The Third Murder

Mit der Wahrheit ist es so eine Sache. Woher weiß man, dass man sie gefunden hat? Und gibt es sie überhaupt, die eine Wahrheit? Oder legt sich nicht jeder seine eigene zurecht, die für ihn zwar gilt, die aber nicht allgemeingültig ist? Der Anwalt Tomoaki Shigemori (Masaharu Fukuyama) versucht es sich leicht zu machen und sagt, dass ihm die Wahrheit egal sei. Er will nur seinen Klienten vor der Todesstrafe bewahren und dafür genüge ihm die bestmögliche Verteidigungsstrategie, so erklärt er sein Motto einem jungen Kollegen. Natürlich ist auch das nicht die Wahrheit und irgendwann im Laufe des Films The Third Murder von Hirokazu Koreeda wird sich Shigemori das eingestehen müssen. Aber bis dahin ist es ein langer Weg, der über so einige Lügen führt.
Shigemori arbeitet sich am Fall von Misumi (Koji Yakusho) ab. Der hat seinen Chef umgebracht und die Leiche am Fluss in Brand gesetzt. Im Verhör mit der Polizei hat er die Tat gestanden. Bei der Vernehmung durch die Anwälte wechselt seine Geschichte jedoch so oft wie das Wetter an einem Frühlingstag. Mal hat er den Chef umgebracht, um ihn auszurauben. Mal behauptet er, die Frau des Toten habe ihn zu dem Mord angestiftet, um die Lebensversicherung zu kassieren. Dann soll es um Etikettenschwindel auf den Lebensmitteln gegangen sein, die im Unternehmen des Toten hergestellt werden. Jeder Zeuge, den der Anwalt befragt, trägt zudem eine andere Geschichte bei. Dieses Verwirrspiel erinnert kurz an Kurosawas Das Lustwäldchen, in dem die Wahrheit über einen Mord ebenfalls im Geflecht vieler Aussagen gesucht werden muss, die alle Sinn ergeben, sich aber alle eklatant widersprechen. Koreeda aber geht hier noch viel weiter. Der Film ist kein reiner Thriller, er ist eine philosophische Abhandlung über Schuld, Gewalt und die Leiden, die sich Menschen gegenseitig antun.

Für den Anwalt Shigemori hat der Fall nämlich auch eine persönliche Note. Bereits sein Vater hatte den nun abermals Angeklagten Misumi verurteilt. 30 Jahre ist es her, damals hatte der Mann zwei Geldeintreiber umgebracht. Und auch da wechselte das Motiv für den Mord in seinen Aussagen beständig. Shigemori versucht bei seinen Ermittlungen seine kühle ungerührte Fassade aufrechtzuerhalten, kann jedoch nicht umhin, sich immer tiefer in die Psyche des Angeklagten zu begeben und irgendwann doch energisch-verzweifelt um die Wahrheit zu ringen.

Diesen Kampf setzt Koreeda besonders geschickt auf der Bildebene um. Je dringlicher der Anwalt nun doch mit seiner Suche nach der Wahrheit und dem eigentlichen Motiv für den Mord sucht, desto dichter kommen sich die Gesichter der beiden Männer in der Besuchszelle. Dabei muss Shigemori feststellen, dass ihn in seiner Philosophie nicht so viel von Misumi unterscheidet. Die Glasscheibe, die Besucher und Angeklagten trennt, ist dann im Bild kaum noch wahrnehmbar, sie verschwimmt zu einer kaum sichtbaren Linie zwischen den Köpfen der beiden Männer. Anwalt und Angeklagter nähern ihre Gesichter immer weiter an, bis sie nur noch wenige Zentimeter trennen. Wenn Shigemoris Auffassung in diesem Raum richtig ins Wanken gerät, wechselt auch die Kameraperspektive. Dann verliert man kurz den Überblick, auf welcher Seite der Zelle man sich befindet, denn in der Reflexion der Scheibe überlagern sich beide Gesichter, bis sie teilweise miteinander verschmelzen.

Wie schon in seinen letzten Filmen Unsere kleine Schwester und Like Father, like Son erzählt Koreeda seinen Film in ruhigem Tempo und legt viel Wert auf die Dialoge. Untermalt wird das hier zudem von der langsamen Filmmusik des italienischen Minimalisten Ludovico Einaudi. Gerade diese Zurückgenommenheit unterstreicht die Intensität im Zusammenspiel von Fukuyama und Yakusho. Wenn die beiden Männer über die Todesstrafe diskutieren und darüber sprechen, wann ein Mensch „das Recht“ hat, einen anderen zu töten, wer sich überhaupt je zum Richter aufschwingen kann, wo doch selbst im Gerichtssaal nie die Wahrheit gesagt wird und ob es Menschen gibt, die besser nie geboren wären, dann sind diese Betrachtungen von ergreifender Intensität, die tiefer geht, als es mancher Thriller mit großen Effekten und lautem Soundtrack versucht.

The Third Murder

Mit der Wahrheit ist es so eine Sache. Woher weiß man, dass man sie gefunden hat? Und gibt es sie überhaupt, die eine Wahrheit? Oder legt sich nicht jeder seine eigene zurecht, die für ihn zwar gilt, die aber nicht allgemeingültig ist? Der Anwalt Tomoaki Shigemori (Masaharu Fukuyama) versucht es sich leicht zu machen und sagt, dass ihm die Wahrheit egal sei.
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