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Die Geburt eines Hollywood-Traumpaars und eines Prototypen des Kriminalfilms fallen in einem Film zusammen – Die Narbenhand ist endlich auch hierzulande auf DVD erschienen.

Die Narbenhand (1942)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Die Genese des Auftragskillers

Es gibt einige Filme, die längst nicht so bekannt sind, wie sie es verdient hätten – und in diese lange Reihe gehört zweifellos Frank Tuttles This Gun For Hire, der nun unter seinem deutschen Titel Die Narbenhand im Rahmen der Film Noir Collection von Koch Media endlich auf DVD verfügbar ist. Zwar ist er – rein filmisch betrachtet – nicht herausragend, sondern eher im guten Mittelfeld zu verorten –, aber filmhistorisch ist er sehr relevant: Verbindet er doch die Vorläufer des Gangsterfilms und Poetischen Realismus und schafft einen der wichtigsten Prototypen des Kriminalfilms: den eiskalten Profikiller.

Die Handlung von Die Narbenhand lässt sich folgendermaßen skizzieren: Der geheimnisvolle Raven (Alan Ladd) lebt in Los Angeles zur Zeit des Zweiten Weltkriegs in einem schäbigen Apartment und wird eines Tages mit dem Mord an einem vermeintlichen Erpresser beauftragt. Nach vollendeter Tat bemerkt er, dass er ausgetrickst werden soll und steckt mitten in einem Komplott, in dem eine fünfte Kolonne der Nazis eine wichtige Rolle spielt.

Im Hollywood des Jahres 1942 ist schon ein Auftragskiller als Titelfigur bemerkenswert, darüber hinaus aber ist Raven der erste hit man, der psychologisch ausgestaltet wird. Schon in der Einstiegssequenz wird daher deutlich gemacht, dass er nicht nur schlechte Seiten hat: Er ist in seinem Zimmer, als eine kleine Katze an sein Fenster kommt, er öffnet es und füttert sie. Als ein Zimmermädchen hinzukommt, das die Katze verscheuchen will, greift er die junge Frau an. Raven hat somit ein Herz für Katzen, auch verschont er ein wehrloses Kind, das ihn auf dem Weg zu dem Zimmer gesehen hat, in dem er seinen Mord begeht wird. Damit werden seine später deutlich werdenden psychopathischen Züge ausgeglichen, zumal er im Verlauf des Films an dem versehentlichen Tod einer anderen Katze weitaus mehr zu knabbern hat als den anderen Morden an Menschen. Außerdem haben die Drehbuchautoren Albert Maltz und W.R. Burnett als Erklärung für sein Verhalten und seine Berufswahl eine schlimme Kindheit ersonnen, in der Raven von einer bösen Tante misshandelt wurde. Sie hat ihm mit einem Bügeleisen die linke Hand zerschlagen, die in dem deutschen Titel fälschlicherweise als „Narbenhand“ bezeichnet wird (im zugrundeliegenden Roman von Graham Greene verunstaltet ihn eine Hasenspalte), – und seither übt er gemäß küchenpsychologischen Weisheiten Rache für diese Misshandlungen: Er tötet, um seine Verkrüpplung zu vergessen. Hier zeigt sich der Einfluss eines simplen Verständnisses Freuds, zudem sehnt sich Raven nach psychoanalytischer Heilung, er sagt, dass er jede Nacht träume und von einem Arzt gelesen habe, dem man seine Träume erzählen könne, damit man sie nicht mehr träumen müsse.

Zur weiteren Ausgestaltung dieser Rolle trägt das Schauspiel von Alan Ladd bei. Seine reduzierte Spielweise fügt sich hervorragend in den Charakter ein, anfangs ist sein Gesichtsausdruck stoisch, verzieht er nur sein Gesicht, als er den Abzug betätigt. Dann ziehen sich seine Mundwinkel leicht nach oben, zeigt sich der Anflug eines Lächelns, das der sadistische Mörder im Angesicht des Opfers empfindet. Doch durch die Bekanntschaft der singenden und zaubernden Entertainerin Ellen Graham (Veronica Lake), in die er sich verliebt, kommen mehr Nuancen hinzu. (Tatsächlich machte This Gun for Hire aus Alan Ladd und Veronica Lake ein Traumpaar in Hollywood.)

Raven ist somit nicht wirklich böse, aber natürlich auch kein guter Mensch. Er ist zögerlich, beherrscht von den Dämonen seiner Vergangenheit und zum Untergang verdammt. Das macht ihn zum perfekten Noir-Antihelden, unterscheidet ihn zudem deutlich von den Gangstern früherer Filme, die in Little Caesar (1931), The Public Enemy (1931) und Scarface (1932) dem Aufstiegsgedanken verbunden waren. Jedoch ist er noch etwas positiver gezeichnet als beispielsweise Cody Jarrett (James Cagney) in White Heat (1949, Raoul Walsh). Wenngleich Raymond Chandler über Alan Ladd gesagt haben soll, er sei „a small boy’s idea of a tough guy“, bringt Ladd gerade mit seiner starren Mimik und dem ruhigen, emotionslosen Sprechen ausreichend Rätselhaftigkeit in diese Figur des Auftragskillers. Ladd schließt hiermit an das Spiel Jean Gabins in den französischen Kriminalfilmen der 1930er Jahre an, in denen er Coolness, verwundbaren Nihilismus und verletzliche Männlichkeit verkörperte. Sie sind Männer, die vom Leben betrogen wurden.

Es ist dieser unterkühlte Habitus, der für den Auftragskiller prototypisch geworden ist. Daher ist Raven der Vorgänger für Alain Delon in Le Samouraï (Jean-Pierre Melville, 1967), Jean Reno in Léon (Luc Besson, 1994) und Forest Whitaker in Ghost Dog: Way of the Samurai (Jim Jarmusch, 1999). Zugleich weist Die Narbenhand schon auf die Welt des Film noir hin: Sie ist desolat, gefangen in einem Alptraum, aus dem es kein Erwachen gibt. Die Gesellschaft ist korrupt und profitgierig, das Individuum wird rücksichtslos ausgebeutet. Exemplarisch stehen hierfür Ravens Auftraggeber: Der Nachtclubbesitzer Willard Gates, der jede Frau begehrt, und Alvon Brewster, grotesk überzeichnete Karikatur eines wahnsinnigen Industriellen, gewissermaßen ein Vorgänger des Dr. Strangelove, ein Nachfahre des Dr. Mabuse. Und in dieser Welt ist Raven die nicht zu kontrollierende Komponente.
 

Die Narbenhand (1942)

Es gibt einige Filme, die längst nicht so bekannt sind, wie sie es verdient hätten – und in diese lange Reihe gehört zweifellos Frank Tuttles „This Gun For Hire“, der nun unter seinem deutschen Titel „Die Narbenhand“ im Rahmen der Film Noir Collection von Koch Media endlich auf DVD verfügbar ist. Zwar ist er – rein filmisch betrachtet – nicht herausragend, sondern eher im guten Mittelfeld zu verorten –, aber filmhistorisch ist er sehr relevant: Verbindet er doch die Vorläufer des Gangsterfilms und Poetischen Realismus und schafft einen der wichtigsten Prototypen des Kriminalfilms: den eiskalten Profikiller.

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