Ein Leben (2017)

Licht und Schatten eines Lebens

Guy de Maupassants im Jahre 1883 erschienener Roman Une Vie (im Original hieß das Buch noch Une Vie ou L’Humble Vérité) gehört nicht gerade zu den Werken, die ihre Leser aufbauen und mit einem tüchtigen Schuss Optimismus versehen hinaus in die raue Wirklichkeit entlassen – im Gegenteil. 

Die dort beschriebene Lebensgeschichte der Baroness Jeanne Le Perthuis des Vauds strotzt nur so von Missgeschicken, Schicksalsschlägen und menschlichen Enttäuschungen, so dass man beinahe wütend werden möchte auf diesen Autor und seine fast schon sadistische Lust, einer anfangs strahlenden, sensiblen und hochpoetischen Seele all dies anzutun. Und ehrlich gesagt lässt auch Stéphane Brizés Verfilmung des Buches das Leben der Jeanne in keinem wesentlich günstigeren Licht erscheinen.

Nach ihrem Ausscheiden aus dem Kloster wird Jeanne (Judith Chemla) von ihren geliebten Eltern mit Julien de Lamare (Swann Arlaud) verheiratet (bzw. sanft dazu gedrängt), doch der entpuppt sich recht schnell als krankhaft geizig und auch sonst wenig zuverlässig. Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf. Schon kurz nach der Heirat beginnt er eine Affäre mit dem Dienstmädchen, einer Vertrauten seiner Ehefrau, und schwängert es. Jeanne ist geschockt und kehrt von dem Anwesen, das ihr von ihren Eltern zur Hochzeit geschenkt wurde, zurück in den Schoß der Familie. Weil Julien aber mit eloquenten Worten zu Kreuze kriecht und die Eltern sowie ein Priester auf sie einreden, kehrt sie zurück zu ihrem Ehemann und wird alsbald selbst schwanger. Julien aber kann es nicht lassen und beginnt eine Affäre mit einer Nachbarin. Als deren Mann durch einen Priester, an den sich Jeanne in ihrer Not wandte (denn sie hat das Paar beobachtet), von dem Verhältnis informiert wird, dreht er durch und erschießt die beiden Liebenden und schließlich sich selbst, so dass Jeanne allein mit ihrem kleinen Sohn Paul zurückbleibt. Allerdings erweist sich auch der Filius mit der Zeit als rechter Taugenichts, der es schließlich schafft, mit angeblichen Investitionen und einer Prostituierten das einstmals gewaltige Vermögen durchzubringen und seiner Mutter auch noch das Kind aus seiner Beziehung aufzuhalsen.

Das alles ist ziemlich niederschmetternd – und doch gibt es einen hell leuchtenden Stern in diesem düsteren Universum des Niedergangs und Verfalls: Judith Chemla (Chamille — verliebt nochmal!Bezaubernde LügenDie Prinzessin von Montpensier) spielt Jeanne so hinreißend und variantenreich, dass man sich als Zuschauer ihrem Bann nicht entziehen kann. Zudem versteht es Stéphane Brizé, den recht altmodisch anmutenden Erzählduktus von de Maupassant mit Rückblenden und Rückblenden-in-der-Rückblende sowie anderen gewagten Zeitsprüngen aufzulockern und den Zuschauer bei der Stange zu halten. Une vie ist ein Film, der unsere volle Aufmerksamkeit erfordert, weil hier die großen Dramen des Lebens so beiläufig eingestreut werden, dass man Gefahr läuft, diese in einem Moment der Unachtsamkeit zu verpassen. Das ist allerdings bei einer Laufzeit von fast zwei Stunden und einer erzählten Spanne von mehreren Jahrzehnten auch dringend notwendig. Nur wie gesagt: Erheiternd ist das alles nicht wirklich.

Ein Leben (2017)

Der Film erzählt die Geschichte von Jeanne du Perthuis des Vauds im frühen 19. Jahrhundert. Sie ist eine überempfindliche Frau, die an den Realität zu zerbrechen droht und nach dem Paradies ihrer Kindheit sucht.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen