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Zwei Frauen, die sich lieben, brechen mit den kenianischen Konventionen. Doch Rafiki bringt mit dieser Liebesgeschichte viel mehr politische Themen mit, als man anfangs erahnen könnte. Und diese haben nicht nur mit Kenia, sondern auch mit der politischen Weltgeschichte der Vergangenheit und Gegenwart zu tun.

Rafiki (2018)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Ubuntu - Lieben und leben lassen

Regisseurin Wanuri Kahiu mag eine Neuentdeckung für Cannes und im größeren Sinne für die „westliche Welt“ sein, in ihrer Heimat Kenia ist sie allerdings seit ihrem Erstlingswerk „From A Whisper“ eine der treibenden Kräfte in Sachen Film und Politik. Ihr neuestes Werk „Rafiki“ ist nicht nur der erste ostafrikanische Beitrag in Cannes, sondern darf sich auch in eine illustre Reihe von Werken einreihen, die im eigenen Land verboten sind. Denn die Freundinnen, die der Titel hier schon herausstellt, sind lesbisch und Homosexualität — egal ob in Ausübung oder nur Darstellung — ist in Kenia verboten.

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Und genau deshalb arbeitet sich Wanuri Kahiu auch an diesem Thema ab, wissend, dass dies zu großen Problemen und Kontroversen führen wird. Doch Kahiu ist keine, die solche politischen Minenfelder scheut. Vielmehr gehört sie zu einer Gruppe FilmemacherInnen, die den Humanismus, das Gemeinsame, das Afrofuturistische suchen und mit Film als Mittel progressive Entwicklungen anstreben. Ubuntu — also Menschlichkeit, Nächstenliebe, Gemeinsinn als afrikanische Philosophie und Tradition ist wohl das Stichwort schlechthin, mit dem sich Kahius politisches Bewusstsein zusammenfassen lässt. Und genau hier reiht sich Rafiki unabhängig von seinem Thema in das weitere Œuvre der Regisseurin ein.

Für westeuropäische Augen, die ja eher wenig afrikanisches Kino zu Gesicht bekommen, ist Rafiki vor allem erst einmal überraschend poppig, bunt und modern. Und hier muss man schon als ZuschauerIn kurz in sich gehen und überprüfen, wieso dies so überraschend ist. Die Antwort ist nicht ganz einfach, setzt sich aber vor allem aus Unwissenheit und einem immer noch stark problematischen Bild von diesem Kontinent zusammen. Denn schon allein in einem Rahmen zu denken, der „der afrikanische Film“ heißt, zeigt, wie eng die westlichen Gedankengänge und Schubladen hier doch sind. Als könnte man das Kino eines ganzen Kontinents mit so vielen verschiedenen Völkern und Kulturen in einer einzigen Idee von Film zusammenfassen. Das macht Rafiki schon zu einem wichtigen und politischen Werk. Allein die Präsenz dieses Filmes, in dem ein selbstbestimmtes Kenia gezeigt wird, das weitab von den Klischeevorstellungen liegt und in dem Weiße nirgends vorkommen, ist schon eine kleine Revolution in Sachen internationaler Repräsentationspolitik.

Aber Kahius Film arbeitet sich auch an den inländischen Strukturen ab und hier kommt die Kolonialpolitik der ehemaligen Besatzer mit ins Spiel, wenngleich eher indirekt. Doch dazu gleich mehr. Vor der Politik kommt nämlich das Individuelle und die Liebe: Ziki Okemi (Sheila Munyiva) und Kena (Samantha Mugatsia) sind zwei junge Frauen, deren Väter gerade in der Lokalwahl als Politiker gegeneinander antreten. Deshalb sollten sie auch eher Abstand voneinander halten, doch Kena und Ziki können einer romantischen und durchaus sinnlichen Anziehungskraft nicht standhalten und verlieben sich ineinander. Die eher stille Kena hat dabei alle Hände voll zu tun, denn Ziki ist jung, unbedarft und wild. Und sie denkt, sie kann die Welt und ihre Regeln einfach spielerisch ignorieren.

Doch die Regeln der kenianischen Gesellschaft lassen kaum Raum für Frauen. Das zeigt Rafiki deutlich. Nicht nur durch Ziki und Kena, sondern auch durch weitere Frauenfiguren, die das Thema auf Alter und Klasse ausweiten. Da ist Kenas Mutter, die verlassen wurde und der die Schuld daran gegeben wird. Hätte sie sich mal besser um den Ehemann gekümmert. Als dieser jetzt auch noch einen Sohn von seiner neuen, bedeutend jüngeren Frau erwartet, ist die gesellschaftliche Schmähung komplett, denn ein Sohn — das ist doch das größte Geschenk. Und Kena, die Tochter, die so klug ist, dass ihre Abschlusszensuren sogar dazu reichen würden, Medizin zu studieren, kann da auch nicht helfen, denn ihr Wert ist vor allem durch eine potentielle Heirat bestimmt. So hofft ihre Mutter, sie findet einen Arzt, deren Frau sie werden kann, anstatt die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass Kena selbst Ärztin werden könnte.

Rafiki positioniert sich als eindeutig feministisches Werk, das kritisch auf die Männergesellschaft Kenias schaut, aber auch auf die Selbstregulation der Frauen, die sich entweder von Haus aus selbst oder gegenseitig in Schach halten. So wie Mama Atim, die lokale Barbesitzerin, die alles mitbekommt und alles weiter erzählt. Sie ist es, die Ziki und Kena das Leben schwer machen wird, denn als Frau aus der Reihe tanzen, das geht nicht. Doch hier macht Kahiu noch lang nicht Halt. Vielmehr versieht sie den Film immer wieder mit kleinen Szenen, die auf Großes verweisen. So wie die Kirchenszenen, in denen Liebe gepredigt wird, aber nicht gegeben. Hier kommt auch die Kolonialpolitik wieder ins Spiel. Die einst vom Weißen eingeschleppten Religionen sind es, die das Gebilde aus Ausschluss und Unterdrückung zum Fundament der Gesellschaft machen. Die Aufregung um das Verbot von Rafiki in Kenia war groß, schnell wurde diese Zensur von westlichen Beobachtern verurteilt. Ein zynisches Spiel, wenn man, wie der Film es tut, nachvollzieht, woher diese Haltung eigentlich kommt, die Menschen in den Knast bringt oder Frauen wie Kena und Ziki mit „correctional rape“ oder Tod bedroht.

Doch bei allem klugen Betrachten der Umstände bleibt Rafiki ein futuristischer Film, der hoffnungsvoll in die Zukunft blickt und auch das Gemeinsame, das Menschliche in allem sucht. Diese Hoffnung liegt in Ziki und Kena und in der Jugend, die die alten Werte hinterfragt und sich auflehnt gegen die engen Grenzen. Hier sind es vor allem die jungen Frauen, die sich auflehnen und die Ideen von einer Zukunft haben, die sich andere nicht einmal zu erträumen wagen. Das ist letztendlich das Raffinierte an diesem Film. Er ist faktisch und ehrlich, erliegt aber keiner melancholischen Sehnsucht, sondern nimmt die Erneuerungsbewegung selbst in die Hand und beginnt, neue Ideen, neue Bilder sowie ein Kenia und eine Welt der Zukunft zu imaginieren.

Rafiki (2018)

Obwohl ihre beiden Familien verfeindet sind, sind Kena und Ziki enge Freundinnen. Was sie unter anderem verbindet, ist der Wunsch, aus der konservativen Gedankenwelt ihrer Familien auszubrechen und sich ihren eigenen Platz in der Welt zu suchen. Doch als aus Freundschaft Liebe wird, müssen sich die beiden Frauen entscheiden, ob ihnen Glück oder Sicherheit wichtiger ist.

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