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Im Umfeld der 68er-Bewegung gerieten „Sympathisanten“ der RAF ab 1968 zusehends ins Visier der Ermittler. Angeheizt durch die Springer-Presse und die Terrorwelle der Baader-Meinhof-Bande mussten sich bald auch Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta vor dem Staatsschutz erklären.

Sympathisanten (2017)

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Aus einem deutschen Leben

Genau 20 Jahre ist sie jetzt offiziell schon tot: Die sogenannte Rote Armee Fraktion (RAF), das blutrünstige Schreckgespenst der alten BRD. Einfach so, per achtseitigem Fax an die Nachrichtenagentur Reuters, hatte sie sich 1998 wie aus dem Nichts selbst aufgelöst: „Heute beenden wir dieses Projekt“. Dabei war die Baader-Meinhof-Gruppe – und deren zweite und dritte Generation – ausgehend vom Epochenjahr 1968, inklusive vieler sozialrevolutionärer Ideen, doch einst in den blutigen 1970er Jahren parallel zum Staatsfeind Nummer eins aufgestiegen: Mit reichlich Rückenwind der „Sympathisanten“, also teilweise sogar durch die offenkundige Unterstützung durch einige Vertreter aus dem künstlerisch-kreativen und vor allem links-liberalen Umfeld der Gesellschaft.

Der Kölner Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll („Krieg der sechs gegen sechzig Millionen“) zählte zu ihnen. Auch weitere prominente Schriftsteller, Universitätsprofessoren, SPD-Redenschreiber, Publizisten oder Studentenaktivisten – von Peter Schneider über Herbert Marcuse und Peter Brückner bis hin zu Daniel Cohn-Bendit und Erich Fried – machten längere Zeit keinen allzu großen Hehl aus ihrer Sympathie für den „politischen Befreiungskampf“, wie das in der damaligen Sprache genannt wurde. Doch dann kamen jede Menge Waffen ins Spiel, schneller als viele anfangs gedacht hatten, zahlreiche Geiselnahmen wie Guerillaaktionen waren die Folge, die in den 1970ern nicht nur den Kanzler und Innenminister zeitweilig außer Atem brachten, sondern auch Millionen von Fernsehzuschauern, bis es schließlich die ersten Mordopfer gab und die RAF in den Untergrund abwanderte. 

Auf eben jene „Sympathisanten“ stürzt sich nun auch der renommierte Dokumentarfilmer, Historiker und Spezialist für Zeitgeschichte Felix Moeller (Verbotene Filme/Harlan – Im Schatten von Jud Süß/Hildegard Knef – Die frühen Jahre) in seinem neuesten Film, der die schon damals nicht unumstrittene Bezeichnung bereits im Titel trägt: Sympathisanten – Unser deutscher Herbst. Zugleich ist seine neue Arbeit ein Stück weit persönliche Teufelsaustreibung innerhalb seiner eigenen, mehr als nur filmaffinen Familie. Denn als Kind von Margarethe von Trotta, die zum Beispiel mit Das zweite Erwachen der Christa Klages (1978), Die bleierne Zeit (1981) oder Heller Wahn (1983) selbst in dieser Zeit aufregende Spielfilme zu jenen allgegenwärtigen Terrorismus-Debatten lieferte, hat der Münchner Filmemacher vieles im Umfeld jener innerdeutschen Hexenjagd auf Künstler und Intellektuelle leibhaftig miterlebt. Das Private war eben gerade um 1968 herum besonders politisch – und umgekehrt. 

Zugleich ist Felix Moeller der Stiefsohn Volker Schlöndorffs, der wiederum ebenso als bedeutender Vertreter des Neuen Deutschen Films einige wegweisende Filme zum selben Themenkomplex beigesteuert hatte: Und so überrascht es sicherlich nicht, dass beispielsweise Angela Winkler plötzlich als vermeintliche Terroristen-Braut widerkehrt (aus Schlöndorffs heftig attackierter Böll-Adaption Die verlorene Ehre der Katharina Blum) oder sich Moeller ebenfalls reichlich aus dem grandiosen Omnibusfilm Deutschland im Herbst bedient, um damit seinen eigenen Film punktuell anzureichern, was allerdings nahezu durchweg perfekt gelingt. 

Überhaupt sorgt gerade dieser facettenreiche Materialmix aus zahlreichen Fernseharchiven, klug ausgewählten Statements sowie dramaturgisch punktgenau verwendeten Spielfilmausschnitten immer wieder dafür, dass Felix Moellers an sich ziemlich intim angelegte Familiengeschichte ausgehend von Margarete von Trottas privaten Tagebuchaufzeichnungen ebenso als gesellschaftspolitischer Diskurs-Film überwiegend gut funktioniert. Trotz kleinerer Längen und nicht durchweg überzeugenden O-Ton-Gebern (wie etwa Marius Müller-Westernhagen oder René Böll), gelingt es Felix Moeller im Speziellen durch von Trottas ungemein zeitgeistige Notizen, die seine Mutter obendrein aus dem Off selbst liest, jeden zeithistorisch interessierten Zuschauer ziemlich schnell in diese überaus wild-turbulenten 1970er Jahre in Deutschland zurück zu katapultieren. 

Ohne je eine klare Antwort geben zu wollen, warum es überhaupt in jenen Jahren zu einer derart explosiven, emotional hoch aufgeladenen Grundstimmung in der „alten“ Bundesrepublik kommen konnte, ist dem versierten Historiker auch mit Sympathisanten – Unser deutscher Herbst ein weiterer gesellschaftspolitisch relevanter Dokumentarfilm gelungen, der sich lohnt. Vor allem jenes perfide Klima des gegenseitigen Denunziantentums sowie das mediale Feuergefecht auf nahezu allen Fronten zwischen „Springer“ und „konkret“ 

wurde seltener so aufregend in eine lange dokumentarische Form gebracht. Oder kurzum: Was später als „Marsch durch die Institutionen“ in das kulturelle Gedächtnis einging, begann ideologisch gesprochen genau hier. Zugleich unterstreicht Moellers engagierter Familienfilm mit zeithistorischem Mehrwert im Grunde nur, dass diese komplexe Verzahnung aus „Sympathisantentum“, Ex-Studenten, Künstlern und vielen stillen „Unterstützern“ aus dem Bürgertum, die konkret etwas verändern wollten, bundesrepublikanisch definitiv noch nicht aufgearbeitet ist.

Sympathisanten (2017)

In seinem Film „Sympathisanten“ beschäftigt sich Felix Moeller mit jenen Künstler*innen und Intellektuellen, die 1977 in Verdacht gerieten, Unterstützer der RAF zu sein.

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