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The Little Hours feiert die erfrischende Banalität des sexuellen Alltags in einem Kloster, dessen Mauern so durchlässig sind, dass sie nicht mal einen Esel halten können.

The Little Hours (2017)

Eine Filmkritik von Lucia Wiedergrün

Heaven doesn’t give a shit!

14. Jahrhundert, Italien: Die ersten Strahlen der Morgensonne tauchen sanfte Hügel in gleißendes Licht, über das taufrische Gras läuft eine junge Nonne, an einem Strick führt sie einen Esel. Darüber liegt ein ätherischer Chorgesang. So beginnt Jeff Baenas Film The Little Hours. Eine gute Viertelstunde später sehen wir die Nonne, wie sie zusammen mit zwei ihrer heiligen Schwestern auf einen am Boden liegenden Mann eintritt und ihn mit Gemüse bewirft. Wie es dazu kommen konnte, lässt sich leicht erklären: den Nonnen ist langweilig.

The Little Hours erzählt von dem nicht ganz so beschaulichen Leben, das die Schwestern Alessandra (Alison Brie), Fernanda (Aubrey Plaza) und Ginevra (Kate Micucci) unter der Aufsicht der Oberschwester Marea (Molly Shannon) und des Pater Tommasso (John C. Reilly) in einem kleinen Konvent abgeschieden von der Außenwelt führen. Von dem Versuch, die Handarbeitserzeugnisse der Nonnen zu verkaufen, kehrt der Pater eines Tages zwar mit leeren Taschen – er hat im Suff die Sachen versehentlich im Bach versenkt –, aber dafür mit dem schönen Massetto (Dave Franco) zurück. Er soll die Stelle des zuvor von den Nonnen verprügelten Gehilfen übernehmen. Da dieser durch unzüchtige Blicke und Worte das Missfallen der Frauen auf sich gezogen hatte, stellt der Pater Massetto als taubstumm vor. Die darauf unvermeidlich folgenden sexuellen Wirren wandeln nur dem ersten Anschein nach auf den Spuren des Nunsploitation-Films der 1970er Jahre. Stattdessen scheint sich ein anderes Genre in den Vordergrund zu schieben: der Highschool-Film.

Irgendwo zwischen Alltagsslang und Soap-Dialogen klingen die Nonnen wie entnervte Teenager. Sie fluchen, nuscheln und nölen vor sich hin. Dieser Alltäglichkeit der Sprache entspringt die Komik des Films, aber auch sein politisch-emanzipatorisches Potential. Das Sprechen über Sex ist hier kein Tabubruch mehr, sondern immer schon Teil einer Alltagswelt, in der die Einstellung zu Sex irgendwo zwischen Langeweile und Neugier pendelt. Damit wird ausgerechnet das Kloster zum Ort der Entmystifizierung weiblicher Sexualität. Diese ist hier nicht mehr die große Unbekannte, das fremde Andere. Stattdessen ist weibliches Begehren hier genauso profan wie männliches. Selbst Fruchtbarkeitsrituale und Hexenzauber sind in The Little Hours nicht von dieser Banalisierung ausgenommen.

Damit wird die fehlende Grenzüberschreitung zum beherrschenden Prinzip des Films. Die völlige Konsequenzlosigkeit jeglichen Fehlverhaltens setzt sich in den weiten Bildern fort. Nie erweckt das Kloster ein Gefühl der Abgeschlossenheit oder Begrenzung. Wann immer eine der Schwestern zu nächtlichen Stelldicheins verschwindet, wird einfach der Esel bemüht, der nach seinem angeblichen Ausbruch wieder eingefangen werden muss. Der Esel wird damit eher zu einer Konvention als zu einem echten Alibi – wer geht, nimmt den Esel mit. Durch die fehlende Eingeschlossenheit innerhalb der Klostermauern fällt das ganze Konnotationsfeld unterdrückter, vor unerfüllter Leidenschaft und Begehren zerfressener Frauen weg. Stattdessen scheint es sich eher um gewöhnliche, junge Frauen in der Provinz zu handeln, die sich über jede Ablenkung eines ansonsten eher ereignisarmen Alltags freuen.
Aber die vielleicht größte emanzipatorische Leistung des Films ist seine bestechende Komik. Lachen befreit und das schönste an diesem Lachen ist, dass es so banal ist. Keine Schnappatmung, keine Schamesröte angesichts ausufernder Nonnenwitzchen, kein bemüht sozialkritischer Humor, sondern einfach: gute Pointen. Frauen und Sex – das ist leider in den meisten Komödien immer noch ein schwieriges Thema. Kaum ein Film findet einen entspannten Umgang, der nicht entweder auf den Wegen der Buddy-Komödie mit umgedrehten Rollen wandelt oder schon bei der Erwähnung von Frauen und Sex hysterisch wird. Jeff Baena und seinem großartiger Cast ist jedoch ein Film gelungen, der auf den ersten Blick nach netter Unterhaltung aussieht und erst auf den zweiten Blick offenbart, wie außergewöhnlich er gerade deswegen ist. The Little Hours ist ein alberner Film. Und das ist gut so.
 

The Little Hours (2017)

14. Jahrhundert, Italien: Die ersten Strahlen der Morgensonne tauchen sanfte Hügel in gleißendes Licht, über das taufrische Gras läuft eine junge Nonne, an einem Strick führt sie einen Esel. Darüber liegt ein ätherischer Chorgesang. So beginnt Jeff Baenas Film „The Little Hours“.

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