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Wotan Wilke Möhring spielt in Christian Alvarts Thriller einen Bauunternehmer, der Leid über Mieter gebracht hat. Ein Unbekannter nimmt Rache, indem er Geld fordert und Bomben in seinem Auto platziert. Wie kann der Bedrängte das Leben seiner Kinder retten, die mit ihm im Wagen sitzen?

Steig. Nicht. Aus! (2017)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Wer kein Gewissen hat, soll fühlen

Die Chancen stehen schlecht für Karl Brendt (Wotan Wilke Möhring) an diesem 1. April. Der Projektentwickler eines Bauunternehmens wollte pünktlich zum Hochzeitstag zurück zu Hause in Berlin sein und seine Frau Simone (Christiane Paul) mit einem Geschenk überraschen. Aber das Flugzeug gerät in ein Gewitter und er bekommt Angst.

Dann geht sein Gepäck verloren, und zu Hause herrscht die übliche morgendliche Hektik. Karl will die Kinder mit dem Auto zur Schule bringen, was Simone mit einer sarkastischen Bemerkung quittiert. Der Haussegen hängt also schief. Und noch etwas bietet Anlass zur Irritation: Bevor Karl mit der jugendlichen Tochter Josefine (Emily Kusche) und dem kleineren Sohn Marius (Carlo Thoma) ins Auto steigt, stutzt er kurz, weil die Tür nicht verriegelt ist.

Christian Alvart hat sich als Regisseur von Tatort-Folgen und von Kinofilmen wie Antikörper oder Banklady bereits einen guten Ruf im Krimi- und Thrillergenre erworben. Auch bei diesem Remake des spanischen Films Anrufer unbekannt aus dem Jahr 2015 beherrscht er die Kunst, Spannung durch das Streuen kleiner Hinweise zu schüren. Im Handschuhfach liegt ein Handy, auf dem der Anruf eines unbekannten Mannes (Marc Hosemann) eingeht: Er sagt, dass unter den Sitzen Bomben liegen. Sie gehen hoch, sobald jemand aufsteht. Der Mann will Geld von Karl, alles, was auf den Privatkonten der Familie liegt, und dazu noch eine hohe Summe von seiner Firma. Nun muss Karl mit den Kindern im Auto herumfahren und telefonisch versuchen, das Geld lockerzumachen.

Der Thriller versucht die anfängliche Spannung durch immer neue Wendungen und Komplikationen weiter zu schüren. Ein Auto fliegt in die Luft, Marius wird am Bein verletzt und muss dringend ins Krankenhaus. Karl bettelt, fleht und telefoniert mit den Gesellschaftern. Die Kamera nimmt den Bedrängten im Auto von allen Seiten ins Visier, filmt ihn durch die Windschutzscheibe, verortet das Fahrzeug auf den Straßen Berlins. Einmal folgt die Kamera in einer beeindruckenden Sequenz Karls Auto im Verkehrsstrom, nimmt es von hinten ins Visier, beobachtet es dann seitlich durch ein zweites Fahrzeug hindurch, wechselt zur Frontansicht, umkreist es.

Mit einer hohen Schnittintensität pumpt die Inszenierung Adrenalin in die Handlung, die Wotan Wilke Möhring schauspielerisch an seine Grenzen bringt. Wenn er in Tränen ausbrechen soll, wirkt das jedes Mal gewollt. Emily Kusche überzeugt hingegen als rebellische Tochter Josefine, die ihre Liebe zum Vater neu entdeckt. Wie der Originalfilm, der die Bankenkrise thematisiert, hat auch das Remake eine sozialkritische Komponente. Hier ist der unbekannte Anrufer empört über die Entmietungspraktiken von Karls Firma. Nach und nach wird Karl damit konfrontiert, was er alles verbrochen hat, wie wenig er über die Menschen in seiner Umgebung weiß – ihm war nicht einmal bekannt, dass seine Frau fremdgeht. Jedes Mal, wenn Karl erkennt, dass er allein dasteht, sieht der Anrufer darin repetitiv den Beweis, dass Karl ein „riesengroßes Arschloch“ ist. Aber warum sollte Karl gerade in seiner Ohnmacht solche Bezeichnungen verdienen?

Der Film leistet sich weitere Ungereimtheiten an zentraler Stelle, die plump und aufgesetzt wirken, je mehr sich die Geschichte in die Länge zieht. Die Geldforderungen des Anrufers sind nicht nur detailliert, sondern wirken auch zunehmend konfus. Ein Polizeikommissar (Aleksandar Jovanovic) und eine Sprengstoffexpertin (Hannah Herzsprung) verstricken sich in ein dilettantisches Kompetenzgerangel. Nach dem Schema „guter Cop, böser Cop“, das sich hier nicht absichtlich, sondern zufällig etabliert, sieht der eine in Karl den Täter, die andere nicht.

Alvarts Film gelingt auch wegen Mängel bei der Figurenzeichnung keine überzeugende Verbindung aus Sozialkritik und Thriller. Die Kränkung des Täters erklärt niemals ausreichend, warum er vom verbiesterten Spießer zum Psychopathen mutierte. Auch die Hauptfigur Karl, die praktisch durch ein emotionales Fegefeuer gejagt wird, macht keine überzeugende Entwicklung durch. Denn von Anfang an ist Karl doch recht nett zu Frau und Kindern. Auch dass er beruflich Dreck am Stecken hat, ist weniger seiner Persönlichkeit geschuldet, als offenbar branchenüblich. Sein eigener Ehrgeiz bewahrt diesen Thriller nicht davor, nach vielversprechendem Auftakt schon bald zu Mittelmaß zu schrumpfen.

Steig. Nicht. Aus! (2017)

Eigentlich wollte Karl Brendt, wie jeden Morgen, bloß seine beiden Kinder zur Schule fahren und danach zur Arbeit. Doch dann erhält er einen anonymen Anruf, dass in seinem Auto eine Bombe versteckt ist, die hochgeht, sollte Karl nicht den Anweisungen seines Erpressers folgen. Und so sieht sich der Baununternehmer gezwungen Unsummen an Geld heranzuschaffen, um sich und seine Kinder zu retten. Währenddessen denkt seine Frau, er hätte die Kinder entführt.

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