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Emil und Milou treffen sich 1961 am Set eines Piratenfilms des DEFA-Studios Babelsberg. Sie werden mit ihrer Liebesgeschichte zu Symbolfiguren der Kinomagie, die die Realität transzendiert. Mit ihrem ersten Film huldigt die junge Produktionsfirma Traumfabrik Babelsberg der Tradition des Standorts.

Traumfabrik (2019)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Was ist die Liebe ohne das Kino?

Im Sommer 1961 braucht Emil (Dennis Mojen) nach seinem Militärdienst in der DDR eine Arbeit. Sein Bruder Alex (Ken Duken), der im DEFA-Filmstudio Babelsberg beschäftigt ist, bringt ihn dort als Komparsen unter. Eigentlich hat Emil mit Film nichts am Hut, aber schon seine ersten Schritte auf dem Studiogelände machen ihn mit der beflügelnden Macht erzeugter Illusionen vertraut. Verschieden kostümierte Darsteller kreuzen seinen Weg, der ihn zum Dreh eines Piratenfilms führt. Er soll bei einer Lichtprobe für den Schauspieler einspringen und steht der jungen Tänzerin Milou (Emilia Schüle) gegenüber, die ihm gerade erst draußen beim ersten Blickwechsel den Kopf verdrehte. Die Szene soll in einen Kuss münden und Emil lässt sich dazu hinreißen, ihn tatsächlich zu vollziehen.

Leider bricht kurz darauf ein Feuer im Raum aus, für das Emil verantwortlich gemacht wird. Der junge Tollpatsch wird also zum Hüten einer Schar Gänse auf dem Gelände abkommandiert. Schon diese schwungvolle Einführung Emils in die schillernde Welt des Films bringt die besten Seiten dieser Liebesgeschichte hervor. Unter der Regie von Martin Schreier huldigt sie mit opulenter Ausstattung und dem ironisch umspielten Mut zur großen Geste den klassischen Studioproduktionen. Das Leben der Filmleute ist auf vielfältige Weise mit der Fiktion verzahnt, die sie für die große Leinwand erschaffen. Emil und Milou sind Wandler zwischen beiden Welten, ergibt doch ihre Geschichte selbst einen schwelgerischen Liebesfilm.

Traumfabrik ist der erste Film der 2017 gegründeten Produktionsfirma Traumfabrik Babelsberg. Sie soll deutsche Eigen- und Koproduktionen für das an ihr beteiligte Studio Babelsberg entwickeln und realisieren. Es ist eine schöne Idee, mit diesem Werk Traditionsbewusstsein zu demonstrieren und der Geschichte des ältesten Filmstudios der Welt Reverenz zu erweisen. Hier wird auf die DDR-Epoche Bezug genommen, die mehr als 1200 Produktionen hervorbrachte. Michael Gwisdek, der in einer Rahmenhandlung in der Gegenwart Emil als Großvater spielt, machte selbst kurz vor der Wende bei der DEFA seine erste Regiearbeit Treffen in Travers, die es sogar bis zu den Filmfestspielen in Cannes schaffen sollte. Der Traumfabrik-Produzent Tom Zickler wurde 1986 Aufnahmeleiter in Babelsberg. Da hatte ihm bereits eine selbst erlebte Geschichte die Macht des Eisernen Vorhangs demonstriert. Seine Jugendliebe aus Chile musste 1979 mit ihrer Familie die DDR plötzlich verlassen, ein Wiedersehen wurde erst nach dem Mauerfall möglich.

Emil hat für Milou eine Überraschung vorbereitet, aber am Morgen des 13. August 1961 wartet er vergeblich auf sie. Als sie von ihrem Hotel in Westberlin in den Osten fahren will, ist die Brücke gesperrt. Die DDR riegelt sich am Tag des Mauerbaus ab, und Milou bleibt nichts anderes übrig, als mit der französischen Diva Beatrice Morée (Ellenie Salvo González), die sie doubelt, und dem Schauspieler Omar (Nikolai Kinski) nach Paris zurückzufliegen.

Emil aber fasst einen verwegenen, aberwitzigen Plan, der den ganzen Film in die Nähe eines Märchens rückt: Er gibt sich in den Wirren jener Tage als neuer Produktionsleiter aus und bereitet einen großen Kleopatra-Film vor, der Beatrice Morée und mit ihr Milou wieder nach Ostberlin holen soll. Das geschieht auf lustige Weise hinter dem Rücken des Studiodirektors Beck (Heiner Lauterbach), der Emil längst des Geländes verwiesen hat. Aber in der DDR hat die Partei das letzte Wort und der Genosse Grote (Anatole Taubman), der vom geheimen Projekt aus der Bild-Zeitung erfährt, meint, mit ihm könne sich die DDR als Filmstandort vor aller Welt beweisen. Emil purzelt also zum Regisseur von Kleopatra hoch und steht 1962 Milou wieder gegenüber. Doch die ist inzwischen mit Omar verlobt.

Den Tausendsassa Emil, der für seine Liebe Himmel und Hölle in Bewegung setzt, spielt Dennis Mojen unerschrocken und mit Spaß an der leichtfüßigen Parodie. Dieser ist wichtig, legt die Handlung doch ausgesprochen wenig Wert auf Glaubwürdigkeit. Emil ist ein Romantiker durch und durch und wirkt dennoch, wenn nicht gerade ein verschmitztes Lächeln über sein Gesicht huscht, äußerlich oft männlich ungerührt. Er ähnelt mit seinem Pokerface mehr einem pragmatischen Charakter der Gegenwart, als einem schmachtenden Helden aus den großen Zeiten des Liebesfilms.

Emilia Schüle, die als Hauptdarstellerin schon feststand, bevor das Drehbuch geschrieben wurde, scheint diese Paraderolle der Milou ein wenig nervös zu machen. Sie wirkt manchmal hektisch und unruhig, was aber auch daran liegen kann, dass die Inszenierung den großen Gefühlen dann doch irgendwie misstraut. Es mag für die Darsteller schwer gewesen sein, den richtigen Ton zu finden in dieser schillernden Geschichte, die so viel sein will und dabei stets auf moderne Weise gut gelaunt. Das romantische Paar Milou und Emil wandelt mit einem Bein in der Welt des großen Gefühls, bleibt mit dem anderen aber humorvoll geerdet. Das heißt allerdings nicht, dass der romantische Funken auch auf das Publikum überspringt. Für das Gefühl ist in erster Linie dann doch die Filmmusik von Philipp Noll zuständig, die zuverlässig melodramatische Tiefe und Kino-Nostalgie heraufbeschwört.

Es gibt enorm viel zu schauen auf diesem fiktionalisierten Studiogelände. Sowjetrussische Komparsen wanken verkatert als römische Soldaten zu Kleopatras Krönungszeremonie. Das Deutsche Fernsehballett tritt im opulenten Finale auf. Aber auch draußen, wenn Emil und Milou eines Nachts über eine Allee im Grünen fahren, geizt die Inszenierung nicht mit Schauwerten. Die Leuchtkäfer, die dort herumfliegen, würden mit ihrer Strahlkraft jeder Fantasy-Animation Ehre machen. Traumfabrik ist schon eine Ausnahmeerscheinung im deutschen Film. Ein wenig weckt er Erinnerung an den ähnlich verwegenen La La Land, nur dass dort gesungen wurde. Dieser wichtige Brückenschlag, den ein Musical zwischen der Realitätsebene und den Wunschträumen der Protagonisten leisten kann, macht sich hier fehlend bemerkbar.

Traumfabrik (2019)

Die Tänzerin Milou und der Komparse Emil verlieben sich im Sommer 1961 Hals über Kopf bei Dreharbeiten im historischen DEFA-Studio Babelsberg. Als am 13. August 1961 die Arbeiten zur Errichtung der Berliner Mauer beginnen, werden die beiden allerdings getrennt. Doch Emil will seine Milou um jeden Preis wiedersehen und schmiedet einen größenwahnsinnigen Plan…

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Meinungen

Lutex · 26.12.2021

Auch Kitsch kann gekonnt gemacht sein. Dieser ist es nicht. Unmöglich - in jedem Wortsinn.

Angie · 24.05.2021

Ich fand es zauberhaft.

Paula · 17.07.2019

Ein wirklich zauberhafter Film. Ich war positiv überrascht.
Der Film steckt voller Emotionen...Habe viel gelacht und am Ende auch geweint.
Man konnte keine Minute wegsehen. Auch tolle Schauspieler!
Witz und Romantik.
Da lässt man gerne mal sein Geld im Kino! Muss man einfach gesehen haben.

Maria · 10.07.2019

War überrascht von der tollen deutschen Produktion. Kann sich sehen lassen und braucht keinen Nicholas-Sparks-Vergleich scheuen. Tolles Szenenbild, harmonierende Schauspieler, Humor und ganz viel Romantik!

Mon · 09.07.2019

Ein schöner romantischer Liebesfilm mit einer tollen Filmmusik👍 Wir haben die 2
Kinostunden genossen👏👏👏

Sigrid Ward · 09.07.2019

Wir haben das Kino sehr enttäuscht verlassen. Es war weder ein guter Märchenfilm noch eine gute Lovestory oder eine Geschichtsdoku. Alle Genres waren komplett überzogen und zusammengekitscht.

Ich · 08.07.2019

Ein ganz zauberhafter Film. Ich habe noch immer ein Grinsen im Gesicht

Anna-Lena · 29.06.2019

Dennis Mojen, die Entdeckung, hoffentlich sehen wir ihn jetzt häufiger im Kino. Er ist überragend.

Gina · 29.06.2019

Absolut sehenswerter Film

Micha · 25.06.2019

Der beste deutsche Kinofilm seit langer Zeit. Tolles Drehbuch , herausragende Darsteller und sehr emotional!!

Saskia · 07.06.2019

Na, hat der Regisseur hier schön selbst die Kommentare geschrieben?
Erinnert Ihr Euch noch an die Trailer-Parodien aus "Tropic Thunder"?
So sieht der Trailer hier auch aus.
Herrlich.

gina · 29.06.2019

Na das nennt man konstruktive Kritik.lol. Kommt so gefrustet rüber und ist auch nicht mit Parodien zu vergleichen. Zeigt ehr was du dir so anschaust und dann denkt man, aber ja, etwas überfordert mit so einem Film der auch deutsche Geschichte spiegelt.

Lennard · 07.06.2019

wird bestimmt gut

Honigpferd · 08.04.2019

5 Sterne!