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Miloš Forman, im April verstorben, erhält eine vollumfassende Würdigung: Der Filmhistoriker Robert Fischer hatte im Jahr 2000 das Glück, ein umfassendes Interview mit Forman drehen zu können – das nun in fast 2 Stunden das Œuvre des Regisseurs beschreibt.

Life as it is: Milos Forman on Milos Forman (2018)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Erzähler

Am 13. April 2018 verstarb Miloš Forman im Alter von 86 Jahren. Mit Erhalt der Todesnachricht beschloss Robert Fischer, einen abendfüllenden Interviewfilm zu kompilieren, als Würdigung des großen Regisseurs und zur Uraufführung beim Filmfest München Anfang Juli 2018. Fischer nämlich hatte im Mai 2000 Forman in New York lange und ausführlich interviewt, um aus den mehreren Stunden Gespräch eine 30-minütige Fassung zu erstellen, die beim damaligen Münchner Filmfest als Eröffnung der großen Forman-Retrospektive gezeigt wurde. Doch er wusste auch, dass sein Gesprächsmaterial weit mehr zu bietet hatte.

Robert Fischer, Filmjournalist und -historiker, ist dem Filmfest München eng verbunden; jahrelang als kuratorischer Mitarbeiter, aber auch als Filmschaffender, der speziell zu internationalen, in München gedrehten Filmproduktionen viele erhellende, ausführlichen Dokumentationen – allerbeste Sekundärliteratur – gedreht hat. Life As It Is: Miloš Forman on Miloš Forman ist sein erster Langdokumentarfilm, der einem Gesamtwerk gewidmet ist – doch vor allem ist dies ein Film von Forman selbst.

Denn Forman ist ein brillanter Erzähler, der eloquent und mitreißend die knappen 2 Stunden locker füllen kann: Wenn er über sich spricht, vor allem aber über seine Filme, dann in voller Souveränität, mit leicht ironischem Touch, mit kleinen Finessen im Ausdruck, die das Interesse lenken, und immer wieder mit wunderbaren angedeuteten Verkörperungen derer, mit denen er es zu tun hatte. Wie er sich als Larry Flynt einen rollenden southern brawl in den Mund legt, über seinen stets spürbaren tschechischen Akzent!

Forman ist Tscheche, und er fühlt sich auch so, selbst in seiner Wahlheimat USA. Ausführlich schildert er die Zustände in der Tschechoslowakei der Nachkriegszeit, in der ihn sein künstlerischer Ruf ereilte. Seine Familiengeschichte – seine Eltern wurden im Holocaust ermordet – kommt nur in einem Halbsatz vor, denn das ist nicht Formans Fokus in dieser Erzählung seines Lebens. Es geht um seine künstlerische Laufbahn, in der er die Filmschule abschloss und unversehens zusammen mit einer Gruppe weiterer Filmschaffenden die Filmkultur – und auch die Politik – im Land veränderte; zumindest verändern wollte. Wobei er im Gegensatz zu seinen Kollegen noch ganz gut wegkam: Seine Filme konnten ja auch als bloße Komödien abgetan werden, ohne subversiven Wert … Den sie freilich hatten, und der im Westen auch gesehen wurde. Dort wurden auch die Filme gesehen, wenn sie im Inland weniger gut gelitten waren: Der schwarze Peter, Die Liebe einer Blondine oder Der Feuerwehrball brachten harte Devisen, und tatsächlich waren die Barrandov-Studios gar bereit, Forman für einen Film in die USA auszuleihen…

Das fiel mit den revolutionären Stimmungen im Westen wie im Osten zusammen – und im Nachhall des Prager Frühlings blieb Forman in den USA hängen. Dort drehte er einige Klassiker der Filmgeschichte, wurde mit Oscars überhäuft – doch wenn etwas in diesem Werkgespräch hängen bleibt, dann, wie sehr ihn seine tschechischen Wurzeln geprägt haben. Er wolle und könne sein Werk nicht analysieren, sagt Forman; und weiß doch, wie sehr Einer flog über das Kuckucksnest von der kommunistischen Erfahrung geprägt ist: Ein System, das von den Menschen getragen wird, das eigentlich für die Menschen da sein sollte, das sich aber tyrannisch gegen sie wendet…

Er hat die ideologischen Diktate des Ostblocks wie die ökonomischen des Westens erlebt. Und bei diesem perfekt ausbalancierten Überblick über Formans Werk finden sich ganz von selbst, ohne dass sie ausgesprochen würden, die Motive und Elemente, die das Œuvre zusammenhalten: Der Kampf gegen das System, der rebellische Außenseiter, der Individualist gegen das Konforme – ob im Kuckucksnest oder in Amadeus, in Hair, Larry Flynt oder bei Andy Kaufman in Der Mondmann. Über allem aber steht das kluge, mitreißende Erzählen – ob in seinen Filmen oder in diesem Interview.

Life as it is: Milos Forman on Milos Forman (2018)

Persönliche Erinnerungen und erhellende Einblicke in die Kunst des Filmemachens wechseln sich ab in diesem ebenso spannenden wie unterhaltsamen Gespräch mit einer der schillerndsten Regie-Persönlichkeiten der letzten 50 Jahre: Miloš Forman. Der Bogen reicht von Formans Kindheit in Böhmen und seinen frühen Filmen der tschechischen Neuen Welle („Die Liebe einer Blondine, „Der Feuerwehrball“) über die politischen Turbulenzen des Jahres 1968 und Formans Emigration in die USA bis hin zu den großen Kino-Erfolgen wie „Einer flog über das Kuckucksnest“ und „Amadeus“. 

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