtgut, der in einem fiktiven Land irgendwann im 19. Jahrhundert (so hat es zumindest den Anschein) das süße Leben an einer Post-Akademie genießt. Da er der Sohn des Direktors ist, wähnt er sich vor Sanktionen sicher, bis es seinem Vater irgendwann zu viel ist und der renitente Knabe in ein Kaff am Ende der Welt namens Zwietrachtingen (Und ja, der Name ist Programm) abgeschoben wird, um dort den Postverkehr auf Trab zu bringen. Allerdings gibt es genau diesen dort nicht und weil Jesper erst zurückkehren darf, wenn er ein bestimmtes Soll an Briefen an den Mann und die Frau gebracht hat, droht ihm ein endloses Exil, denn in dem trostlosen Ort herrscht aufgrund der seit Generationen andauernden Fehde zweier verfeindeter Großfamilien der schiere Hass.

Und so ist Jesper zunächst völlig abgestoßen von dem Ort und seinen unfreundlichen Bewohnern — und ahnt doch zugleich, dass er sein großes Ziel, die Rückkehr nach Hause, ohne die Zwietrachtinger*innen nicht schaffen wird. Nur wie das gehen soll, bleibt eben das große Rätsel.

Bis er eines Tages im Wald dem finsteren und schweigsamen Klaus begegnet, einem maulfaulen Holzfäller von beeindruckender Kleiderschrank-Statur. Und ausgerechnet dieser grobe Klotz bringt die rettende Idee, die später ihren Siegeszug um die Welt antreten wird. Weil der leidenschaftliche Bastler Klaus einem kleinen Jungen ein selbstgefertigtes Spielzeug zukommen lässt, das Jesper für ihn ausliefert, kommen auch die anderen Kinder auf den Geschmack und schicken Briefe mit Wünschen an den unbekannten Wohltäter. Und so kommt mit einem Mal das darniederliegende Postwesen von Zwietrachtingen in Schwung — und mit ihm die Dinge in Bewegung. Denn weil diese mit der Aussicht verbunden sind, bei Wohlverhalten mehr zu bekommen, begraben die Einwohner*innen von Zwietrachtingen alsbald ihre Streitigkeiten, packen gemeinsam an und bringen den Ort wieder in Schuss. Denn wie es Klaus an einer Stelle des Films auf den Punkt bringt: Einem Akt der Selbstlosigkeit werden andere folgen.

Natürlich spart Klaus nicht an gefühligen Momenten, die die Grenze zum Kitsch wohlweislich an der ein oder anderen Stelle ignorieren und überschreiten — doch bei einem Film für die Weihnachtszeit hat man durchaus schon Schlimmeres gesehen. Neben der jahreszeitlich passenden Botschaft, derzufolge Freundlichkeit und Großherzigkeit jeden Zwist zu überwinden vermögen, sind es aber vor allem der durchaus vorhandene Witz und der eindrückliche Animationsstil, die zu verzaubern wissen. Liebenswert altmodisch kommt Klaus daher und wüsste man nicht ganz genau, dass der Film natürlich an vielen Rechnern entstanden ist, könnte man schwören, dass hier Zeichentrickmeister der alten Schule am Werk waren. Das wiederum passt aber sehr gut zu der ganzen Anmutung des Films, der wie eine moderne Kreuzung von Disney-Preziosen und neueren Filmen wie jenen von Studio Laika wirkt.

Dennoch ist Klaus weit entfernt davon, betulich zu sein: An einigen Stellen, wie etwa bei einer rasanten Schlittenfahrt, kommt sogar richtiggehendes Action-Feeling auf, an anderen wiederum schimmert eine verschmitzze Witzigkeit und Freude an den Unzulänglichkeiten der Charaktere auf, sodass der Film nicht nur kleinen, sondern auch erwachsenen Zuschauer*innen viel Freude bereitet. Vor allem aber ist der Film eine echte Augenweide.

Klaus (2019)

Weil Jesper auf der Postakademie als schlechtester Auszubildender abschneidet, wird er auf eine eisige Insel nördlich des Polarkreises versetzt, auf der sich die Einheimischen gegenseitig aus dem Weg gehen, nur wenig Worte machen und schon gar keine Briefe schreiben. Jesper will schon aufgeben, als er Unterstützung durch die dortige Lehrerin Alva erfährt und den seltsamen Zimmermann Klaus kennenlernt, der allein in einer Hütte voller handgefertigter Spielzeuge lebt. Mit diesen ungewöhnlichen Freundschaften kehrt das Lachen nach Zwietrachting zurück und alle Nachbarn werden großzügig, erzählen magische Geschichten und hängen Strümpfe an ihren Kaminen auf. 

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