Mein Blind Date mit dem Leben (2017)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein Maulwurf sucht das Glück

Das ganze Leben steht ihm sperrangelweit offen: Saliya Kahawatte (Kostja Ullmann), Sohn eines aus Sri Lanka stammenden Vaters und einer deutschen Mutter, ist kurz davor, das Abitur zu meistern, als wie aus heiterem Himmel das Schicksal zuschlägt. Zuerst sind es Trübungen seines Sichtfeldes, dann breiten sich die blinden Flecken immer weiter aus, bis ein Augenarzt nur noch eine ernüchternde Diagnose stellen kann: Eine inoperable Netzhautablösung, verbunden mit einer Schädigung des Sehnervs, lassen von der ursprünglichen Sehkraft eines Gesunden nur noch 5% übrig – und selbst diese restliche Sehkraft existiert lediglich stark verschwommen. Salopp gesagt: Saliya ist blind wie ein Maulwurf. Und damit hat sich auch der Traum von einer Ausbildung zum Hotelfachmann erledigt. Eigentlich. Nur Saliya will genau das nicht einsehen, er will weder Telefonist in einem Callcenter noch Masseur werden, wie ihm der freundliche Sachbearbeiter in der Jobagentur rät. Also macht er sich daran, unermüdlich Bewerbungen zu schreiben – und lernt dabei, dass er besser fährt, wenn er seine Beeinträchtigung verschweigt. Wie durch ein Wunder und mit viel Übung und Disziplin gelingt es ihm, eine Ausbildungsstelle im berühmten Münchner Fünf-Sterne-Hotel Bayrischer Hof zu ergattern. Doch damit fangen die Probleme erst richtig an, denn in einem noblen Haus muss natürlich alles picobello sein – wie soll man das bewältigen, wenn man die Hand vor Augen nicht sieht und die gesamte Umwelt in einen undurchdringlichen Nebel gepackt ist? Aber zum Glück gibt es ja Freunde wie den charmanten Hallodri Max (Jacob Matschenz) und den afghanischen Spüler Hamid (Kida Khodr Ramadan), die bald hinter Saliyas Geheimnis kommen und diesen nach Kräften unterstützen. Und dann ist da noch die bezaubernde Laura (Anna Maria Mühe), in die sich Saliya … nun ja … verguckt.

Der Vorspann verspricht die magischen Worte „basierend auf einer wahren Geschichte“ und tatsächlich beruht das Drehbuch von Oliver Ziegenbalg und Ruth Toma auch auf der wahren Geschichte des „echten“ Saliya Kahawatte, dem im Alter von 15 Jahren die gleiche Diagnose widerfuhr wie seinem filmischen Alter ego. Am Ende beim Abspann sieht man gar, wie sich die beiden – die Filmfigur und ihr Vorbild – in die Arme fallen. An der Ernsthaftigkeit und Authentizität des Films wird diese finale Geste aber nicht liegen. Viel eher schon an dem durchaus vorhandenen Vermögen, aus einem schweren Schicksal eine leichte Komödie zu zaubern, die sich nicht nur in ihrer Charakterzeichnung, sondern auch in ihrer Botschaft („Du kannst alles schaffen, wenn du es nur genügend willst und bereit bist, mit unermüdlichem Fleiß und viel Disziplin alles zu geben“) deutlich an US-amerikanischen Vorbildern orientiert – inklusive des tiefen Falls des Helden und dessen wundersames Comeback nebst flammendem Appell ans Gewissen der enttäuschten Ausbilder.

Ebenso oberflächlich ist auch die Art und Weise der Auseinandersetzung mit Saliyas Beeinträchtigung: Immer wieder wechselt die Kamera für kurze Augenblicke in die Subjektive und drängt damit dem Publikum seinen Blick auf. Das ist zwar eindrucksvoll, aber jenseits formelhafter Beschwörungen, es dennoch schaffen zu wollen, erfahren wir nichts von seinem Fühlen, seinen Umgang, davon, wie sehr es schmerzen mag, einmal sehend gewesen zu sein und dann nicht einmal mehr jene klar erkennen zu können, die man liebt oder liebgewonnen hat. Stattdessen dient die Beeinträchtigung vor allem als die Handlung vorantreibendes Element, das dann und wann immer wieder für Lacher sorgt, wenn Saliya mal wieder gegen ein Hindernis stößt. Ein Umstand, den der Film aufgrund seines Tempos zwar gerne kaschiert, der aber vor allem in der nachträglichen Betrachtung wie ein Wermutstropfen erscheint.

Dass Mein Blind Date mit dem Leben trotz dieser Stolpersteine und des deutlichen Schielens über den großen Teich dennoch im Sinne einer unterhaltsamen Komödie gut funktioniert, liegt an einem sauber durchgetakteten, bisweilen aber etwas mechanisch erscheinenden Drehbuch mit einigen gut gesetzten Gags, die zumeist auf das Konto des Charmebolzens Max gehen. Vor allem aber ist es die Chemie zwischen dem Trio Kostja Ullmann, Jacob Matschenz und Anna Maria Mühe, die für einen vergnüglichen Kinoabend ohne allzu viel Tiefgang sorgt. Fünf Sterne, wie sich dies das prächtig ins Bild gesetzte Hotel Bayrischer Hof auf die Messingtafel am Eingang schreiben kann, sind es freilich nicht geworden, aber das Prädikat „routinierte Unterhaltung“ kann man dem Film schon verleihen – mit all seinen Implikationen. Und das ist angesichts vieler gescheiterter deutscher Komödien schon mal sehr beachtlich.
 

Mein Blind Date mit dem Leben (2017)

Das ganze Leben steht ihm sperrangelweit offen: Saliya Kahawatte (Kostja Ullmann), Sohn eines aus Sri Lanka stammenden Vaters und einer deutschen Mutter, ist kurz davor, das Abitur zu meistern, als wie aus heiterem Himmel das Schicksal zuschlägt.

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