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Ein Paar in der Krise, ein Junge auf der Suche nach seiner Mutter und über allem die unendliche Weite Patagoniens. Was nach klassischen Road-Movie-Ingredienzien klingt, entpuppt sich in Marleen Jonkmans Debütfilm „Messi und Maud“ als sehenswerter Selbstfindungstrip einer kinderlosen Vierzigerin.

Messi & Maud (2017)

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Von echten Kindern und falschen Müttern

Zugegeben: Marleen Jonkmans starker Debütfilm „Messi und Maud“ beginnt mit dem dramaturgischen Holzschlaghammer: „Ach, verpiss dich doch! Halt’s Maul“, schnaubt Maud (Rifka Lodeizen) ihren langjährigen Partner Frank (Guido Pollemans) an. Worauf der nur kurz erwidert: „Wir brauchen einen Neuanfang“.

Was hier im ersten Moment und nach ein paar sicherlich schönen, aber durchaus auch recht konventionellen Bergkulissenbildern wie die Grundkonstellation zu einem dieser üblichen „Ein-Paar-hat-seine-Probleme“-Filme klingt entpuppt sich in der langsamen, fast zwanzigminütigen Exposition glücklicherweise als falscher Verdacht. 

Denn es geht in Marleen Jonkmans Erstling weniger darum, wie man eine achtjährige Liebesbeziehung, in der es auch im Bett nicht mehr so gut funkt, wieder ins Lot bringt. Sondern ihr in der Hauptrolle glänzend gespielter Film greift offen ein gesellschaftliches Tabuthema auf, zu dem es erstens noch nicht so viele und zweitens erst recht nicht so gute Filme wie diesen gibt: Wie gehe ich als Frau damit um, dass ich keine Kinder bekommen kann, während um mich herum permanent so viele schwanger werden? Und was macht diese Erkenntnis persönlich mit einer, die weiß, dass sich ihr Traum vom Muttersein offensichtlich von selbst nie erfüllen wird? 

Die beiden Niederländer Maud und Frank haben es zwar viele Jahre lang als Paar miteinander versucht: Sie waren geradezu beseelt davon, zusammen ein Kind zu zeugen. Doch hier in der magischen Weite Patagoniens ist ihre Beziehung nach einer Fehlgeburt und dem nächsten Streit endgültig am Ende: Es gibt kein zurück mehr, auch wenn es Frank später noch tagelang mit nervtötenden Mailboxgequassel bei Maud versucht, die ihn kurzerhand sitzengelassen hat. Alleine geht sie nun ihren Weg durch Chile. „In den Norden“ sagt sie ohne groß zu überlegen, als sie von zwei Männern in ihrem Wagen als Anhalterin aufgegabelt wird. 

Wohin genau? Das weiß die Vierzigjährige selbst (noch) nicht. Hauptsache erst mal weit weg von Frank, ihrem alten Leben und dem massiven inneren Schmerz, den der unerfüllte Kinderwunsch in ihr seit Jahren auslöst. Kurz darauf lernt sie Messi (Cristóbal Farias) kennen und seinen Vater, einen raubeinigen Trucker, der sie später nachts volltrunken zu vergewaltigen versucht. Zusammen mit dem achtjährigen chilenischen Jungen brennt Maud daraufhin durch und Marleen Jonkmans ebenso sensibel wie dicht inszeniertes Kinderlosigkeitsdrama wandelt sich wieder retour in ein klassisches Roadmovie. Nur dass dieses Mal eben keine Männer mehr in zentralen Rollen unterwegs sind, wie man das sonst schon unzählige Male auf der Leinwand gesehen hat. Was zugleich auch nicht überrascht, wenn man weiß, dass das Gros des holländisch-chilenischen Filmteams aus Frauen bestand und zwar in den entscheidenden Parts Regie, Buch und Produktion, was leider nach wie vor und nicht allein im europäischen Arthouse-Kino immer noch eine Seltenheit darstellt. 

Wenn auch keine Frau hinter der Kamera stand, so findet jedoch Jeroen de Bruin für Messi und Maud eine ausgezeichnete Bildsprache für die innere wie äußere Sinnsuche der plötzlichen „Neu-Mutter“ Maud, die prompt anfängt, Lügengeschichten von sich und ihrem „Ersatzsohn“ Messi zu erzählen und sich fortan in der Öffentlichkeit immer häufiger als Messis „echte Mutter“ ausgibt. Umrahmt von beinahe schon dokumentarischen Reiseimpressionen und einer Reihe großartiger Supertotalen setzt de Bruin in erster Linie auf Handkamera mit einprägsamen Close-ups und vielen Halbtotalen, die dieser packenden tour de force von Beginn an etwas Kathartisches verleihen: Ganze Dramen spielen sich im Gesicht der fantastischen Hauptdarstellerin Rifka Lodeizen ab. 

Zusammen mit einem wunderbar unauserzählten Drehbuch von Daan Gielis, das keineswegs alle Erzählstränge vollends ausbuchstabiert, und im Einklang mit einem mitreißenden Score (Daniel Sus und Matthias Klein) gelingen Marleen Jonkman in ihrem gelungenem Leinwanddebüt zusätzlich einige flirrende Kinomomente, die zudem quasi im Alleingang vom imposanten Spiel Rifka Lodeizens getragen werden: In zweiundneunzig Minuten ist sie beinahe durchgängig im Bild und keine Sekunde davon zu viel.

Messi & Maud (2017)

Maud und Frank, ein Pärchen aus den Niederlanden, verbringt einen gemeinsamen Urlaub in Chile: dort allerdings kommt es zu einem schweren Streit, da Maud es einfach nicht akzeptieren will, dass die beiden niemals gemeinsam Kinder haben werden. Enttäuscht und zutiefst verletzt macht sich Maud allein auf den Weg durch Chile, um zu sich selbst zu finden … 

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Meinungen

Alfred Buberl · 10.12.2020

Messi & Maud - zufällig drauf gestoßen, fasziniert, geflashed ... selten sowas Tolles gesehen ... und die Kritik von Simon - genial, man könnts nicht besser ausdrücken ...