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Die Regisseurin Jaki Bradley und Ramón O. Torres, in Doppelfunktion als Drehbuchautor und Hauptdarsteller aktiv, mixen in „Last Ferry“ Crime, Comedy und Begehren und liefern damit einen queeren Genre-Beitrag.

Last Ferry (2019)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Bright Noir

Queeres Genrekino im Stil von „Bound“ (1996) oder Der Fremde am See (2013) ist noch immer eine Seltenheit. In jüngerer Zeit haben etwa die Giallo-Hommage Messer im Herz oder der surreale Coming-of-Age-Film Nevrland das Potenzial demonstriert, das in der Kombination einer queeren Perspektive mit Genre-Elementen steckt. Auch die Macher_innen von „Last Ferry“ werfen ihren schwulen Protagonisten in einen Thriller-Plot und nennen Hitchcock als eine ihrer Inspirationen. Das Werk trägt Züge eines Film noir – wartet jedoch mit hellen Bildern auf, in denen die Schönheit der Barriereinsel Fire Island eingefangen wird.

Dorthin begibt sich der junge Anwalt Joseph (Ramón O. Torres), da die Insel als schwules Party-Paradies gilt. Rasch muss er allerdings feststellen, dass er zur Nebensaison angereist ist. Als er von dem attraktiven Shawn (Henry Ayres-Brown) angesprochen wird, lässt er sich von diesem verführen – wird jedoch unter Drogen gesetzt, niedergeschlagen und ausgeraubt. Kurz darauf glaubt er, am Strand einen Mord zu beobachten, ehe er schließlich im Ferienhaus von Cameron (Sheldon Best) erwacht. In dessen Gesellschaft, noch flankiert von einer kleinen, gut gelaunten Clique, blendet Joseph die verstörenden Erlebnisse zunächst aus; alsbald kommen sich Joseph und Cameron näher. Doch dann taucht Camerons langjähriger enger Freund Rafael (Myles Clohessy) auf – und Joseph erkennt in ihm den Mörder vom Strand.

Das Drehbuch, das der Hauptdarsteller Ramón O. Torres verfasst hat, macht kein Geheimnis daraus, wer der Mörder ist. Dessen Motive werden wiederum kaum beleuchtet. Vielmehr geht es in „Last Ferry“ um die Erzeugung einer Atmosphäre des Unbehagens. Die Regisseurin Jaki Bradley, die hier ihr Kino-Debüt gibt, und die Kamerafrau Alexa Wolf finden dafür stimmungsvolle Aufnahmen, die in einer klassischen Urlaubskulisse gekonnt das Bedrohliche aufspüren. Gleichwohl mutet der Film insgesamt recht unausgegoren an. Die Suspense-Passagen sowie die an eine Sitcom erinnernden Cliquen-Momente und die romantischen Szenen zwischen Joseph und Cameron funktionieren jeweils für sich durchaus gut, wollen aber kein stimmiges Ganzes ergeben.

Dennoch bleibt „Last Ferry“ ein interessantes, ungewöhnliches Stück Queer Cinema: Die Blickwechsel und die körperliche Annäherung zwischen Joseph und Cameron haben dank der Chemie zwischen den beiden Schauspielern etwas Sinnliches, die Interaktion in der Männergruppe ist unterhaltsam – und mit Myles Clohessy als Rafael verfügt das Werk über einen charismatischen Antagonisten. Über die Hintergründe und Empfindungen der Figuren hätte man gerne noch mehr erfahren. In einem Gespräch wird etwa erwähnt, dass Cameron als Dolmetscher beim Militär tätig war; die innige Freundschaft zwischen Cameron und Rafael, die sich als toxisches Abhängigkeitsverhältnis entpuppt, hätte ebenso eine Vertiefung verdient wie das schwierige Verhältnis zwischen Joseph und seiner übergriffig wirkenden Mutter, das in einem Telefonat zu Beginn vermittelt wird. Die spannungsreichen Ansätze sind in „Last Ferry“ somit zweifelsohne vorhanden; der Umsetzung fehlt es indes an Feinschliff.

Last Ferry (2019)

Joseph, ein junger Rechtsanwalt aus Harlem, reist nach fire Island, doch es ist Nebensaison und die Insel ist so gut wie ausgestorben. Nachdem er von einem jungen Mann unter Drogen gesetzt wurde, wird er Zeuge eines Mordes. Später trifft er auf eine Gruppe junger Leute und schließt sich ihnen an — und bemerkt zu spät, dass Cameron, in den er sich verliebt, den Mörder gut kennt.

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