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In seiner neuen Regiearbeit rekonstruiert Dogma-95-Mitbegründer Thomas Vinterberg die Katastrophe, die sich im Jahr 2000 an Bord des russischen Atom-U-Bootes K-141 Kursk ereignete. Ob das Drama seine unterschiedlichen Facetten überzeugend verbinden kann?

Kursk (2018)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Gefangen in der Tiefe

Das raue, illusionsfreie Dogma-95-Kino seiner Anfangsjahre in der Filmbranche lässt der Däne Thomas Vinterberg inzwischen immer öfters hinter sich. 2015 legte er mit der Literaturadaption „Am grünen Rand der Welt“ ein weitgehend klassisches period picture vor, auf das er 2016 das WG-Porträt „Die Kommune“ folgen ließ. In seinem neuen Spielfilm „Kursk“ nimmt sich der Regisseur nun den Untergang des titelgebenden russischen U-Bootes zur Brust, der im Jahr 2000 die Welt in Atem hielt und 118 Männern das Leben kostete. Erwarten darf man ein durchaus ambitioniertes Katastrophendrama, das seinen unterschiedlichen Perspektiven allerdings nur bedingt gerecht wird und insgesamt zu oft nach Schema F verläuft.

Böse Vorahnungen brauen sich schon während einer ausgelassenen Hochzeitsfeier zu Beginn zusammen, bei der Kapitänleutnant Mikhail Averin (Matthias Schoenaerts) und seine Kollegen auf ihren Mitstreiter Pavel (Matthias Schweighöfer) und dessen Braut anstoßen. Mehr als einmal wird betont, wie herausfordernd die Arbeit bei der Marine sei und wie viel der harte Job auch den Familien der Soldaten abverlange. Als die Besatzung der K-141 Kursk zu einem Manöver in der Barentssee ausfährt, sind die Beteiligten zunächst noch guter Dinge. Doch dann sorgt ein defekter Torpedo an Bord für eine gewaltige Explosion, die das U-Boot schwer beschädigt auf den Grund des Meeres sinken lässt. Nur wenige Männer, darunter der zupackende Averin, können sich vor dem eindringenden Wasser in einen halbwegs sicheren Bereich retten und setzen fortan regelmäßig Klopfzeichen ab. Obwohl sich die Bergungsmaßnahmen kompliziert gestalten und keine geeignete Ausrüstung zur Verfügung steht, verbieten die russischen Behörden ihrem Admiral Gruzinsky (Peter Simonischek) aus nationalem Stolz und Angst vor Spionage, die vom britischen Commodore David Russell (unterfordert: Colin Firth) offerierte NATO-Hilfe anzunehmen.

Vinterberg und Drehbuchautor Robert Rodat (Der Soldat James Ryan) entwerfen ihre Aufarbeitung des Unglücks anhand des akribisch recherchierten Tatsachenbuches A Time to Die: The Untold Story of the Kursk Tragedy, das der Journalist Robert Moore zwei Jahre nach der Katastrophe veröffentlichte. In den Blick nehmen die Filmemacher nicht nur den verzweifelten Kampf der Überlebenden unter Wasser, sondern auch die auf politischem Parkett losbrechenden Machtspiele und das bange Warten der Angehörigen an Land. Ein Spagat, der nur stellenweise gelingen will. Drei Gründe sind dafür ausschlaggebend. Erstens setzt Kursk in der Konfrontation zwischen den russischen Entscheidungsträgern und den durch Russell verkörperten ausländischen Kräften mehrfach auf Verknappungen und Schwarz-Weiß-Muster. Zweitens fließt in die Szenen mit den Familienmitgliedern der Soldaten (u.a. tritt Léa Seydoux als Mikhails Ehefrau auf) einiges an plakativem Pathos ein. Und drittens fehlt es den Unterwassersequenzen manchmal an der nötigen Intensität, wie sie etwa Wolfgang Petersens klaustrophobischer Tiefseefilm Das Boot permanent erzeugt.

Dass er Beklemmung und Panik eindringlich zu vermitteln weiß, demonstriert Vinterberg in einer mitreißend gefilmten Tauchpassage, die dem Zuschauer den Angstschweiß auf die Stirn treiben dürfte. Momente wie diesen gibt es jedoch zu selten. Und noch dazu lässt das ständige Wechselspiel zwischen den Erzählsträngen die Spannung immer wieder abfallen. Eine wirkliche Dynamik entsteht bei den Sprüngen leider nicht. Vielmehr wirkt die Handlungsführung oftmals mechanisch und dämpft so die eigentlich in der Geschichte liegende emotionale Kraft.

Löblich ist es allemal, dass der dänische Regisseur den Opfern der Kursk-Katastrophe ein Gesicht gibt, an die unrühmlichen Hintergründe der gescheiterten Rettungsmission erinnert und sich in seiner filmischen Rekonstruktion nebenbei für internationale Verständigung und das Begraben alter Feindschaften starkmacht. Fragen darf man aber schon, warum das auf Englisch gedrehte Drama über den Untergang eines russischen U-Bootes Schauspielgrößen aus verschiedenen Ländern aufbietet, allerdings bis auf Kinderdarsteller Artemiy Spiridonov (als Mikhails Sohn Misha) keinem russischen Mimen eine tragende Rolle anvertraut.

Kursk (2018)

Thomas Vinterbergs neuer Film erzählt von den letzten Stunden des russischen Atom-U-Boots „Kursk“, das im Jahre 2000 nach einer Explosion in der Baarentsee auf Grund lief, wegen des Zögerns der Regierung kam für die Insassen dann jede Rettung zu spät.

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Meinungen

Martin Zopick · 19.04.2021

Ein hochrangig besetzter Film, der die Ereignisse um den Untergang des Atom-U-Boots Kursk K-141 aus dem Jahr 2000 schildert. Die klaustrophobische Enge im in einem Unterseeboot ist nicht jedermanns Sache. Hier wird die Crew bis an ihre physischen Grenzen getrieben. Sie werden von Explosionen, von Wasser und Kälte bedroht und überleben nicht, weil die russische Admiralität nicht nur keine Rettung zur Bergung leisten kann, sondern weil sie auch die angebotene Amerikanische Hilfe ablehnt.
Der Überlebenskampf der Crew wird mit dem Privatleben einzelner kontrastiert, allen voran Matthias Schoenaerts, Lea Seydoux und ihr kleiner Sohn Misha.
Was im Innern des russischen U-Boots abläuft, sieht sehr professionell aus. An Land tobt ein typischer Kampf des Kalten Krieges. Alle offiziellen Informationsluken sind fest geschlossen, allenfalls verlauten Fake News. Die reichen vom Rammen eines ausländischen U-Bootes bis zu einem kleinen technischen Fehler. Aber es gibt auch persönlich gute Beziehungen zwischen Commodore Russell (Colin Firth) und seinem russischen Kollegen Admiral Grudzinsky (Peter Simonischek). Russell wird die Erlaubnis erst erteilt als es zu spät ist. Hier gibt Admiral Petrenko († Max von Sydow in seiner letzten Rolle) den stalinistischen Betonkopf, der sich selbst die Teppichkante hochhält, um die Wahrheit drunter zu kehren. Ebenso wichtig ist der hier erstmals dokumentierte Mut der Frauen der Matrosen, öffentlich die Leitung der Unwahrheit zu zeihen. Kurz und schmerzlos wird hier die Beinlänge der Lüge dargelegt,
Ein sehr emotionaler Schluss mit einer Gedenkfeier, in der der kleine Misha Admiral Petrenko den Handschlag verweigert. Recht spannend, menschlich anrührend und wertvoll.