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Nach dem großen Erfolg der Dreigroschenoper soll Bertolt Brecht als Autor dabei helfen, die Bekanntheit des Stückes auch an den Kinokassen zu einem Knüller zu machen. Doch Brecht hat ganz eigene Vorstellungen davon, wie der Film aussehen soll.

Mackie Messer - Brechts Dreigroschenfilm (2018)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Theaterdonner

Hat Bertolt Brecht in der heutigen Zeit überhaupt noch eine Bedeutung? Oder ist der vielleicht wichtigste deutsche Dramatiker des 20. Jahrhunderts ein verstaubter Klassiker, der zwar auf den Bühnen der Republik und der Welt gerne gespielt wird, aber darüber hinaus keine Relevanz mehr für unsere postkapitalistischen Zeiten hat? Dies ist die Frage, die über Joachim A. Langs Mackie Messer — Brechts Dreigroschenfilm schwebt – und erst am Schluss lässt sie sich dann auch beantworten.

Der Film erzählt, wie der Titel es bereits andeutet, von Brechts Mitarbeit als Autor bei einer Verfilmung seiner Dreigroschenoper, bei der es aber schnell zu Differenzen zwischen der Produktion und dem Dramatiker kommt, der einen ganz anderen Film im Kopf hat als die Geldgeber von der Nero AG. Und so kommt es zu einem Zerwürfnis, das vor Gericht endet, während der Film vor Brechts Augen immer mehr Gestalt – und zwar seine Gestalt – annimmt. Mit Tobias Moretti als Macheath und Joachim Król als Peachum. Zugleich zeigt der Film chronologisch Szenen aus Brechts Leben zwischen den Jahren 1928 und 1930, in denen das Tauziehen um die Verfilmung immer weiter eskaliert.

Lars Eidinger kommt in seiner Brecht-Darstellung dem Dramatiker ziemlich nahe – und in manchen Kameraeinstellungen sieht man den Dargestellten förmlich vor sich, wie er – den zerkauten Stumpen im Mund – die Augen zusammenkneift. Auch Tobias Moretti als leicht manischer Macki Maceath ist definitiv ein Highlight dieses Films, ebenso wie Robert Stadlober, den man als Komponisten Kurt Weill zunächst kaum erkennt. Vergleichsweise blass hingegen sind die weiblichen Figuren gestrickt, lediglich Peri Baumeister als Elisabeth Hauptmann kann etwas mehr Intensität für sich verbuchen. Ob sich dahinter eine Kritik an Brechts Umgang mit Frauen verbirgt, ist zumindest fraglich.

Man merkt Joachim A. Lang an, dass er vom Theater kommt und sich intensiv mit Bertolt Brecht auseinandergesetzt hat. Alle Dialoge und sämtliche Äußerungen Brechts und seines Umfelds sind Zitate entweder aus dem künstlerischen Schaffen Brechts oder finden sich in Schriftstücken des Autos wieder – eine ungeheure und akribische Recherche- und Montagearbeit, die dem Zuschauer aber gar nicht auffällt. Außer er wäre natürlich ein exzellenter Kenner des Lebens und Wirkens von Brecht.

Immer wieder betont die Inszenierung die Theaterhaftigkeit des Geschehens, was mitunter so weit geht, dass man sich fast an Lars von Triers filmische Theaterexperimente Dogville und Mandalay erinnert fühlt. Dies und die zahlreichen Gesangsnummern erwecken allerdings auch an manchen Stellen den Eindruck einer Nummernrevue, die einen möglichst realitätsgetreuen Eindruck von Brechts Vision einer filmischen Dreigroschenoper vermitteln soll. Wobei sich allerdings auch hier zeigt, dass die Brechtschen Verfremdungseffekte, die damals neu und aufregend gewesen sein mögen, heute und insbesondere im Kino nur noch bedingt ihre volle Wirkung entfalten können. Schließlich ist das Durchbrechen der vierten Wand mittlerweile im Kino zu einem zwar nicht häufig, aber dennoch gelegentlich genutzten Stilmittel geworden, das nur noch in Extremfällen wie Michael Hanekes Funny Games wirklich schockiert und aufrüttelt.

Die Verschränkung verschiedener Realitäts- und Fiktionsebenen macht aus Langs Film eine durchaus komplexe Herausforderung für die Zuschauer – und an mehr als einer Stelle hat man das Gefühl, dass die Akribie, mit der der Regisseur zu Werke ging, manchen Spannungsbogen doch sehr in die Länge zieht. Erst ganz zum Schluss, wenn Joachim Lang von der Entstehungszeit einen Bogen in die Gegenwart und Zukunft einer postkapitalistischen Gesellschaft schlägt, löst sich der Film von den selbst auferlegten Beschränkungen seiner Bühnen- und Theaterhaftigkeit und wird genuin filmisch. Sinnbildlich für diese Befreiung steht eine Szene, in der Maceaths Bande zu Bankern unserer Tage mutiert und somit dem Diktum Brechts „Was ist das Ausrauben einer Bank gegen die Gründung einer Bank?“ brandaktuell werden lässt. Nicht, dass dies etwas gänzlich Neues wäre – während der Finanzkrise des Jahres 2008 erlangte das Zitat schnell wieder große Popularität. Selten aber sah man dies im Kino so stimmig umgesetzt wie hier. Und so nimmt das ambitionierte Werk gerade am Schluss, wenn es zeitdiagnostisch und gegenwartsbezogen wird, doch noch ein versöhnliches Ende: Weil es nicht nur historisch nachbildet, sondern auch Fragen an die Gegenwart stellt. Dann erscheint uns die unruhige Zeit der Weimarer Republik wie eine Blaupause der verrückten Zeit, in der wir uns gerade befinden.

Mackie Messer - Brechts Dreigroschenfilm (2018)

Bertolt Brecht, gespielt von Lars Eidinger, will unbedingt an den Erfolg seiner Dreigroschenoper anschließen und plant sein Werk als Dreigrsochenfilm auf die Leinwand zu bringen. Gemeinsam mit Komponist Kurt Weill (Robert Stadlober) machen sie sich 1929 an die waghalsige, filmische Umsetzung rund um Mackie Messer und Peachum. Doch das Projekt erweist sich als immer komplizierter als anfangs gedacht. Brecht soll damals wohl wirklich eine Verfilmung versucht haben, die jedoch kläglich scheiterte.

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