Log Line

Wenn die Familie zum Kultobjekt und die Kinder zum Fetisch werden, dann entstehen Abgründe, denen sich das Kino immer schon mit viel Hingabe gewidmet hat. Mit Brian Taylors „Mom and Dad“ geht ein weiterer Film der Frage nach, was passiert, wenn in der Enge der eignen vier Wände aus Liebe Hass wird.

Mom and Dad (2017)

Eine Filmkritik von Lucia Wiedergrün

Die Rache der Helikopter-Eltern

Brent (Nicolas Cage) und Kendall (Selma Blair) waren jung, heiß und hatten Pläne. Dann kamen die Kinder und jetzt, eine Pubertät später, leben sie in einer amerikanischen Vorstadtsiedlung mit gleichaussehenden weißen Häusern, die an Schuhkartons erinnern.

Brent träumt von dem Auto seiner Jugend und versucht dabei nicht andauernd über das im ganzen Haus verteilte Spielzeug seines Sohns Josh (Zackary Arthur) zu fallen, während seine Frau Kendall erkennen muss, dass ihr kleines Mädchen Carly (Anne Winters) inzwischen erwachsen ist und ihr Leben nicht mehr mit Mama teilen möchte. Der Versuch, im Fitnessstudio den Alterungsprozess des eigenen Körpers aufzuhalten, kann da auch keine Lebenserfüllung bieten. In diesem Umfeld des klassisch filmischen Familienwahnsinns bricht eine kollektive Hysterie aus, in der Brent, Kendall und all die anderen alltagsgeplagten Vorstadteltern nur noch ein Ziel haben: ihre Kinder möglichst zeitnah unter die Erde zu bekommen.

Es mag kaum überraschen, dass die hereinbrechende Elternapokalypse Ähnlichkeiten mit den Aufnahmen hat, die man von amerikanischen Konsumgroßveranstaltungen wie dem Black Friday kennt, wo sich Menschen – dem Versprechen „80% auf alle Küchengeräte!“ folgend – wegen eines Mixers mit Pürierstäben die Köpfe einschlagen. In einer Welt, in der gilt: wer liebt, der kauft, wird auch die Familie zum Konsumgut. Und gerade die Werbung hat fleißig daran gearbeitet, ein klar umrissenes Bild glücklicher, gesunder Kernfamilien zu entwerfen.

Brian Taylor, der vor allem durch seine Actionkomödie Crank (2006) einige Berühmtheit erlangt hat, entwirft nun mit Mom and Dad eine Thriller-Komödie, die mit sichtlicher Freude der Überlegung nachgeht, wie es wohl aussehen könnte, wenn sich die ganzen unterdrückten Gefühle der Toffifee-, der Milchschnitte- und der Persil-Familie sowie ihrer amerikanischen Pendants auf einmal entladen. Dabei wird all der sorgsam zum Nestbau angeschaffte Hausrat, der in sich schon ein großes Frustrationspotential bereithält, da er im echten Leben natürlich nie so reibungslos funktioniert wie in der Werbung, plötzlich zu potentiellen Mordwerkzeugen, um sich des eigenen Nachwuchses zu entledigen. Dieser Familienkrieg hinterlässt rote Flecken, die kein Waschmittel ohne weiteres wieder entfernen kann. 

Es macht Spaß, dieser zwar nicht ganz neuen, aber mit einiger Begeisterung umgesetzten Idee zuzuschauen. Gerade weil man Selma Blair und Nicolas Cage die Kleinstadtfrustration und den zunehmenden Wahnsinn der Worte “Ich liebe meine Kinder über alles!“ so gut abnehmen kann. Und auch weil der Film seiner Idee so konsequent treu bleibt. Ganz dem Werbeversprechen “your home is your castle“ entsprechend spielt sich der Horror immer nur im Rahmen der engen Grenzen der Kernfamilie ab. Der Gartenzaun ist das Ende der eigenen Welt. Auch der filmische Rhythmus folgt mit einer ungewöhnlichen Formstrenge dieser Idee. Auf lange Einstellungen, in denen die Zeit gedehnt wird, bis die Ereignislosigkeit unangenehm spürbar wird, folgen blitzschnell Momente des Chaos und der Gewalt. Schnelle Schnitte und lauter Sound wechseln sich mit den eng fokussierten Aufnahmen der angespannten Langeweile ab.

Damit findet Mom and Dad von Anfang an den richtig Rhythmus, um die träge Ereignislosigkeit und die unterdrückten Wünsche des konservierten Vorstadtlebens erfahrbar zu machen. Die Verquickung von Werbeästhetik und Slasher macht durchaus Spaß, allerdings hat die Strenge der Form auch Nachteile. Sowohl der Verlauf der Geschichte als auch das rhythmische Konzept des Films werden in den ersten Minuten etabliert und der Film weicht keinen Moment mehr davon ab. Der Film hält, was der Titel verspricht, aber nach unterhaltsamen 85 Minuten ist man auch ganz froh, dass Mom and Dad die 90 Minuten Laufzeit nicht überschreitet.

Mom and Dad (2017)

Als eine Massenhysterie ausbricht, durch die sich Eltern gegen ihre eigenen KInder wenden, kämpfen zwei Geschwister um ihr Überleben.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen