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Die Tragikomödie „Hot Air“ mit Steve Coogan und Neve Campbell schildert einen gängigen Plot in einem hochaktuellen Rahmen. Kann das funktionieren?

Hot Air (2018)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Die zwei Lager und die kleine Lady

1886 wurde der Roman Der kleine Lord der britischen Schriftstellerin Frances Hodgson Burnett veröffentlicht: die Geschichte eines kaltherzigen Mannes, der durch die Begegnung mit seinem Enkel die Liebe und Großzügigkeit in sich entdeckt. Von den zahlreichen Verfilmungen des Werks avancierte insbesondere die von Jack Gold aus dem Jahre 1980 zum (Weihnachts-)Klassiker. Zudem variierten etliche Filme den Stoff; stets ging es dabei um eine erwachsene Figur, die ihr Verhalten und ihre Einstellung dank des positiven Einflusses eines unverhofft auftauchenden Kindes zu hinterfragen begann und schließlich änderte.

Auch Hot Air, das Drehbuchdebüt von Will Reichel, erzählt eine solche Geschichte. Im Zentrum steht der Radiomoderator Lionel Macomb (Steve Coogan), der sich in seiner titelgebenden Sendung betont polemisch zu Themen wie Gesundheitsversorgung oder Einwanderungspolitik äußert. Über die Jahre wurde er damit zu einer einflussreichen Stimme des konservativen Flügels; nun bekommt er allerdings Konkurrenz von seinem einstigen Schützling Gareth Whitley (Skylar Astin), der sich in seiner eigenen Show weniger krawallig als sein Ex-Mentor gibt. Neben den sinkenden Quoten und einem zunehmend eskalierenden öffentlichen Disput mit der Senatorin Judith Montefiore-Salters (Judith Light) muss sich Lionel plötzlich noch mit dem Auftauchen seiner 16-jährigen Nichte Tess (Taylor Russell) auseinandersetzen. Mit Tess’ Mutter – seiner älteren Schwester Laurie (Tina Benko) – hatte Lionel seit langer Zeit keinen Kontakt mehr; Tess besteht aber darauf, vorerst in seiner New Yorker Wohnung bleiben zu dürfen. Rasch baut die Jugendliche eine enge Beziehung zu Lionels PR-Agentin und Lebensgefährtin Valerie Gannon (Neve Campbell) auf – und auch Lionel scheint Gefallen am familiären Beisammensein zu finden.

Das Skript greift diverse aktuelle Sujets auf, indem es sich mit der gesellschaftlichen Spaltung in den USA befasst. Lionel steht dabei mit seinen demagogischen Sprüchen für das konservative bis rechtskonservative Lager, die Senatorin Judith für die linksliberale Seite. So ganz will das Konzept, das Reichel und der Regisseur Frank Coraci (Eine Hochzeit zum Verlieben) verfolgen, allerdings nicht aufgehen. Sowohl dramaturgisch als auch inszenatorisch kommt Hot Air recht altmodisch daher – wie ein Hollywood-Märchen aus den 1990er Jahren, das schon damals ein bisschen wie aus der Zeit gefallen angemutet hätte. Derlei tradierte Erzähl- und Darstellungsformeln auf die heutige, überaus komplexe politische Lage in den Vereinigten Staaten anzuwenden, kann schlichtweg nicht funktionieren – und wirkt an einigen Stellen gar ziemlich irritierend, etwa wenn Lionel in einem Open-Air-Kino von anderen Besucher_innen aufgrund seiner (sehr fragwürdigen) Radioaussagen angepöbelt wird und die Vertreter_innen der politischen Linken hierbei als gesichtslose Masse gezeichnet werden, die den gemeinsamen Abend von Lionel, Tess und Valerie zerstören.

Als Film über Politik und Gesellschaft bleibt Hot Air somit zu oberflächlich und zu wenig differenziert. Die Botschaft, dass zwischen den gegnerischen Lagern ein Dialog entstehen muss, ist richtig und wichtig, wird jedoch nur bedingt überzeugend vermittelt. Stärker ist die Tragikomödie hingegen als Geschichte über zwischenmenschliche Konflikte. Der Familienhintergrund von Lionel und Tess’ Mutter Laurie sowie die Gründe, weshalb Lionel einen derartigen Zynismus entwickelt hat, werden durchaus interessant skizziert. Gelungen sind zudem die Momente, in denen Tess und Valerie eine Vertrauensbeziehung zueinander aufbauen. Das Schauspiel ist durchweg solide; insbesondere die Auftritte von Neve Campbell erinnern daran, dass der Star der Scream-Reihe (1996-2011) in den letzten Jahren viel zu selten auf der Leinwand zu sehen war. Hot Air bietet seinem Ensemble gute Möglichkeiten, in Augenblicken der gegenseitigen Annäherung Intensität zu entfalten; insgesamt erweist sich das Werk aber als zu unausgegoren, unstimmig und formelhaft, um einer altbekannten Geschichte eine frische, clevere Form zu geben.

Hot Air (2018)

Das Leben eines Moderators von einer rechtspopulistischen Talk Show nimmt eine überraschende Wendung, als plötzlich seine 16-jährige Nichte auftaucht.

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