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Braucht man noch einen Film über die Bibel und Jesus, Gottes Sohn? Wahrscheinlich nicht. Aber man braucht einen Film über Maria Magdalena, denn ihre Geschichte wurde noch nicht oft genug und vor allem nicht korrekt erzählt …

Maria Magdalena (2017)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Apostelin der Apostel, nicht Hure

Eine Schande für die Familie nennt sie ihr Bruder und auch ihr Vater will sie nicht mehr sehen. Maria Magdalena (Rooney Mara) hat eine arrangierte Ehe verschmäht und ist dann dem Rabbi gefolgt, der am Fluss predigt und Wunder vollbringt. Dies geziemt sich nicht für eine Frau und natürlich vermutet man sofort sexuelle oder wenigstens romantische Gründe für Marias Ungehorsam. Und so verhandelt auch Garth Davis’ Maria Magdalena zuerst einmal eine Ebene, die in der Rezeption Maria Magdalenas von jeher eine große Rolle spielte.

Erst 2016 wurde sie offiziell von der katholischen Kirche rehabilitiert und als die Apostelin der Apostel anerkannt, war sie doch die erste Zeugin der Auferstehung Jesu und eine der wenigen ZeugInnen seiner Kreuzigung. Doch ihr Name wurde jahrhundertelang durch eine Diffamierung Papst Gregor I. beschmutzt, der sie mit der fußwaschenden Sünderin, einer „Hure“ gleichsetzte. Maria Magdalena sucht nun nach der Figur, die hinter all diesen Geschichten steckt. Er sucht nach der Jüngerin Maria Magdalena, deren Schicksal unweigerlich mit dem Jesus‘ kollidiert, aber eben mehr ist als nur das.

Und so beginnt der Film, zuerst eine Hintergrundgeschichte zu entwerfen, die Maria als eine barmherzige, warme und kluge Frau zeigt, die ihrer Zeit einfach weit voraus war und der Freiheit und Selbstbestimmung wichtiger waren, als sich den Riten der von Männern dominierten Gesellschaft zu unterwerfen. Die fiktive Geschichte unterstützt oder imaginiert die Hintergründe zu einer Persönlichkeit, die die Stärke aufgebracht hat, gegen sämtliche Regeln zu verstoßen, nachdem sie dem „Rabbi“ — Jesus (Joaquin Phoenix) – begegnet ist.

Phoenix und Mara haben eine interessante Chemie miteinander, die einerseits regelrecht ätherisch ist, andererseits von realer, aber niemals fleischlicher Anziehungskraft nur so strotzt. Zusammen geben sie dem Film eine interessante emotionale Stoßrichtung, doch Rooney Maras Maria verblasst zusehends hinter der charismatisch leidenden Figur des Jesus, die Phoenix mit ungeheurer Verzweiflung und Angst ausstattet und damit seiner Interpretation des Gottes-Sohnes viel mehr Menschlichkeit einhaucht, als sonst in dessen Darstellung üblich ist.

Leider räumt der Film Phoenix‘ Figur mehr Raum ein als nötig wäre und verlagert seine Aufmerksamkeit immer wieder und zu lang von ihr auf ihn. Nun kann man ihre Geschichte schlecht von seiner trennen, doch hier verliert sich immer wieder die Balance zwischen beiden. Vor allem weil Jesus per se aktiver ist, denn Marias Aufgabe ist die Zeugschaft. Und ab und an das Fragenstellen.  Ihre Aufgabe ist das Sehen, das Bezeugen, das Begleiten – alles äußerst passive Aktivitäten, die Mara wenig Raum geben, sich zu entfalten. Selbst ihre Gestalt ist meist verhüllt und gibt wenig her mit dem sie gegen einen Menschen heilenden Jesus ankommen könnte.

In den wenigen Momenten aber, in denen sie sich wehren muss, sei es gegen die Familie oder später auch gegen Petrus (Chiwetel Ejiofor), der seine Verachtung ihr gegenüber offen ausspricht, dann spürt man schon, dass der Film an etwas Spannendem dran ist. Letztendlich sind es aber die Momente der Barmherzigkeit, die die Stärke der Figur – sowohl der filmischen als auch der mythologischen – eindeutig machen. Wo alle anderen wegsehen, wo Männer ignorant das Leid von Frauen ignorieren, Jesus eingeschlossen, da sieht sie hin. Und noch mehr, sie benennt es auch.

Davis gibt seiner Maria hier eindeutig emanzipatorische, ja regelrecht feministische Züge. Sie bezeugt das Leid und Dasein aller, unabhängig des Geschlechts, eine simple, aber selbst heutzutage noch regelrecht revolutionäre Einstellung. Wo Petrus auf der Suche nach Revolutionären über sterbende Körper tritt, ist sie es, die innehält. Wo Jesus nur zu den Männern predigt, ist sie es, die ihn auf das Leid, aber auch die Stärken der Frauen hinweist. Genau hier webt der Film eine feine Struktur in die Problematiken der Jetzt-Zeit, die unabhängig vom jeweiligen Glauben die meisten Kulturen und Gesellschaften betreffen. So wird dieser biblische Stoff doch zu einem sanften sozialkritischen Kommentar. Er vermag es nur nicht, ihn gänzlich auszuformulieren. Zu verhalten sind diese Ideen, zu sanft die Worte und zu dezent die Gesten, als dass sie die Wucht entfalten würden, die potentiell in ihnen liegt. 

Dies liegt mitunter an der Natur der Geschichte, doch auch an dem Stil, den Garth Davis hier wählt. Ganz wie in Lion hat er einen ausgeprägten humanistischen Ansatz, der allerdings stark von einer eher in der Werbung zu findenden Ästhetik und Erzähltechnik getragen wird. Davis kommt aus dieser Branche und man merkt, er kommt nicht umhin zu versuchen, vor allem über Blicke und den Einsatz von Musik, bestimmte Gefühle und Affekte geradezu automatisch hervorzurufen. Dies gelingt auch hier und da, doch im Endeffekt fehlt die Tiefe, die auch Mara und Phoenix nicht mit Blicken allein hervorrufen können. Selbst die Ambivalenzen, die nur den männlichen Figuren Jesus, Petrus und Judas (Tahar Ramin) vergönnt sind, bleiben einseitig und redundant. Man(n) leidet und weiß nicht so recht, was man(n) tun soll. Mehr kommt dann nicht. Und Maria schaut. Und hat Gnade und Barmherzigkeit. 

Daher bleibt Maria Magdalena, selbst bei der größten Barmherzigkeit für diesen Film, ein konstantes Werk, das es fast gut macht, fast etwas bewegt, fast etwas zeigt, fast etwas zu sagen hat. Aber eben nur fast.

Maria Magdalena (2017)

Mit „Maria Magdalena“ hat sich Garth Davis an die filmische Aufarbeitung der Frau gemacht, die zur Begleiterin Jesus wurde. Dafür gewinnen konnte er Rooney Mara als Maria und Joaquin Phoenix als Jesus, sowie Chiwetel Ejiofor, Zohar Shtrauss und Tahar Rahim als seine Jünger Petrus, Johannes und Judas.

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