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„Du stehst doch auf Trash“, drücken mir die Kino-Zeit-Herausgeber eine Ansichts-DVD in die Hand, „dann ist das vielleicht was für dich!“ Die beiden haben mich durchschaut: Ja, ich habe durchaus ein Faible für Trashfilme, da kann ich mir auch Pottoriginale-Roadmovie ansehen. War aber ein Fehler.

PottOriginale Roadmovie

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Pott in die Tonne

Ruhrgebiet: Da sind Autos wichtig und Fußball, Bier und Currywurst. Aber es muss das richtige Auto sein: Ein Opel Manta, kein Kadett. Der richtige Verein: VfL Bochum, nicht Schalke. Das richtige Bier: Die Moritz Fiege-Brauerei scheint den Film erst zu dem gemacht zu haben, der er ist. Currywurst – na ja, da isses wurscht. PottOriginale-Roadmovie ist eine Feier des echten, wahren Ruhrgebietsmenschen, bzw.: Regisseur Gerrit Starczewski verklärt die Klischees und bestätigt sie radikal. Das ist recht schwer erträglich, wenn man nicht selbst diesem Pottklischee entspricht.

Der eine der Protagonisten heißt VfL Jesus, der andere Tankwart a. D., gemein ist ihnen die Bochumkluft, der Hass auf Dortmund- und Schalkefans, die Liebe zum Rumhängen, Rumlabern, Rumbumsen. VfL Jesus, über 50, mit blondierten langen Haaren, sieht aus wie ein Heavy Metal-Wrack aus den 80ern, sein Kumpel Tankwart a. D. ist ein versoffener Opa. Beide gibt es wirklich, sie spielen sich mehr oder weniger selbst, sie sind zwei der PottOriginale, die Starczewski in seinen dokumentarischen Porträts eingefangen hat, die diesem Spielfilm vorangingen: Und wahrscheinlich hätte er es besser bei der dokumentarischen Form belassen, in denen er seine Helden des Ruhrpotts feiert. Jetzt aber hat Starczewski für seine Protagonisten eine Art Handlung zusammengeschustert, es geht um 346 Millionen D-Mark, an die VfL Jesus und Tankwart a. D. kommen und hinter denen diverse andere auch her sind. Das unterscheidet sich eigentlich nicht vom Tommy- und Mike-Spektakel Zwei Nasen tanken super, sieht freilich lange nicht so gut aus, wird dafür aber als besonders Pott-authentisch dargestellt.

Wobei die Authentizität sich vor allem darin erschöpft, dass die Darsteller – fast alle Laien – irgendwie vor der Kamera stehen und irgendwas reden; gerne mit vielen Redundanzen und Herumeiern, und danach, nach dem Labern, machen sie irgendwas, aber das auch nur halb, weil ja wieder gelabert werden muss. Irgendwann kommt ein Kadettfahrer und macht die beiden überzeugten Mantajünger an, ey hömma ey, und das anschließende obligatorische Autorennen ist dermaßen jämmerlich gedreht und nach gefühlt zwei Sekunden vorbei, dazu noch völlig ohne Sinn und Zweck. Selbst für die bröseligen Reste an Dramaturgie, die man finden könnte, ist es schon traurig.

Das Pottleben muss, will man dem Film glauben, von unendlicher Langeweile sein. Der Alkohol hilft, dem Tankwart a. D. im wirklichen Leben reichlich zuspricht – diverse Anekdoten schildert der Regisseur auf der Homepage zu seinem Film. Zusammengehalten werden die Film-Episoden durch Moderationen von Klaus Fiehe, dem als „die Stimme des Ruhrgebiets“ gepriesenen 1Live-Moderator. Der erzählt zwar auch nur das, was wir alle schon wissen, aber immerhin ist das die einzig gute Idee des Films: Dass Fiehe als DJ den Soundtrack des Films auflegt, zwischen modernem Krautrock und Elektronik.

Grundsätzlich geht es um 300+ Millionen Mark, die der Sponsor von Westfalia Herne, ein Tankstellenbetreiber namens Erhard Goldbach – zudem Puffbesitzer, in denen er lokale Politiker verwöhnen ließ – in den 1970ern dem deutschen Staat in einem enormen Steuerbetrug klaute. Und die, so der Film, von seinen beiden trotteligen Helden gefunden werden. Was im übrigen die nicht unwichtige Frage aufwirft: Wenn diese Ruhrpott-Legende hier geadelt wird, wie der Herr Goldbach mit seinem Geld den Kleinverein fast bis in die 1. Liga gedopt hat – was ist dann der Unterschied zu heute so verhassten Vereinen wie Red Bull-Leipzig oder SAP-Hoffenheim? Darum nämlich geht es im Kern des Films: Um die authentische Kultur des Echten und Wahren, die der Regisseur in seinen Protagonisten sieht. Dass darin irgendwo das Unwahre und Falsche steckt, wird völlig übersehen.

Wie sich alle in Pose werfen, wie die Pott-Originale halt doch vor allem genau das sind, was man sich unter Unterschichts-Assis vorstellt, wie sie sich auch ganz genau so verhalten und nun meinen, ohne Geld und Talent einen Film auf die Beine zu stellen! Was als super-unkonventionell angesehen wird, ist eigentlich nur – excuse my french – abgelutschtes Rumgewichse in einer Länge von über zwei Stunden. Die Standards von Krimikomödien werden mit den Standards von Volksschwänken versetzt, stolz erklärt man das zu einer Mischung aus Bang Boom Bang und Manta Manta, aber beide Vorbilder werden nicht nur nicht erreicht: eigentlich geht’s in die falsche Richtung.

„Der alte Film ist tot, wir glauben an den Neuen“ – im Motto des Abspanns zitiert Starczewski das Oberhausener Manifest, das ist fast schon frech, wirkt aber dann doch eher als notdürftige Nach-Erklärung dafür, dass der Film so dilettantisch ist. Improvisiert, unkonventionell gedreht – das sind die Pfunde, mit denen PottOrginale-Roadmovie wuchert. Wenn man aber ansieht, was die German Mumblecore-Regisseure in Sachen Unkonventionalität und Improvisation machen: Die nämlich das, was unwichtig ist, einfach aus ihren Dialogen radikal raushauen und die damit Tempo und Timing in ihre Filme reinbringen. Oder wenn man sich ansieht, was Helge Schneider macht, der ja seine Protagonisten auch unendlich labern lässt: Der aber genau dieses Labern als absurde Kommunikationssituation herausstellt („Wetter, was?“ – „Ja, Wetter!“) – dann ist es eben die grundfalsche Herangehensweise, die Starczewski gewählt hat: „Einfach machen!“, lautet sein Motto. Was er übersieht: Dazu gehört auch „einfach können“.

PottOriginale Roadmovie

Die Ruhrpott-Originale VfL Jesus und Tankwart a. D. kommen zufällig an 346 Millionen D-Mark aus einem Steuerbetrug, hinter denen aber natürlich auch Andere hinterher sind.

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Meinungen

VfL Tom · 22.07.2020

Abgrundtief schlecht dieser Film. Langweilig, peinlich und zum fremdschämen. Frei von Handlung und Niveau. Das soll Kult sein ?