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„A Quiet Place“ lässt grüßen! Auch in John R. Leonettis „The Silence“ sieht sich eine Familie in einem Endzeitsetting mit mörderischen Geschöpfen konfrontiert, die nicht sehen, dafür aber umso besser hören können. Fällt der Survival-Thriller ähnlich intensiv aus?

The Silence (2019)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Kein Mucks erlaubt

Wer John Krasinskis Endzeitschocker A Quiet Place gesehen hat, dem dürfte das Konzept der Romanverfilmung „The Silence“ bestens vertraut vorkommen. Hier wie dort wird die Menschheit von blinden Wesen mit feinen Lauschern bedroht. Und in beiden Fällen begleiten wir eine Familie mit einem gehörlosen Mädchen, weshalb alle Mitglieder der Gebärdensprache mächtig sind. Gewiss ein Vorteil in einer Welt, in der jedes Geräusch den Tod bedeuten kann.

Spürbar anders ist allerdings der Einstieg, den die Filme wählen. Während A Quiet Place den Zuschauer ohne Vorwarnung in sein postapokalyptisches Szenario hineinschleudert, bebildert der auf Tim Lebbons gleichnamigem Buch basierende, von John R. Leonetti (Wish Upon) inszenierte Survival-Thriller The Silence in den ersten Minuten die Anfänge der Katastrophe: Als Wissenschaftler in ein bislang unerforschtes Höhlensystem in Nordamerika vordringen, setzen sie versehentlich eine schon bald auf den Namen „Avispa“ – Spanisch für Wespe – getaufte Spezies frei, die in Windeseile die menschliche Zivilisation ins Wanken bringt. Dank ihres ausgeprägten Gehörs stürzen sich die fledermausartigen Geschöpfe zielgerichtet auf große Ballungsräume und sorgen dort für Chaos und Verwüstung.

Entgeistert verfolgen auch Hugh Andrews (Stanley Tucci), seine Ehefrau Kelly (Miranda Otto), ihre Kinder Ally (Kiernan Shipka) und Jude (Kyle Breitkopf) sowie Großmutter Lynn (Kate Trotter) die ersten Fernsehberichte über die blutigen Attacken. Statt, wie empfohlen, im Haus zu bleiben und still zu sein, entschließt sich die kleine Gruppe, gemeinsam mit Hughs bestem Freund Glenn (John Corbett) aufs Land zu fliehen, wo es – so glauben sie – ungefährlicher ist. Ein Angriff der unheimlichen Wesen lässt allerdings nicht lange auf sich warten. Und irgendwann müssen die zunehmend verzweifelten Andrews‘ erkennen, dass nicht nur die seltsamen Kreaturen eine handfeste Bedrohung sind.

Um es gleich vorwegzunehmen: Den direkten Vergleich mit A Quiet Place verliert The Silence deutlich, da ersterer seine Protagonisten etwas mehr ausdifferenziert, das Spiel mit der Stille und der nonverbalen Kommunikation konsequenter durchexerziert und insgesamt mitreißender ausfällt. In Leonettis neuer Arbeit, bei der man über Logiklücken wohlwollend hinwegsehen muss, wirkt Allys Gehörlosigkeit manchmal lediglich wie eine schmückende Dreingabe, was der eigentlich spannenden Figur einiges an Substanz raubt. Statt der Jugendlichen einen nichtssagenden romantischen Nebenstrang zu verpassen, hätten sich der Regisseur und seine Drehbuchautoren Carey und Shane Van Dyke (Chernobyl Diaries) stärker auf Allys konkretes Erleben konzentrieren sollen. Bedenkenswert ist übrigens die im Vorfeld geäußerte Kritik, dass man die Rolle der jungen Frau nicht mit einer tatsächlich gehörlosen Darstellerin besetzt habe. A Quiet Place erzeugt auch deshalb eine enorme Intensität, weil Millicent Simmonds, die im Alter von 12 Monaten ihr Hörvermögen verlor, eine glaubwürdig-eindringliche Performance abliefert.

Lobend hervorheben kann man durchaus, dass The Silence sparsam mit aufdringlichen Schockmomenten umgeht, sich hin und wieder ernsthaft für die familiäre Dynamik interessiert und den aus anderen Endzeitwerken hinlänglich bekannten Erzählschritten zumindest gelegentlich ein bisschen Spannung abringt. Innovative, aufsehenerregende Ideen, die man nach dem Kinobesuch noch lange mit sich herumträgt, fehlen jedoch gänzlich. Wie so oft ist die aus den Fugen geratene Welt in entsättigte Bilder getaucht, die das Gefühl der Hoffnungslosigkeit unterstreichen sollen. Nimmt man einige eher billige Digitaleffekte aus, erlauben sich Leonetti und seine Mitstreiter keine allzu ärgerlichen handwerklichen Schnitzer.

Obwohl die Familienmitglieder, besonders die erwachsenen Frauen und Sohnemann Jude, wenig Entfaltungsraum bekommen, lässt einen ihr verzweifelter Überlebenskampf nicht vollends kalt. Stellenweise kann man mitfiebern. Im Finale sackt die Anteilnahme dann allerdings spürbar ab. Zu plump forciert das Drehbuch hier eine gewaltsame Eskalation. Und viel zu hastig präsentiert sich der Nachklapp, der den Eindruck erweckt, als hätten die Macher jegliche Lust verloren.

Vor dem Hintergrund der höchstens durchwachsenen Qualität muss es nicht verwundern, dass The Silence in vielen Ländern nur über Netflix den Weg zum Zuschauer findet. Hierzulande flimmert die Romanadaption wohl nur deshalb über die große Leinwand, weil der deutsche Branchenriese Constantin Film den Streifen federführend produziert hat.

The Silence (2019)

Als eine archäologische Expedition in einem unzugänglichen Höhlensystem in Nordamerika eine bislang unbekannte Parasitenart entdeckt, ahnt noch niemand, wie gefährlich diese „Wespe“ genannte Spezies tatsächlich ist. Doch einmal freigesetzt, mutieren und vermehren sich diese Urzeitmonster nicht nur, sondern greifen bald auch Menschen an. Ihre Opfer finden sie dank ihres feinen Gehörs: Schon das kleinste Geräusch lockt eine Unzahl von ihnen an. Die einst so laute Welt verstummt. Die gehörlose Ally (Kiernan Shipka) und ihre Familie ziehen sich in die Wälder zurück, denn überleben lässt sich nur noch in völliger Stille … 
 

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