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Im Jahr 2019 feiert das Bauhaus 100. Geburtstag – und Niels Bolbrinker und Thomas Tielsch verbinden in ihrem Dokumentarfilm die Geschichte und Gegenwart der legendären Kunstschule mit ihren Auswirkungen für die Zukunft.

Vom Bauen der Zukunft - 100 Jahre Bauhaus (2018)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Blick zurück nach vorn

Das Ende des 1. Weltkriegs läutete auch in der Architektur die Moderne ein. Als Heimat der Avantgarde gilt bis heute das 1919 in Weimar gegründete, später in Dessau und für einen kurzen Zeitraum in Berlin angesiedelte Bauhaus. Walter Gropius und Wassily Kandinsky, Oskar Schlemmer und Paul Klee, Johannes Itten und Ludwig Mies van der Rohe lebten und lehrten hier. Obwohl das Bauhaus nur bis zum Verbot durch die Nationalsozialisten 1933 überdauerte, wirken seine Ideen bis heute fort.

Um uns diese wegweisende Schule nahezubringen, schlagen Niels Bolbrinker und Thomas Tielsch ganz klassische Wege ein. Lediglich in den eingefärbten Kapitelüberschriften und in Jarii van Gohls die Aufnahmen kontrastierende Musik schleicht sich ein Stückchen Avantgarde in diesen Dokumentarfilm. Der Rest ist eine Mischung aus gediegenem Off-Kommentar, Expertenaussagen und Archivmaterial, ruhigen Einstellungen und einem getragenen Schnittrhythmus.

Die Wucht, mit der die neue Formensprache die Etablierten und das Etablierte traf, lässt sich in den nüchternen Nacherzählungen nur erahnen. Die Konzepte und Ideen machen Bolbrinker und Tielsch hingegen anschaulich, auch weil Fachleute wie der Kultur- und Medienwissenschaftler, Stadtplaner und Architekt Stephen Kovats oder Torsten Blume, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bauhaus Dessau, sie am Objekt vorführen. Mit ihnen sitzen wir in Wohnräumen und Hörsälen, arbeiten in Werkstätten und kramen in Depots.

Erzählerisch fahren die Regisseure eine Doppelstrategie. Einerseits arbeiten sie sich chronologisch von den Anfängen und Umzügen über das Ende bis zum Nachhall der Bauhaus-Bewegung in der Historie vorwärts. Andererseits biegen sie auf diesem Zeitstrahl wiederholt ab, um Bezüge zu gegenwärtigen Entwicklungen aufzuzeigen. Dann sitzen wir mit der Kopenhagener Designerin Rosan Bosch in einer Schule ohne Klassenzimmer, schauen dem Creative Director, Tänzer und Choreografen Christian Mio Loclair beim Tanzen zu, erkunden mit dem Architekten Van Bo Le-Mentzel jeden pragmatischen Winkel seines platzsparenden und fahrbaren Minihauses oder durchstreifen mit den Architekturprofessoren Alfredo Brillembourg und Hubert Klumpner den baulichen Wildwuchs südamerikanischer Armenviertel.

Wie das Zusammenleben und Bauen in Zukunft aussehen könnte, verraten uns vor allem die drei Letztgenannten. Während Le-Mentzel eine kostengünstige Alternative für überteuerte Großstädte aufzeigt, denken Brillembourg und Klumpner mit ihren Projekten klug über die Infrastruktur nach. Wo in dicht besiedelten Randlagen der Platz fehlt, bauen die beiden ihre öffentlichen Sportstätten mit sozialer Funktion einfach in die Höhe. Mit Rolltreppen und Seilbahnen binden sie abgehängte Quartiere wieder ans Gemeinwesen an. Vor allem aber setzen sie auf vorhandene Strukturen, anstatt die Fehler ihrer Vorgänger zu wiederholen und Altbewährtes einer neuen Ideologie zu opfern.

Leider endet der Film just in seinem spannendsten Moment, wenn es um Zukunftsentwürfe für unsere eigenen Städte und Metropolen geht. Letztlich wollen Bolbrinker und Tielsch zu viel, weil angesichts des anspruchsvollen historischen Abrisses Gegenwart und Zukunft des Bauens stets ein wenig zu kurz kommen. Dafür hätte es deutlich mehr Laufzeit oder gleich eines zweiten Films bedurft. Der Titel verspricht zumindest deutlich mehr, als er halten kann.

Vom Bauen der Zukunft - 100 Jahre Bauhaus (2018)

1919 wurde das Staatliche Bauhaus von Walter Gropius in Weimar als Kunstschule gegründet. In seiner damals einzigartigen Verbindung von Kunst, Design, Architektur und Handwerk setzet es damals — und bis heute — Maßstäbe und hatte auf die Welt der Kunst und der Gestaltung einen ungeheuren Einfluss. Nach Umzügen — zuerst nach Dessau, dann nach Berlin — existierte das Bauhaus bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933. Anlässlich des einhundertsten Geburtstags der Institution begeben sich die beiden Filmemacher Niels Bolbrinker und Thomas Tielsch auf Spurensuche.

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