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Horror und Humor liegen in Jeremy Dysons und Andy Nymans „Ghost Stories“ dicht beieinander. Die Verfilmung ihres gleichnamigen Theaterstücks ist eine furchteinflößend vergnügliche Geisterstunde, die neben einem brillant aufspielenden Martin Freeman jede Menge Überraschungen bereithält.

Ghost Stories (2017)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Die seltsamen Fälle des skeptischen Professors

Gleich vorneweg die erste Irritation. Phillip Goodman (Andy Nyman), Professor für Parapsychologie und selbst erklärter Skeptiker, spricht direkt in die Kamera. Doch wen adressiert er? Ist es das Publikum seiner Fernsehsendung, die übernatürliche Phänomene als Hirngespinste oder Hochstapelei entlarvt, oder sind es wir Kinozuschauer? Redet der Akademiker gar mit sich selbst?

Schließlich hat er uns wenige Augenblicke zuvor noch geraten, unseren Glauben stets mit Vorsicht zu prüfen. Jeremy Dysons und Andy Nymans furchteinflößend vergnügliche Geisterstunde wiederum gibt uns den Glauben an die Magie des Kinos ein Stück weit zurück, gerade weil wir nicht alles glauben dürfen, was wir darin sehen.

Das fängt schon bei den Figuren an. Andy Nymans Professor ist ein Unsympath. Ein kleiner, untersetzter Grantler, der aus Frust über die eigene Bedeutungslosigkeit in einer Arbeit Bedeutung sucht, die den Glauben der Anderen mit wissenschaftlicher Genauigkeit wegerklärt. Sein großes Vorbild war Charles Cameron (Leonard Byrne), dessen TV-Format eine Offenbarung und Blaupause für Goodmans eigene Show. Doch irgendwie sieht das Idol auf den alten Archivaufnahmen seltsam wächsern aus. Als der tot geglaubte Cameron nach Jahrzehnten aus der Versenkung auftaucht, wirkt das Gesicht des Greises wie eine Maske, sein verwahrloster Wohnwagen wie eine Abstellkammer für Filmklischees. Cameron drückt seinem Nachfolger drei ungelöste Fälle in die Hand, die sich jeder Ratio entziehen. Den arroganten Professor ficht das nicht an. „Der Geist sieht nur das, was er sehen will“, lautet Goodmans berufliches Mantra, das er sich und uns Zuschauern beständig vorbetet. Doch wie steht es eigentlich um Goodmans Verstand? Und sehen wir das, was wir selbst sehen wollen, oder das, was uns die Regisseure glauben machen?

Nyman und Dyson haben ihr gleichnamiges Theaterstück selbst adaptiert und die Mittel der Bühne um die der filmischen Illusion erweitert. Jeder von Goodman untersuchte Fall entspricht einem anderen Subgenre des Horrorfilms und kommt mal nervenzerreißend, mal albern, zu guter Letzt als Mischung aus beidem daher. Zunächst ist da der Nachtwächter Tony Matthews (Paul Whitehouse), der seit Jahren den Kontakt zu seiner bettlägerigen Tochter meidet und während seiner Rundgänge in einer ehemaligen Psychiatrie auf ein totes Kind trifft. Fall Nummer zwei bringt den Professor ins Zimmer des Teenagers Simon Rifkind (Alex Lawther), der bei einer unerlaubten Spritztour mit dem elterlichen Auto den leibhaftigen Teufel überfahren haben will. Geschäftsmann Mike Priddle (Martin Freeman) suchte ein Poltergeist heim, als seine schwangere Frau mit Komplikationen im Krankenhaus lag, während er zu Hause die Füße hochlegte. Drei Schuldige, denen das schlechte Gewissen einen Streich spielt, so Goodmans Conclusio. Doch von Fall zu Fall schleicht sich das Übersinnliche von den Erinnerungen seiner Probanden ein kleines Stück weiter in Goodmans eigenen Alltag, bis Mike Priddle schließlich die Handlung als Erzähler kapert, Mauern umstößt, Wände einreißt, den Vorhang beiseiteschiebt und mit dem Professor auch uns den Blick auf all die verstreuten Puzzleteile freigibt.

Ghost Stories ist zwar kein neues, aber ein einfallsreiches und versiertes Vexierspiel. M. Night Shyamalans The Sixth Sense (1999) trifft auf Orson Welles‘ F wie Fälschung (1973), handwerklich perfekt gemachter, beängstigend in die Länge gezogener Grusel auf pechschwarzen britischen Humor, den Martin Freeman gewohnt spitzbübisch und Alex Lawther wunderbar tölpelhaft auf die Leinwand bringen. Ein Balanceakt zwischen Horror und Humor, bei dem uns das Herz in die Hose rutscht und das Lachen im Halse stecken bleibt. Ein Metafilm über das Genre und das Medium an sich. Parodie, Hommage, (Selbst-)Reflexion. Nichts richtig und irgendwie alles zugleich. Wahrlich nicht die schlechteste Kombination!

Ghost Stories (2017)

Basierend auf ihrem gleichnamigen Theaterstück aus dem Jahre 2010 erzählen Andy Nyman und Jeremy Dyson in „Ghost Stories“ von dem skeptischen Parapsychologen Professor Phillip Goodman, der auf drei Berichte von Geistererscheinungen stößt und daraufhin auf Spurensuche geht, ob es nicht vielleicht doch ganz rationale Erklärungen für die Ereignisse geben kann.

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Meinungen

Peter · 26.02.2019

Grandioser Film!