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Kann Drehbuchautor Drew Goddard nach seinem cleveren Regiedebüt, dem Meta-Schocker The Cabin in the Woods, den Ruf als pfiffiger Spannungsexperte auch mit seinem neuen Mystery-Thriller bestätigen?

Bad Times at the El Royale (2018)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Unheilvolle Zusammenkunft

Mit dem augenzwinkernden Meta-Horrorfilm The Cabin in the Woods konnte Drehbuchautor Drew Goddard viele Genrefans für sich gewinnen. In seinem Regiedebüt spielte der unter anderem für diverse Lost-Folgen verantwortliche Amerikaner auf erfrischende Weise mit den Konventionen des Angst- und Spannungskinos und servierte seinem Publikum so manche Überraschung. Entsprechend groß waren die Erwartungen an seinen nächsten Spielfilm, der diverse rätselhafte Figuren in einem abgelegenen Hotel zusammenbringt. „Bad Times at the El Royale“ ist ein unterhaltsamer Mystery-Thriller, der mit Liebe zum Detail die Zeit der ausgehenden 1960er Jahre beschwört und seinem prominenten Cast eine große Bühne für einprägsame Darbietungen bereitet.

Als die Sängerin Darlene Sweet (Cynthia Erivo) und der Priester Daniel Flynn (Jeff Bridges) das auf der Grenze zwischen Kalifornien und Nevada liegende El Royale betreten, treffen sie in der Eingangshalle auf den dampfplaudernden Handelsvertreter Laramie Seymour Sullivan (Jon Hamm), der sich bislang vergeblich nach einem Hotelbediensteten umgesehen hat. Irgendwann erscheint jedoch der offenbar einzig verbliebende Angestellte Miles (Lewis Pullman) und gibt den neuen Gästen eine kurze Einführung in die altehrwürdige Herberge, deren beste Tage schon vorüber sind. Mit einer eleganten jungen Frau (Dakota Johnson) schlägt außerdem noch eine mysteriöse Fremde auf, die ebenso wie die anderen Anwesenden etwas im Schilde zu führen scheint. Sullivan taucht schließlich als Erster in die dunkle und geheime Welt der Unterkunft ein.

Der Handlungsabriss fällt bewusst vage aus, da die Noir-Geschichte nicht zuletzt von ihren Offenbarungen, Wendungen und ihren plötzlichen Gewalteruptionen lebt. Will man Bad Times at the El Royale in vollem Umfang genießen, sollte man einen Bogen um Trailer oder Inhaltsangaben machen, selbst wenn manche Enthüllungen durchaus abzusehen sind. Goddard, der auch das Drehbuch schrieb, bringt ein knisterndes, manchmal erstaunlich amüsantes Kammerspiel ins Rollen, dessen Prämisse an John Mangolds Mindfuck-Psychothriller Identität erinnert und das unübersehbar vom Schaffen Quentin Tarantinos beeinflusst wurde. Trotz dieser Bezüge und einiger Standardsituationen gelingt es dem Regisseur, etwas Eigenständiges zu erschaffen und den Zuschauer in den Sog der unheilvollen Ereignisse hineinzuziehen.

Anders als viele ähnlich gelagerte Filme benutzt Bad Times at the El Royale die Protagonisten nicht bloß als Schachfiguren in einem perfiden Rätselspaß, sondern nimmt sich durchaus Zeit, um ihre Hintergründe in Rückblenden zu erforschen und ihre aktuelle Stimmungslage einzufangen. Mehr als einmal bremst Goddard seine fast zweieinhalbstündige, in Kapitel unterteilte Erzählung aus und fördert einige überraschend emotionale Augenblicke zu Tage. Haften bleiben besonders die Gespräche zwischen Darlene Sweet und Daniel Flynn, in denen eine ungeahnte Verletzlichkeit zum Vorschein kommt.

Ein tiefschürfendes Charakterdrama sollte man freilich nicht erwarten, wie auch die Beispiele des von Chris Hemsworth lustvoll diabolisch verkörperten Billy Lee und des Hotelangestellten Miles beweisen, dessen Trauma im beklemmend-unheimlichen Showdown eine größere Rolle spielt. Mit kleinen, geschickten Strichen wirft der Film allerdings ein interessantes Panorama der Laster, Verführungen und Verletzungen an die Wand, das dem Zeitgeist der späten 1960er Jahre pointiert Rechnung trägt. Geschickt werden damalige Ereignisse und gesellschaftliche Befindlichkeiten in den Plot integriert, wobei eines der zentralen Geheimnisse – Stichwort: Filmrolle! – nicht abschließend geklärt wird. Wer das Geschehen jedoch aufmerksam verfolgt, dürfte Hinweise entdecken und in eine bestimmte Richtung deuten können.

Zu den Qualitäten von Goddards zweiter abendfüllender Regiearbeit zählen zweifelsohne auch das aufwendige Retro-Szenenbild, das dem titelgebenden Schauplatz eine urige Aura verleiht, und die prägnant-stimmungsvoll eingesetzten Musiktitel. In einer der stärksten Szenen liefern die kraftvoll singende Cynthia Erivo und Jeff Bridges ein wahrlich mitreißendes Zusammenspiel ab, das viel über den Einfallsreichtum von Bad Times at the El Royale verrät.

Bad Times at the El Royale (2018)

„Bad Times at the El Royale“ ist ein Thriller der in den 1960er Jahren in einem heruntergekommenen Hotel am Lake Tahoe in Kalifornien spielt.

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Meinungen

Martin Zopick · 27.05.2022

In einem leeren Hotel (Titel) checken sieben Gäste ein. Eine wild zusammengewürfelte Truppe, jeder von ihnen schleppt eine heftige Vergangenheit mit sich rum. Alle reisen inkognito oder verheimlichen ihren Namen. Sobald sie auf ihren mit Wanzen gespickten Zimmern sind, beginnen sie mit unvorhersehbaren Aktivitäten. Die hervorstechendste ist unverhofft einen der Gäste zu erschießen oder eine Foltertortour anzuleiern.
Die stets im Raum stehenden Erschießungen sollen wohl Spannung erzeugen, denn es kann und wird jederzeit einer umgebracht. Das nutzt sich ab. Wären da nicht die guten Darsteller, hätte man längst abgeschaltet. Vorn weg leuchtet Mr Flynn (Jeff Bridges) als Lügenbaron und getarnter Priester. Die weiblichen Anreize kommen von Emily (Dakota Johnson, Tochter von Don und Melanie Griffith) sowie Darlene (Sängerin Cynthia Erivo). Zeitweise führt auch noch Brad Pitt–Verschnitt Chris Hemsworth durch das Killerprogramm. Lewis Pullman betont mit seiner unbedarften Leidensmine menschliche Gefühle. Zuvor hatte Jon Hamm als dubioser FBI Agent eine Führungsrolle übernommen.
Der Zuschauer betrachtet das muntere Treiben der unberechenbaren Akteure und lässt sich vom nächsten Coup überraschen. Man kann nicht lange Grübeln, warum nur Flynn und Darlene die Szene lebend verlassen. Macht nichts, eine Identifizierung mit einzelnen Figuren war ohnehin weder gewollt noch möglich. Ende tot, alles tot! Schlechte Zeiten im Royal.