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Mads Mikkelsen ist in seinem Element: allein und dreckig muss er in der Arktis überleben. Warum? Ist egal. Es geht eher um das Wie – und das kostet der Film auf eine besondere Art und Weise sehr genüsslich aus. Halt durch, Mads!

Arctic (2018)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Spiel es noch einmal, Mads!

Es ist nicht (ganz) übertrieben zu behaupten, dass Mads Mikkelsen sich quasi ein eigenes Subgenre geschaffen hat. Es hat noch keinen Namen, deshalb taufe ich es jetzt auf Mads-Mikkelsen-Survival-Masochismus-Drama. Genau diesem hat sich der dänische Schauspieler in Arctic abermals verschrieben – und was soll man sagen außer: geht in Ordnung!

Denn so wie man so mancher sonoren Stimme auch stundenlang dabei zuhören kann, wie sie das Telefonbuch vorliest, so ist es mit dem Überlebenskampf und Mads Mikkelsen. Es macht einfach Spaß, ihm dabei zuzusehen. Vornehmlich, weil er sich immer große Mühe gibt und mit einer unbestechlichen Ehrlichkeit, Ernsthaftigkeit und vor allem Körperlichkeit an die Sache herangeht. So auch in Arctic. Der Film beginnt in der Arktis, das Weiß blendet so sehr, dass man sich im dunklen Kino erst einmal daran gewöhnen muss. Ein Mann (Mads Mikkelsen), auf dessen Jacke Overgård steht, buddelt im Eis. Man sieht ihm eine ganze Weile zu, bis die Kamera letztendlich herauszoomt und sein Werk zu sehen ist. Es ist ein riesiges SOS-Zeichen. Daneben ist eine Propellermaschine, die bruchgelandet ist. Wer der Mann ist, wie lange er schon in Nöten ist und was er überhaupt in der Arktis gemacht hat, ist nebensächlich. In der Arktis interessiert sich eben niemand für deinen Namen. Und wie sich alsbald herausstellt, hört dich dort auch niemand schreien. Zumindest metaphorisch, denn tatsächlich schafft es Overgård, einen Helikopter zu finden, der ihn in der Schneelandschaft sieht und ihm zur Hilfe eilt. Leider während eines Schneesturms, was dazu führt, dass die Retter selbst in Not geraten und gerettet werden müssen. Overgård gelingt es, eine Frau aus den Trümmern zu bergen, die schwer verletzt ist.

Wer hier schon denkt, dass das ja ein ganz schön konstruierter Zufall ist, der hat absolut recht. Solche dramatischen Wendungen, Probleme und Unglücke werden den ganzen Film begleiten, die meisten davon sind schon fast absurd in ihrer zufälligen Unwahrscheinlichkeit. Kurzum: Arctic ist ganz schön trashig. Und zwar im klassischen Sinne, denn es ist unwahrscheinlich, dass dies Absicht ist. Vielmehr will der Film ernstzunehmende Survival-Action sein. Und das macht ihn umso besser in Sachen Trash, es ist diese Ernsthaftigkeit, die einen Film zu einem „guten schlechten Werk“ im Sinne des Trash-Papstes John Waters macht.

Und hier kommt auch Mikkelsen wieder ins Spiel, der sich die Seele aus dem Leib spielt. Ein Mann in der Kälte und Verlorenheit, der auf Rettung hofft und dabei nicht aufgibt – das ist genau sein Ding. Mit einer Digitaluhr hält sich Overgård über Wasser, um zu überleben, hat er eine strikte Routine, die erst durch den Helikopter gestört wird. Nun ist alles dahin, aber gleichsam auch alles wunderbar, denn Overgård ist nicht mehr allein. Er kümmert sich rührend um die Frau, freut sich über neue Gegenstände wie eine Spitzhacke oder ein paar Packungen Cup Noodles, die ihm nach all dem rohen Fisch vorkommen wie ein 5-Sterne-Menü.

Doch der Film hat natürlich nicht vor, seine ProtagonistInnen dort weiter warten zu lassen. Die Frau hat Fieber, die Wunde ist infiziert und so muss Overgård handeln. „Zufällig“ hat sie eine Karte der Gegend im Gepäck und ein Foto ihres gerade verstorbenen Mannes und des gemeinsamen Babys. Also genug Ausstattung, um Overgård a) zu motivieren und b) eine Karte zu geben, in der er fortan aufzeichnen kann, wie unendlich lang der Weg ist, den er mit der Frau zurücklegen wird. Und dabei muss er sie auf einem Schlitten durch die Arktis ziehen. Damit wird Arctic alsbald der klassische Survival-Trip, in dem es vor allem darum geht, Mikkelsen bei Höllenqualen zuzuschauen. Wird Mads überleben?

Du schaffst es, Mads! Geh einfach weiter! Das möchte man ihm zurufen. Der dänische Hüne bezwingt sie alle: die Eisbären, die Kälte, die Berge, Schluchten und auch das hanebüchene Drehbuch, das ihm immer wieder Dinge in den Weg räumt, die einen zum Lachen veranlassen. Aber auch zum Mitfiebern. Man will, dass er es schafft, und ja, der Film in seiner wunderbaren Absurdität schafft es dann genau damit, das Publikum einzufangen. Man hat großes Mitgefühl mit den Figuren. Nicht ob ihrer lebensgefährlichen Lage, sondern ihrer großen Bemühungen, sich durch dieses Drehbuch zu schlagen.

Arctic (2018)

Ein Mann, der in der Arktis verschollen ist, muss nach einen tragischen Unglück jede Hoffnung auf Rettung von außen aufgeben und steht vor der Entscheidung, ob er sein Camp verlässt und sich selbst auf den lebensgefährlichen Weg macht. 

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Meinungen

Jenniiie · 22.12.2022

Bin da ganz anderer Meinung. Finde den Film einen der besten des survival-Film-Genres überhaupt. Puristisch und frei von absurdem Quatsch wie "Feuer mit Brillen anzünden", überflüssiger Action oder gar irgendeiner romantischen Sauce, ist er reduziert auf das worum es geht: Überleben und dabei menschlich bleiben. Dass man in der Arktis auf Eisbären trifft oder in Löcher fällt, erscheint mir nicht hanebüchen. Mikkelsens Performance ist umwerfend und die geradezu schockierende Reduktion und Dialogfreiheit des Drehbuchs ist großartig.

Dummer Russ · 20.08.2022

Es gibt keine Eisbären in der Antarktis.

Eis Bär · 30.08.2022

Absolut korrekt.
Der Film heißt Arktis und spielt in der Arktis. Und in der Arktis trifft man schon mal Eisbären.

Jannick · 19.02.2022

Ich fand den Film eigentlich ganz in Ordnung bis auf zb der Anfang das mann so einfach reingeschmissen wird umd man nicht weiß wie, warum, weshalb er dort in der Arktis ist, außerdem fand ich den schluss zu unausführlich, der Hubschrauber landete und der film war zu ende man konnte nur vermuten was passiert. Ich hätte mir zb noch Einblicke ins Krankenhaus oder so gewünscht wie sie gerettet worden sind, naja im großen und ganzem würd ich dem Film ne 3.8⭐-5.0⭐ geben

Cristian · 29.04.2021

Ja, das mit dem 2. Absturz ist sehr zufällig. Aber ansonsten , ist es ungewöhnlich, dass im Hubschrauber ne Karte ist? Ich fand den Film stark. Mikkelsen spielt überaus glaubwürdig und ringt einem grossen Respekt ab, so durchzuziehen. Ein Hoch auf den Überlebens Willen.. Er hat mich voll mitgenommen und ich fand es super, dass es kein Action überladener Kracher war,, mit giganto Einlagen und Musik overload. Bei Emmerich Filmen passt das super. Dieser Film hat bewusst darauf verzichtet. sondern endlich mal ein Film, der den Willen des Menschen nicht aufzugeben so gut rüber bringt, von mir gibt's 4,5 Sterne vin 5.

Sarah · 15.02.2021

Gerade gesehen, für gut befunden. Die Kritik der Rezensentin am Drehbuch kann ich nicht so nachvollziehen. In Sachen unglaubwürdige und hanebüchende Survival-Story sei an dieser Stelle einmal 'Zwischen zwei Welten' erwähnt. Da ist der gute Mads hier der Gipfel der Glaubwürdigkeit.

Philip Heyke · 27.08.2020

Das Filmdebüt dess jungen brasilianischen Regiseurs Joe Penna ist geglückt. Er zeigt einen spannenden und zugleich tiefsinnigen Survivalstreifen, der es schafft, den Zuschauer zu fesseln. Mads Mikkelsen besticht einmal mehr durch individuelle Klasse.
Seine Einsamkeit in der Eiswüste wird bereichert, durch die plötzliche Anwesenheit einer jungen Pilotin die aufgrund ihrer Verletzungen mit dem Tod ringt. Im Mittelpunkt der Handlung steht nun das Überleben der jungen Mutter zu sichern. Mit voller Hingabe, entgegen aller Naturgewalt möchte er sie an einen sicheren Ort bringen.
Grossartig werden in dieser Sequenz Aussichtslosigkeit aufgrund unmöglicher Vorausetzungen einerseits und die Triebfeder der Nächstenliebe andererseits zusammengeführt.
Die Quintessenz dieses Films zeigt, was möglich ist, wenn man bedingungslos führ den anderen kämpft.