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In Rainer Werner Fassbinders Nachkriegsdeutschlandporträt „Lola“ dringt ein unbestechlicher Baudezernent in die moralischen Abgründe einer bayerischen Kleinstadt vor. Der eingeschworenen Gemeinschaft ist seine korrekte Art ein Dorn im Auge. Aber wer mit Geld nicht käuflich ist, ist es mit Liebe.

Lola (1981)

Eine Filmkritik von Jelena Čavar

Die kleinkarierte Moral der Provinzstadt

Deutschland in den 1950er Jahren. Das Wirtschaftswunder der vergangenen Jahre macht sich bemerkbar, überall wird umgewidmet und gebaut, jeder bemüht sich mit allen Mitteln um das größte Stück vom Kuchen. Da trifft es sich gut, dass die bayerische Kleinstadt Coburg einen neuen Baudezernenten bekommt. Herr von Bohm (Armin Mueller-Stahl) wirkt sehr bemüht, freundlich und ist stets korrekt. Ein Bürokrat, wie er im Buche steht. Beschrieben wird er als jemand, der „mitreißend ist, jedenfalls nicht korrupt.“ Alles Charaktereigenschaften, die nicht ideal zur moralisch verkommenen und eingeschworenen Dorfgemeinschaft – oder wie sie sich selbst nennen: „Machtelite der Stadt“ – passen.

Diese „Machtelite der Stadt“ besteht aus dem Bankdirektor, dem Polizeipräsidenten, dem Bürgermeister und dem Bauunternehmer Schuckert (Mario Adorf). Letzterer besitzt zudem das ortsansässige Bordell Villa Fink, in dem Lola (Barbara Sukowa) singt, tanzt und arbeitet. Lola ist bei den Herren beliebt und stadtbekannt. Außerdem ist Lola geschäftstüchtig und ehrgeizig, aber vor Gefühlen nicht gefeit. Es dauert nicht lange, bis auch der neue Stadtbewohner von Bohm auf sie aufmerksam gemacht wird. Die beiden beginnen – wenn auch äußerst zögerlich – eine Liebesbeziehung, die natürlich nicht lange gut gehen kann, da sie nicht im Interesse von Schukert ist. Dieser sucht einen Weg, von Bohm dazu zu bringen, bei seinen illegalen Machenschaften mitzuspielen. 

Für Rainer Werner Fassbinder war Lola eine weitere filmische Auseinandersetzung mit dem Nachkriegsdeutschland seiner Kindheit und Jugend. Unverkennbar ist der Film auch eine filmische Hommage an Josef von Sternbergs Klassiker Der blaue Engel. Erschienen 1981, ist Lola einer der letzten Filme von Fassbinder und nach Die Ehe der Maria Braun und Die Sehnsucht der Veronika Voss der Abschluss seiner BRD-Trilogie. Wie in diesen Werken fängt er in Lola das Wesen der typischen durchschnittlichen Kleinstadt ein und entlarvt dabei all ihre sozialen und gesellschaftlichen Mechanismen. Sein Westdeutschland der 1950er Jahre verschwendet keinen Gedanken an den ein Jahrzehnt zurückliegenden Krieg.

Armin Mueller-Stahls eisblaue Augen werden von der Kamera immer sehr effektiv ausgeleuchtet und in vielen Detailaufnahmen in Szene gesetzt, ohnehin verdient Xaver Schwarzenbergers exzellente Kameraführung eine besondere Erwähnung. Der Film bleibt mit seiner Farbgestaltung sowohl im Werk Fassbinders als auch im Werk Schwarzenbergers in Erinnerung: Bonbon- und Neonfarben dominieren fast in jeder Einstellung. Regenbogen- und Pastellfilter vor der Linse schaffen wunderbar stimmungsvolle Atmosphären. Ein weiterer Höhepunkt ist natürlich der Cast. Neben den wunderbar besetzten Hauptrollen mit Armin Mueller-Stahl und Barbara Sukowa ist es auch eine große Freude, dem von Mario Adorf verkörperten Schukert zuzuschauen.

Die DVD-Neuerscheinung Lola bietet einen hervorragenden Anlass, einen weniger bekannten und nichtsdestotrotz hervorragenden Film aus dem Werk des begnadeten Regisseurs und messerscharfen Beobachters Rainer Werner Fassbinder neu oder wiederzuentdecken. Die Sichtung dieser sozial-kritischen Gesellschaftsstudie über die Menschen einer Kleinstadt, die gerade beginnen, nach vorne zu blicken und die Trümmer des Zweiten Weltkriegs hinter sich zu lassen, ist sehr lohnend. Die finanziellen Möglichkeiten, die ihnen die freie Marktwirtschaft bietet, sind einfach zu verlockend. Dass hier ein wenig die Moral auf der Strecke bleibt, daran stößt sich niemand. Und diese Thematik ist immer aktuell.

Lola (1981)

Der neue Baudezernent, Herr von Bohm, tritt in Coburg 1957 sein Amt an. Mit seiner korrekten Art und vor allem seiner Unbestechlichkeit macht er sich nicht nur Freunde in der Kleinstadt, in der man sich gegenseitig die profitablen Happen des Wirtschaftswunders der Adenauer-Ära zuschiebt. Schließlich rasselt er mit dem Baulöwen Schuckert aneinander.

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