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Mit dem Motorrad einmal rund um den Globus – Christian Vogel hat sich diesen Lebenstraum erfüllt. Während der 333 Tage und mehr als 50.000 Kilometer war die Kamera seine einzige Begleiterin. Was er unterwegs alles gesehen und wen er alles getroffen hat, zeigt er in „Egal was kommt“.

Egal was kommt (2018)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Von der Freiheit, um die Welt zu reisen

Neue Medien suchen auch immer das Neue. Oft liegt es in der Ferne. Die Brüder Auguste und Louis Lumière schickten ihre Kameraleute nicht nur auf einen Bahnsteig oder vor die Tore ihrer Fabrik, sondern rund um die Welt, um wie zuvor die Fotografie fremde Länder und Kulturen zu den Menschen nach Hause zu bringen. Später holte das Fernsehen die Welt ins Wohnzimmer. Angesichts immer günstigerer Produktionsmittel scheint es nur konsequent, dass nach den Hobbyfotografen mit ihren Diavorträgen nun auch die Hobbyfilmer einem breiteren Publikum ihre Reiseabenteuer vermitteln.

Fernsehjournalist Christian Vogel ist so einer. Früh war er mit dem Reisefieber infiziert. Rucksacktouren durch Brasilien, Argentinien und Paraguay, durch Australien, Singapur, Malaysia, Thailand und Kambodscha hat er bereits hinter sich, als er im Mai 2015 sein Motorrad für seinen bislang größten Trip sattelt. Von Florida geht es quer durch die Vereinigten Staaten, Kanada und Alaska, weiter in die Mongolei, über Russland, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und China nach Indien und Pakistan und über den Iran und die Türkei schließlich zurück nach Europa bis an Portugals Küste. Die europäischen Strecken sind Christian Vogel vertraut. Einen Großteil des Kontinents hatte er schon zuvor auf zwei Rädern befahren. Und doch ist vieles neu. Wie er einen Reifen wechselt, muss er vor dem Start ebenso mühsam lernen wie, sich im Notfall selbst zu verarzten.

Vogels Vorbereitung ist akribisch, sein Budget spartanisch. 300 Kilogramm wiegen Motorrad und Gepäck. Mehr als 1000 Euro pro Monat hat er nicht in der Tasche. Die kleinen, am Bike angebrachten Action-Kameras liefern beeindruckende Bilder, übertragen das Fahrgefühl in den Kinosaal. Was nicht auf Film gebannt ist, fangen kurze, schön animierte Sequenzen auf. Ein Mann, seine Maschine und die Straße. Die Freiheit, die sich Vogel von seinem Abenteuer verspricht, in diesen Momenten ist sie greifbar.

Doch schnell wird klar, dass es ohne Hilfe nicht geht. Mal wegen Vogels Naivität, mal wegen seiner Selbstüberschätzung. Nach 29 Minuten liegt er das erste Mal am Boden. Schwer keuchend richtet er sein Gefährt auf. „Okay, okay, fuck!“, beruhigt er sich selbst. Es ist eben jene Szene, mit der der Film einstieg, um Spannung zu erzeugen. Nun ist der Zusammenhang klar. Der Protagonist ist nach vier Monaten in der Mongolei angekommen, bleibt auf dem schwierigen Untergrund immer wieder stecken. Ohne eine freundliche Nomadenfamilie, die sein Zweirad aus dem Dreck zieht, auf ihren Lastwagen hievt und mit Vogel ihre Jurte teilt, wäre die Reise bereits hier zu Ende gewesen. Später baut er in Indien einen Unfall, muss auf Ersatzteile und eine Operation seines verletzten Handgelenks warten. Ohne Unterstützung von Eltern und Freundin wäre auch hier Schluss.

„Losgefahren bin ich allein. Wieder angekommen bin ich dank anderer“, ist die große wie banale Erkenntnis dieser Tour. Sie erzählt auch von der Hilfsbereitschaft Wildfremder und von der Liebe zwischen Christian Vogel und seiner Freundin Miriam, die neben seinen Eltern in Interviews zu Wort kommt. Dadurch ist Egal was kommt einem Dokumentarfilm deutlich näher als manch andere filmische Expedition, die in den vergangenen Jahren in die Kinos kam. Letztlich ist aber auch Vogels Unternehmung eher ein „sehr persönlich gehaltenes bewegtes Reisetagebuch“, wie Joachim Kurz den Film Pedal the World treffend in seiner Kritik bezeichnete.

Wie dieser und vergleichbare deutschsprachige Werke – von Camino de Santiago über WEIT bis Expedition Happiness – leidet auch Egal was kommt an seiner subjektiven Sicht und einem Übermaß an Bildern. Aus der Erzählperspektive macht Vogel noch das Beste, wenn er als Kommentator aus dem Off durchaus selbstkritisch mit sich ins Gericht geht. Dann gesteht er sich ein, dass er sich übernommen und mehr Glück als Verstand hat. Der schieren Materialmasse wird er hingegen nicht Herr.

Gemeinsam mit Jörn Möllenkamp, Bernd Rischner und 600 Stunden Filmaufnahmen hat sich der Regisseur an den Schneidetisch gesetzt. 100 Tage später hat er daraus 121 Minuten destilliert. Trotz der beachtlichen Länge wirkt das Ergebnis gehetzt und zugleich redundant. Landschaft jagt Landschaft, Reisebekanntschaft folgt auf Reisebekanntschaft. Und weil Vogel vornehmlich bei Motorradbegeisterten unterkommt, drehen sich die Gespräche schnell im Kreis. Gerade die Kulturen, die der unseren fremd erscheinen, kommen hingegen kaum zu Wort, fliegen wie Postkartenansichten vorbei. Einmal spricht ein Pakistani darüber, dass er Weltreisende gern bei sich beherbergt, weil er selbst nicht um die Welt reisen kann. Es ist einer der wenigen Momente, in denen Egal was kommt nicht um seinen Protagonisten kreist und in denen er eine Ahnung davon vermittelt, welches Luxusgut Freiheit – persönliche wie finanzielle – andernorts ist.

Egal was kommt (2018)

Christian Vogel ist 34 Jahre alt, als er sich seinen Herzenswunsch erfüllt: Einmal die Erde auf dem Motorrad umrunden. Er kündigt die Wohnung und hängt seinen Job als Fernsehjournalist an den Nagel. Gerade erst frisch verliebt, fällt der Abschied dann besonders schwer. Wie lange er seine Freundin und seine Familie nicht sehen wird, ist ungewiss.

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Meinungen

Buba · 07.01.2019

"Standard-Informations-Reise-Doku" erwartet - jetzt frustriert? Oder anders: Ich kann die negative Kritik an diesem Film nicht nachvollziehen - „Egal was kommt“ habe ich völlig anders gesehen: Endlich mal kein „Hochglanz-schöne-Welt-Reisefilm“ und auch kein „Einsamer-Held-besteht-Abenteuer-Epos“. In „Egal was kommt“ habe ich Christian Vogels Reise miterleben und teilhaben können an seiner Erfahrung, dass wir ohne die Anderen, die uns helfen, unterstützen und beistehen, nichts sind – egal wo auf der Welt – und wie wichtig es ist zu vertrauen. In diesen Zeiten wirklich bedenkenswerte Erkenntnisse! Auch ist dieser Film anders, weil es zwei starke Frauen sind – seine Mutter und seine Freundin Miriam – ohne die es diese Reise so nicht gegeben hätte.

Marius · 17.12.2018

Erstmal, Respekt an Christian dafür dass er das durchgezogen hat.
Der Film hat mir allerdings überhaupt nicht gefallen, vor allem die ständige Jammerei.
Es gibt Dokus die einem sofort übermitteln aufs Motorrad zu steigen. Die hier eher nicht.
Langweilig und selbstreflektierend.

Silke · 28.08.2018

Der Film war klasse, auch wenn ich mit völlig anderen Vorstellungen dahin gegangen bin. Er beschreibt hervorragend was es heißt, sich immer wieder selbst zu überwinden und seinen Traum nicht aufzugeben.
Anstatt vieler schöner Landschaftsbilder und Bilder spektakulärer Pannen und Katastrophen, bezieht er sich sehr auf den Kern der Sache eine solche Reise anzugehen und durchzuhalten. Ein Film über Bekanntschaften und die Verbindung Motorradreisender, aber auch über Menschen, die den Traum teilen und unterstützen und einfach helfen. Ein Film der zeigt wie wunderbar der Rückhalt von Familien und Freunden ist und das man immer wieder auf hilfsbereite Menschen trifft.
Es mag spektakulärere Filme über das Reisen geben, aber jeder der selber schon in dieser Form gereist ist, wird auch die Kernaussage des Films sehen. Ich kann ihn nur weiter empfehlen und würde ihn mir gern noch ein zweites mal ansehen. Schade das er hier nirgendwo mehr läuft.

SABINE · 23.08.2018

Absolut langweilig und oberflächlich

Toni · 11.08.2018

Vornweg, Respekt für solch ein Reisewagnis.

Allerdings merkt man schnell, dass es definitiv ein Film werden sollte. Ein Fernseh Journalist, der mit dem Motorrad, ausgespickt mit zig Kameras um die Welt reist um sich sein Traum zu erfüllen. Eingebaute Dramaturgie, aber immer nach der Frage ob die Kamera angeschalten war oder ist. Einzig die Interviews, gerade mit der Mama sind sehr interessant.

Die Länder gehen total unter. Möchte garnicht wissen wieviel schöne Landschaften auf den Cams abgefilmt wurden. Stattdessen zig Videos wie der Hauptdarsteller auf dem Motorrad tanzt. War leider nichts für mich.

Bernd · 09.08.2018

Ein Film aus dem wahren Leben eines Motorrad - Weltenbummlers. Die Weltreise war nicht
als Film geplant. Deshalb ist er auch sehr authentisch und lebhaft.
Ich war bei der Premiere im Open Air Kino in Kassel wo der Weltenbummler selbst anwesend
war.
Der Film ist einfach spannend, von der ersten bis zur letzten Minute.

Alexandra Attenberger · 07.08.2018

Rau, echt und sehenswert!

Detlev D. · 02.08.2018

Ich habe den Film nicht gesehen, aber das ganze Setting erinnert mich doch sehr an "Morgen Woanders" von Daniel Rintz von 2014. Auch dieser Film ist sicher sehr subjektiv und weit entfernt von filmischer Perfektion. Es wundert mich fast, dass es hierzu in der Rezension keinen Vergleich gibt. Gerade in "Morgen Woanders" kam für mich das Besondere anderer Kulturen fern ab von den Bildern aus üblichen Nachrichtenquellen sehr zum Tragen.

Wolfgang Reher · 12.08.2018

Ein sehr schöner ergreifender Film . Träume werden war und neue Freunde in der Menschheit .

FastHugo · 16.08.2018

Ein Film muss nicht in " filmischer Perfektion" gedreht werden, um gut zu sein. Ebenso wie ein starkes Foto nicht unbedingt gestochen scharf sein muss. Die Botschauft muss rüberkommen und das tut es, was natürlich vorraus setzt, den Film zu sehen.