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Wie lebt es sich in Berlins Stresemannstraße 68-78? Regisseur Erik Lemke wohnt selbst dort und hat sich für seinen Dokumentarfilm gemeinsam mit André Krummel bei seinen Mitbewohnern umgesehen.

Berlin Excelsior (2017)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Menschen in der Wohnmaschine

Das Berliner Hotel Excelsior diente schon Vicki Baums gleich dreimal verfilmtem Kolportageroman Menschen im Hotel (1929) als Vorbild. Erik Lemke und André Krummel erforschen dessen Nachfolgebau.

Seinem Wortstamm nach verheißt der Name des Hotels etwas Ausgezeichnetes, etwas Herausragendes. Doch dort, wo das Luxushotel einst stand und weltstädtisches Flair verströmte, ragt heute ein schnöder Wohnkomplex in die Höhe. Zwischen 1905 und 1908 gegenüber Berlins Anhalterbahnhof errichtet und in den 1920er-Jahren durch eine Erweiterung zur größten Bettenbude des Kontinents aufgestiegen, fiel der Prachtbau wie so vieles in der Hauptstadt dem Weltkrieg zum Opfer. Zehn Jahre später wurden die letzten Überbleibsel endgültig abgetragen und zwischen 1966 und 1968 wurde eben jener Stahlbetonklotz hochgezogen, der bis heute den Namen Excelsiorhaus trägt.

Regisseur Erik Lemke wohnt selbst dort und nimmt das Gebäude gemeinsam mit Kameramann und Koautor André Krummel unter die Lupe. Die bewegte Geschichte des Hauses streift Lemkes dokumentarisches Langfilmdebüt nur am Rande. Eine kurze Montage aus alten Fernsehbeiträgen, die die hochtrabenden Baupläne, die bescheidene Umsetzung, den Verfall und Verkauf rekapituliert, muss als Hintergrund genügen. Denn Lemke und Krummel geht es um die Bewohner.

„Am Ende hatten wir 40 Protagonisten vor der Kamera, die in Berlin Excelsior vorkommen, und 44, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht dabei sind“, hat André Krummel in einem Interview gesagt. Als Zuschauer kommt einem die Zahl weitaus geringer vor, weil sich die Filmemacher auf einige wenige konzentrieren. In ihren Wohnungen spielt Krummels Kamera Mäuschen. Und das ist faszinierend mit anzuschauen. Ob Erzieher Norman, der von einer Karriere als Lifecoach träumt, ob Escort Michael, der sich seine Existenz schönredet, oder Ex-Revuegirl Claudia, die als Empfangsdame im Restaurant im Dachgeschoss arbeitet und sich selbstständig machen will – sie alle lassen uns an ihren Leben teilhaben, als ob nichts dabei und kein anderer anwesend wäre.

Lemke und Krummel haben sich für einen rein beobachtenden Ansatz entschieden. Weder ein erklärender Kommentar noch Nachfragen aus dem Off lenken ab, keine Einblendung verstellt den Blick. Echter Alltag statt gestellter Interviewparade. Nur der ab und an ironisch eingesetzte Fahrstuhljazz wertet das Gezeigte. Als verbindendes Glied dient Tausendsassa Richard, der als Fotograf und selbst ernannter Unternehmensberater seine stillen Kreise zieht, mal bei Claudia, mal bei Michael und Norman vorbeischaut. All die anderen Bewohner und die eine oder andere drängende Frage, etwa die nach den Mietpreisen angesichts der Tatsache, dass die Lage mit Blick auf den Potsdamer Platz seit der Wende stetig attraktiver wird, kommen dabei zu kurz.

Gern hätte man etwas mehr über den alten Künstler erfahren, der eine Couch von Hildegard Knef in der Wohnung stehen hat, oder über das verliebte italienische Paar, das sein Glück wie so viele in der deutschen Hauptstadt sucht. Für die meisten soll das Excelsiorhaus nur eine Durchgangsstation auf dem Weg nach oben sein, dabei dürfte es für manche in diesem Film eher in die entgegengesetzte Richtung gehen. Davon entmutigen lässt sich dennoch keiner.

Berlin Excelsior (2017)

Früher war der anonyme Stahlbetonbau des Berliner Exclesior das größte Wohn- und Geschäftshaus der Stadt, heute ist es für viele seiner Bewohner nur noch eine Zwischenstation auf dem Weg nach oben. In ihrem Dokumentarfilm „Berlin Excelsior“ haben der Regisseur Erik Lemke und sein Co-Drehbuchautor und Kameramann André Krummel Bewohner des Hauses aufgesucht und mit ihnen gesprochen über das, was ihr Leben jetzt gerade in diesem Moment ausmacht und was sie sich erhoffen und erwünschen. 

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