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Ein Vogel im falschen Nest, gierige Ratten und ein schwäbelndes Perlhuhn – wen diese Kombination nicht schreckt, der sollte einen Blick auf Andrea Blocks und Christian Haas‘ Animationsfilm wagen, den ersten aus ihrer Stuttgarter Effektschmiede.

Manou – flieg‘ flink! (2019)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Kleiner Vogel, großes Herz

„VFX made in Germany“ – dafür stehen Andrea Block und Christian Haas. Ihre 2006 in Stuttgart gegründeten LUXX Studios lieferten Spezialeffekte für Roland Emmerich („White House Down“, „Independence Day: Wiederkehr“) und Wes Anderson („Grand Budapest Hotel“). Mit dem 2012 aus der Taufe gehobenen Unternehmen LUXX Film legt das Duo nun seine erstes eigenständiges Animationsabenteuer vor.

Das spielt nicht in der Schwabenmetropole, sondern in Nizza. Traumhaft animierte Stadtansichten und Landschaften lassen an Urlaub denken. Hier leben Anführer Yves, seine Frau Blanche und ihre Möwenkolonie auf der Sonnenseite des Lebens. Ihr Heimatfelsen überblickt das azurblaue Meer, während die verhassten Mauersegler auf der anderen Seite ein Schattendasein fristen.

Düster startet auch Titelheld Manou ins Leben. Kurz vor seiner Geburt raffen nesträubernde Ratten seine Eltern dahin. Flink schlüpft das frisch geschlüpfte Waisenküken bei Blanche unter, die es an der Seite ihres Sohns Luc wie ihr eigenes Kind aufzieht. Doch Manou bleibt ein Außenseiter. Vor allem die vorlaute Françoise lässt keine Gelegenheit aus, den kleinen Kerl auf sein Anderssein hinzuweisen.

Statt Fische jagt Manou lieber Insekten. In der Segelschule tut er sich schwer, weil weder Wind noch Wasser sein Freund sind. Erst als ihm die kecke Mauerseglerin Kalifa und ihre Brüder Yusuf und Poncho den richtigen Flügelschlag beibringen, schwingt sich Manou zum Schnellsten der Möwentruppe auf. Auf den Höhenflug folgt postwendend der Absturz. Aus der Gemeinschaft verstoßen kriecht Manou zunächst bei Percy unter, einem brasilianischen Perlhuhn, das in der deutschen Filmversion, Synchronsprecher Dominik „Dodokay“ Kuhn sei Dank, astrein schwäbelt und Möwen schon mal als „Gelbfüßler“ beschimpft. (Badener wissen, wer damit gemeint ist.) Um seinen Ruf wiederherzustellen, ist Manou auf seine alten und neuen Freunde angewiesen.

Nach einer Idee von Christian Haas, die sich ungeniert an Hans Christian Andersens Kunstmärchen Das hässliche Entlein bedient, bringen Haas und Block ein turbulentes Abenteuer mit toleranter Botschaft auf die Leinwand. Aus dem ewigen Außenseiter Manou wird am Ende zwar kein Schwan, aber ein Lebensretter, der nur deshalb zum Helden werden kann, weil er auf die Unterschiede zwischen den Vögeln pfeift und sich auf deren Gemeinsamkeiten besinnt.

Die Idee ist stimmig, ihre Umsetzung von Höhen und Tiefen geprägt. Furios animierte Sequenzen wie ein Wettrennen der Möwen, eine Rettungsaktion im Rattenkeller oder eine Gesangseinlage in einem prächtigen Pavillon am Meer wechseln sich mit mediokeren ab. Nicht alle Handlungen der tierischen Protagonisten scheinen motiviert, nicht alle Szenen greifen schlüssig ineinander.

Ähnlichen Schwankungen unterliegt die Synchronisation. Während Block und Haas für die englische Variante ihrer ornithologischen Coming-of-Age-Geschichte Schauspielgrößen wie Kate Winslet und Willem Dafoe gewinnen konnten, hat es hierzulande zwar für Friedrich Mücke als Sprecher des kleinen Mauerseglers Manou, aber eben auch nur für Oliver Kalkofe als dessen Ziehvater Yves gereicht. Kalkofe, der zwar prima als Parodist funktioniert, füllt den strengen Ziehvater nie ordentlich aus. Er ist eine der vielen kleinen Schwachstellen eines durchweg ordentlichen Debüts, das mit seiner warmherzigen Botschaft punktet.

Manou – flieg‘ flink! (2019)

Der kleine Mauersegler Manou wächst in dem festen Glauben auf, er sei eine Möwe. Als er herausfindet, dass das nicht stimmt, bricht für ihn eine Welt zusammen und er haut erst mal ab von zuhause. Doch als eine Gefahr droht und die Möwen und Mauersegler zusammenhalten müssen, wird er zum großen Helden …

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Meinungen

Lebender Traum · 19.07.2020

Ich habe den Film zufällig über eine unbekannte Musikerin gefunden und ihn mir dieser Tage komplett angesehen. Meine Meinung ist, mit ein wenig Fantasie, kann man für sich daraus, eine Wahnsinns-Geschichte stricken. "Das einzige Mal, dass ich meine Eltern gesehen habe, war vor meiner Geburt - sie haben mir alles in Sekunden beigebracht." Mit diesen Worten beginnt der Film und ich glaube, der Protagonist ist bereits zu Beginn, wie seine Eltern, von einer Ratte gefressen worden. Diese komplette Film-Handlung hat sich der kleine gerade erst geschlüpfte Manou während einer kurzen Ohnmacht in die er gefallen ist als er die Ratte über sich erblickt hat "erträumt". Traumkino eines sterbenden Mauersegler-Kükens, dass uns hier als Kinderunterhaltung getarn, ins Unterbewusstsein eingepflanzt wird. Frage (von mir): können ungeborene vor der Geburt gestorbene Menschen-Babys (Embryos) träumen - kommen auch die in den Himmel? Antwort (meine): definitiv! Dieser Animations-Film hätte es verdient, mehr Erfolg zu ernten, weil die Macher damit unwissentlich einen kleinen Hoffnungsfunken geschaffen haben. Manou, der Traum eines sterbenden Mauersegler-"Babys". Sind wir nicht alle Gottes Kinder? Ich finde, es ist ein schöner Traum den wir, wenn wir einmal Glück haben, in ähnlicher Weise erleben dürfen bzw. in ähnlicher Weise erleben dürfen und sollten. Unser ganz persönliches Actionkino - bis das Licht ausgeht bzw. das Leben zu Ende ist.
Tipp von mir: "Der Film des Lebens" von Max Hayek (ein Text, den man im Netz findet)
Mein Dank geht an Maja Merz, die mich indirekt auf diesen Film aufmerksam gemacht hat.
www.youtube.com/watch?v=CiFZLyGWmVA
Meine Empfehlung - schaut euch den Film (nochmal) an und seht ihn mit den Augen eines sterbenden, gerade geborenen, Mauerseglers. Damit Ihr eine Vorstellung davon habt, was Euch einmal erwartet - wenn Ihr genügend Zeit zum sterben habt. Ratte sei Dank ... hatte Manou vermutlich ein paar Minuten (bis er im Mauersegler-Paradies gelandet ist).