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Spike Lee ist zurück und er ist wütend. Grund dazu hat er allemal, wenn man auf die Politik und den Rassismus in den USA blickt. Hier ist also Lees Augenblick mit Hilfe des Filmemachens zu liefern. Und er tut es. Nicht.

BlacKkKlansman (2018)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Wut - und sonst?

Spike Lee ist zurück und er hat Wut mitgebracht. Die Wut, die in ihm seit Jahrzehnten schwelt. Es ist Wut auf ein menschenverachtendes System aus Rassismus, Diskriminierung, Unterdrückung und Mord, welches nun, dank des neuen Präsidenten, Ausmaße annimmt, die langsam an ein Amerika vor der Bürgerrechtsbewegung und dem Ende der Segregation erinnern. Wenn man jetzt jemanden braucht, der den Mund aufmacht, der dagegen ankämpft und kein Blatt vor den Mund nimmt, dann jemanden wie Spike Lee, der es sich seit Jahrzehnten zur Aufgabe macht, seine Wut in Filme zu kanalisieren. Jetzt ist er mehr gefragt und wird mehr gebraucht denn je.

Und jetzt zeigt sich auch, was Lee eigentlich zu bieten hat. BlacKKKlansmen wurde mit großer Hoffnung erwartet – als warte man auf ein Manifest, auf Führung und Resistenz wie andere afroamerikanische KünstlerInnen es jetzt schon geliefert haben. Doch keine/r von ihnen, weder Ava DuVernay (Selma, The 13th) noch Jordan Peele (Get Out) oder Childish Gambino (This is America) haben so lange schon die Stellung des wütenden Gegenpols eingenommen wie Spike Lee.

Was also ist nun BlacKKKlansmen, ein Film über die wahre Geschichte von Ron Stallworth (John David Washington), einem schwarzen Cop, der in den 1960er Jahren den Ku Klux Klan infiltrierte? Zunächst einmal ist er ein cooler, stark an Blaxploitation-Filme angelehnter Film, der mit so viel swagger wie möglich die wahnsinnige Geschichte des ersten (und einzigen) schwarzen Ku-Klux-Klan-Mitglieds erzählt. Stallworth ist der Rookie und erste schwarze Polizist in Colorado Springs, er arbeitet sich schnell hoch und landet bei der Undercover-Einheit. Der Weg dahin ist gespickt von rassistischen Anfeindungen von einigen Mitgliedern der Truppe, aber er findet auch Verbündete. Sein erster Einsatz ist bei einem Vortrag von Kwame Ture alias Stokely Carmichael (Corey Hawkins), einem ehemaligen Black Panther. In einer ausführlichen Rede, die sich auch eindeutig ans Publikum richtet, spricht dieser davon, sich als schwarzer Mensch selbst zu lieben und sich nicht einreden zu lassen, man wäre minderwertig. Und dann ruft Kwame zum offenen Widerstand auf, notfalls auch bewaffnet. Hier eröffnet sich für Ron Stallworth eine weitere Ebene seines persönlichen, politischen Engagements und er lernt die Studentenführerin und Aktivistin Patrice (Laura Harrier) kennen, die ihn ebenfalls gut findet, doch anfänglich zurückhaltend ist. Auf ihre Frage, ob Ron ein pig (ein Polizistenschwein) ist, lügt dieser. Er wird es noch mehrmals im Film tun.

Nach dieser Initialzündung beginnt Ron eigeninitiativ, die lokale Ku-Klux-Klan-Ortsgruppe zu infiltrieren, indem er am Telefon mit ihnen – und später sogar mit David Duke (Topher Grace), dem Grand Wizard persönlich – in Kontakt ist. Seine physische Präsenz muss dafür sein jüdischer Kollege Flip Zimmerman (Adam Driver) übernehmen. Dieser befindet sich dank Rons telefonischer Eloquenz alsbald im Kern der Ortsgruppe, wo er nicht nur mit massenhaftem Hass auf AfroamerikanerInnen, sondern auch mit extremem Antisemitismus, Misogynie und Homophobie konfrontiert wird. Felix (Jasper Pääkkönen), der extremste unter den Mitgliedern, traut „Ron“ nicht und will ihn mit vorgehaltener Waffe zu einem Lügendetektortest zwingen, denn er vermutet (korrekterweise), dass „Ron“ Jude ist.

Mit den heftigen Dissonanzen, die hier aufeinandertreffen, spielt Spike Lee vergnügt vor allem auf der sprachlich sehr expliziten Ebene, aber auch immer wieder mit anderen Elementen, die schon regelrecht slapstickartig sind (eines der Clan-Mitglieder sieht sogar aus wie Oliver Hardy). Die Lage spitzt sich alsbald zu, David Duke kommt persönlich zur Inauguration „Rons“ und hier beginnt Lee mit einer Parallelmontage zweier Rituale. Da ist einmal die Einführung mit „White Power“-Schreien des KKK. Parallel dazu zeigt Lee eine Veranstaltung, auf der Harry Belafonte die wahre Geschichte eines grauenhaften Lynchmords vor einer Gruppe afroamerikanischer StudentInnen erzählt, die das „White Power“-Geschrei mit einem Ruf nach „Black Power“ und Bilder einer verkohlten Leiche konterkarieren.

Hier webt Lee eine Lehrstunde in amerikanischer Geschichte ein, zeigt die Entwicklung des KKK und ihrem Wiederaufflammen dank Griffiths furchtbaren Films The Birth of a Nation, ihrer Rhetorik, der Auswirkungen der „White Power“ Ideen bis hin zu Donald Trump, der diese Ideen und Rhetorik in seine Wahlkampfreden aufnimmt. Hier ist sie nun, die ganz explizite Auseinandersetzung mit der politischen Lage, die bis dato nur durch Verweise und Witze zutage trat. Und hier erwartet man auch das Manifesto, den Aufruf, die Stoßrichtung, die Lee einschlagen wird. Doch es kommt nichts.

Es bleibt bei Rons Story, die spitzfindig und ironisch ist und gleichsam von einer interessanten Art Widerstand aus einem bestehenden System heraus erzählt. Vielleicht ist das Lees Aussage. Dass egal ob White oder Black Power, Extremismus nicht wirklich etwas ändern wird, sondern nur Leid bringt. Wenn dem so ist, untergräbt er allerdings seine eigene Stoßrichtung. Denn seine Hauptfigur, sein Held ist einer, der lügt. Und in seinen explizit politischen Momenten, in denen er eben jenes Arbeiten innerhalb des Systems zu erklären versucht, lügt er gleichzeitig, um seinen eigenen Hintern zu retten und um die Frau, an der er interessiert ist, bei Stange zu halten. Damit macht sich Ron unglaubwürdig, es ist nicht zu unterscheiden, ob er es wirklich ernst meint oder ob er nur mit nach Hause genommen werden will. Genauso ist nicht ganz klar, ob Ron aktivistisch arbeitet oder vor allem seine Karriere vorantreiben will. Schuld daran ist der Einsatz der Blaxploitation-Elemente. Das coole Machogehabe, die Ausreden, die ständigen ironischen Untertöne untergraben die Ernsthaftigkeit der Lage. Ist das ein Versehen oder Absicht, um sich doch irgendwie aus der Situation ziehen zu können? Man weiß es nicht. Doch Ironie ist nicht kompatibel mit einer ernsthaften politischen Auseinandersetzung. Sie zersetzt diese viel mehr.

Problematisch ist der Film allerdings auch auf anderen Ebenen. Zum einen ist die Story nicht allzu gut erzählt. Alle Figuren und Wendungen sind überaus plakativ und passen damit zur Humorstruktur, aber nicht zum Rest. Patrice ist Aktivistin, macht den gesamten Film allerdings gar nichts. Zimmerman ist natürlich Jude, damit hier, ebenfalls für die Agitation, eine größtmögliche Reibung entstehen kann. Doch mit ihm und seiner emotionalen Welt, mit seinen Problemen macht Lee nichts. Gleiches gilt für die Sprache, die er wählt. Konstant werden rassistische, antisemitische und andere Ausdrücke gebraucht und wiederholt und somit irgendwann regelrecht salonfähig gemacht, ohne dass Lee damit arbeitet. Er wirft sie einfach in den Raum. Zum Aufregen, manchmal zum Lachen. Doch dann was?

Genau dieses „und nun?“ ist die große Krux dieses Filmes, und es bleibt die Frage danach, was Spike Lee eigentlich aussagen will. Und was er tun will. Wo ist das Progressive, das Produktive, der pragmatische Handlungsansatz, der über das Zeigen, über das Wüten hinausgeht? Denn wütend sind viele, doch das wird die Situation nicht ändern. Was ist BlacKKKlansmen mehr als nur das Wiederholen von Geschichte(n), die die Menschen, die Lees Filme auch schauen, nicht bereits kennen? Die traurige Wahrheit ist: da ist nicht viel. Außer eine Wiederholungsstruktur, die Lee am Ende mit dokumentarischen Aufnahmen aus Charlottesville noch einmal einfängt. Doch auch dieser Dreh fühlt sich merkwürdig an. Hat man gerade noch gelacht und Ron als coolen Undercover-Cop gesehen, der am Ende David Duke am Telefon auslacht, so sieht man nun die Realität. Und in dieser sterben Menschen wie Heather Heyer. Und Lee hat dem nichts entgegenzusetzen, außer Bilder und Strukturen, die man derzeit vor allem aus der rechten Propaganda kennt. Ob das der Weg ist, den alle anderen auch einschlagen sollten, bleibt eine Frage der Einstellung zur Politik, zum Kino, zum Leben. Letztendlich wird es die Geschichte selbst zeigen. Es mag funktionieren. Es erscheint nur hier, im Sinne seiner eigenen politischen Analyse eigenartig, letztendlich doch gleich zu verfahren – eine Idee, die Spike Lee im Film ja selbst kritisiert.

BlacKkKlansman (2018)

Spke Lees „BlacKkKlansman“ erzählt die beinahe unglaubliche, aber wahre Geschichte von Ron Stallworth, dem ersten afroamerikanischen Polizeioffizier, der in Colorado Springs buchstäblich undercover den örtlichen Ableger des Ku Klux Klan infiltrierte. Dabei ging er äußert trickreich vor, denn als Afromaerikaner war er einer der erklärten Todfeinde des Klans und seine Enttarnung hätte schlimme Folgen haben können. 

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Meinungen

Dom · 24.12.2018

Ich kann das Empfinden der Kritikerin absolut nachvollziehen. Die vermeintlich coole Aufmachen geht leider oft auf Kosten des Inhalts. Gerade die Bilder aus Charlottesville waren völlig deplatziert und ließen mich wirklich kopfschüttelnd zurück.
Die typische Ami-Komödie ist vielleicht nicht die beste Grundlage für dieses Thema, erreicht so aber zumindest eine breitere Masse, was ja bei der Sensibilisierung für das Thema in Bezug auf die aktuelle politische Lage nicht schaden kann...

Kim · 17.09.2018

Lees versöhnlichster Film, von Wut kann ich wenig erkennen.
Sondern eher ein Bedauern, dass alle die sich schwach fühlen oder schwach sind -intellektuell, ökonomisch, _ sich jemand vermeintlich Schwächeren suchen und ihm/ihr das Leben zur Hölle machen,

Die Schlussszene hat mich völlig fertiggemacht.

Luke · 07.09.2018

"Es ist Wut auf ein menschenverachtendes System aus Rassismus, Diskriminierung, Unterdrückung und Mord, welches nun, dank des neuen Präsidenten, Ausmaße annimmt, die langsam an ein Amerika vor der Bürgerrechtsbewegung und dem Ende der Segregation erinnern."

Nach diesem lächerlichen Satz kann man folgende Filmkritik eh nicht mehr ernst nehmen.