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Ein sizilianischer Filmemacher macht sich auf in eine philosophische Reise durch das eiskalte Jakutien. Ausschlaggebend ist seine neuentdeckte Leidenschaft für ein seltsam klingendes Instrument, dem nachgesagt wird, Sorgen vertreiben zu können.

Der seltsame Klang des Glücks (2017)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Lebensphilosophie mit Maultrommel

Diego Pascal Panarello, der Regisseur und Hauptprotagonist dieses Dokumentarfilms, ist mit seinem Leben unzufrieden. Eigentlich wollte er einmal Musiker werden, doch nun kehrt er nach 20 Jahren heim in sein sizilianisches Elternhaus, ohne Job, ohne Geld, ohne Perspektive, wie es sein Voice-Over-Kommentar mit selbstironischem Unterton deklamiert. Doch auf Sizilien kennt man ein altes Instrument, das als „Vertreiber der Sorgen“ gilt: die Maultrommel. Panarello fängt an, darauf zu üben und siehe da, schon beginnt er, sich zu entspannen. Er lernt einen der berühmtesten Maultrommler der Welt kennen, Spiridon Shishigin aus Jakutien. Dort sagen die Leute über das metallene Instrument, es kenne den Klang des Glücks. Panarello reist also in die sibirische Republik Sacha, um mehr über die mystische Maultrommel zu erfahren und einen besseren persönlichen Draht zum Glück aufzubauen.

Panarellos erster langer Dokumentarfilm ist eine Entdeckungsreise und zugleich ein Selbstfindungstrip, der streckenweise die Form einer Mockumentary annimmt. Aus dem sonnenverwöhnten, heißen Sizilien verschlägt es den Italiener also in eine „Tiefkühltruhe“, wie er verdattert, mit Eis im Barthaar in einem verschneiten sibirischen Städtchen feststellt. Hier gibt es Plattenbauten, hölzerne Strompfosten und ein Maultrommel-Museum. Es gehört Nicolay Shishigin, dem Bruder von Spiridon Shishigin. Nicolay macht Panarello mit Meister Chemchoev bekannt, der als der beste Maultrommel-Schmied Jakutiens gilt. Man erzählt sich die Legende, dass eine von Chemchoevs Maultrommeln in den Himmel stieg und nun von einem russischen Kosmonauten gespielt wird, der nicht mehr zur Erde zurückkehren wollte.

Panarello möchte Chemchoev gerne ein wenig als seinen persönlichen Meister betrachten, im Sinne eines spirituellen Lehrers, den er mit dem alten Trainer aus Karate Kid vergleicht. Er wolle Maultrommler werden, der sphärische Klang des Instruments fasziniere ihn, beteuert er, um den weißbärtigen Chemchoev dazu zu bewegen, ihm seine eigene Maultrommel anzufertigen. Der Meister zögert, man müsse den Musiker gut kennen, sonst gehe das nicht. Dann fragt er, was man in der Welt über Jakutien weiß und erfährt vom sizilianischen Besucher, die meisten Leute hielten es für ein fiktionales Land aus dem Brettspiel Risiko. Panarello zeigt seinen Gastgebern das Spiel, das Chemchoev nicht gefällt. Er willigt ein, ihm eine Maultrommel zu bauen, wenn er dafür sorgt, Jakutien und seine Maultrommeln in der Welt bekannter zu machen.

Der Film entwickelt den Spannungsbogen einer Initiationsreise. Panarello musiziert bald souverän auf seiner Maultrommel, aber dann passiert etwas, was seinen jakutischen Höhenflug zumindest kurzfristig wie eine Seifenblase zerplatzen lässt. Eine weitere Unterredung mit den sibirischen Maultrommelexperten wird fällig, und die rührt an die Fragen des Lebens.

Man könnte den Film leicht vorschnell als schnippisch-schräge Persiflage mystischer Erfahrung abtun. Denn Panarello nimmt weder sich, noch seine Gastgeber allzu ernst. Er liebt den schrägen Humor, etwa wenn im kurzen jakutischen Sommer die Bewohner auf ihren Maultrommeln im Freien spielen und dabei alle Mühe haben, die aggressiven Mücken in Schach zu halten. Oder wenn dem nach Sizilien heimgekehrten Maultrommler am Strand, vor einem zufällig anwesenden Publikum in Badekleidung, eine Urkunde überreicht wird.

Wiederholt lässt Panarello seinen von den Schwingungen der Maultrommel angeregten Fantasien und Visionen freien Lauf, in Form von dynamischen Animationen. Wassertropfen, die konzentrische Kreise formen, psychedelische Blumenornamente, ein Mann in einem Zimmer, dessen Geist zu rotieren beginnt, ergeben hypnotische Bildmotive. Panarello taucht auch immer mehr in die Welt jakutischer Legenden ein und behauptet einmal, Meister Chemchoev schaue nur noch besorgt gen Himmel, denn seine Maultrommel sei bei einem Kosmonauten ohne Talent gelandet.

Seine jakutischen Gesprächspartner besitzen ebenfalls Humor und so erfährt der mystisch-raunende Aspekt des Themas eine schöne Brechung. Aber dass die Menschen  — übrigens nicht nur in Jakutien, sondern in ganz verschiedenen Teilen der Erde — seit jeher eine enge Beziehung zur geheimnisvollen, immer auch ein wenig jenseitig klingenden Musik der Maultrommel haben, nimmt der kurzweilige Film dennoch ernst. So fehlt es ihm trotz des Humors und der spielerisch-kreativen Leichtigkeit nicht an Tiefe. Panarello hat in Jakutien tatsächlich etwas über Musik und fürs Leben gelernt, das er mit seinen Zuschauern teilen kann.

Der seltsame Klang des Glücks (2017)

Nach zwanzig Jahren kehrt der Musiker Diego in seine sizilianische Heimatstadt Augusta zurück, er ist auf ganzer Linie gescheitert und hat keinen Job, kein Geld und keine Perspektive — bis er einen Traum hat, der ihm den Weg weist: Er träumt von einer Maultrommel (italienisch: „Marranzano“) und ist davon so fasziniert, dass er sich auf Spurensuche begibt. Und die führt ihn nicht nur um die halbe Welt, sondern auch auf die Spuren seines ganz persönlichen Glücks.
 

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