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Ben Stiller entwickelt sich zum neuen Midlife-Crisis-Mann des Kinos. Auch in Mike Whites Tragikomödie „Im Zweifel glücklich“ spielt er einen waschechten Grübler, der sich auf einer Reise mit seinem Sohn in seine eigene Unzufriedenheit hineinsteigert.

Im Zweifel glücklich (2017)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Das Leben der anderen

Wie geht es alten Schul- oder Studienfreunden? Und was haben sie bisher geleistet? Heutzutage reicht oftmals schon ein kurzer Klick, um einen Einblick in das Leben früherer Weggefährten zu gewinnen. Facebook und Co ermöglichen es, ständig auf dem neuesten Stand zu sein, und befeuern den Impuls, sich fortlaufend mit anderen zu vergleichen.

Auch Brad Sloan (Ben Stiller) verfolgt, nicht selten online, den Werdegang seiner College-Kumpel und kommt inzwischen zu dem Schluss, dass der Bestsellerautor Craig Fisher (Michael Sheen), der Finanzguru Jason Hatfield (Luke Wilson), der Hollywood-Regisseur Nick Pascale (Regisseur Mike White höchstpersönlich) und der im Luxus schwelgende Frührentner Billy Wearslter (Jemaine Clement) weitaus mehr zustande gebracht haben als er selbst. Als Gründer einer Non-Profit-Organisation fühlt sich Brad zunehmend wie ein Versager, obwohl er mit seiner Ehefrau Melanie (Jenna Fischer) und seinem Sohn Troy (Austin Abrams) ein sorgenfreies Leben in einem beschaulichen Vorort von Sacramento führt.

Als Brad mit seinem Filius zu einer Reise nach Boston aufbricht, um potenzielle Universitäten in Augenschein zu nehmen, grübelt er mehr und mehr über seine bisherigen Errungenschaften nach und erkennt plötzlich die Chance, seine unerfüllten Ambitionen durch Troy zu befriedigen. Immerhin eröffnet ihm der musikalisch begabte Teenager, dass er gute Aussichten hat, in Harvard angenommen zu werden. Die schönen Perspektiven sind allerdings schon bald dahin, da sich Troy den Termin für das Bewerbungsgespräch falsch notiert hat und keine neue Vorstellungsmöglichkeit erhält. In seiner Not wendet sich Brad an seinen alten Freund Craig, der in Harvard als Gastdozent tätig ist und eventuell ein gutes Wort für Troy einlegen kann.

Ben Stiller scheint Gefallen an Figuren in der Midlife-Crisis gefunden zu haben. Nach Das erstaunliche Leben des Walter Mitty und Gefühlt Mitte Zwanzig ist der vor allem komödienerprobte Schauspieler erneut in einer nachdenklichen Rolle zu sehen. Mit seinen leicht ergrauten Schläfen und seinem etwas leeren Blick wirft er glaubhaft das Bild eines müden Mannes an die Wand, der mit seinem Dasein immer häufiger auf Kriegsfuß steht. Einen einfachen Zugang zu seinem Protagonisten gewährt Regisseur und  Drehbuchautor Mike White (Das Jahr des Hundes) dem Publikum nicht. Vielmehr präsentiert sich Brad schon in den ersten Szenen als neurotischer, von Neid zerfressener Zweifler, dessen zuweilen arg selbstmitleidige und erklärungslastige Voice-over-Kommentare das Geschehen permanent begleiten. Fast zwanghaft malt er sich das Glück und den Erfolg seiner College-Buddys aus und bringt es ständig fertig, abrupt von einer positiven Stimmung zu düsteren Gedankenspielen umzuschwenken.

Wenngleich man sich darüber freuen darf, dass die ohne Hektik entfaltete Tragikomödie das aufgewühlte Innenleben Brads greifbar macht, sind die Kreisbewegungen des Films manchmal stark ermüdend. Etwa zur Hälfte wäscht die Studentin Ananya (Shazi Raja) dem wehleidigen Endvierziger kräftig den Kopf und zeigt ihm deutlich auf, was sich auch der Zuschauer schon die ganze Zeit gedacht hat: Brads Ängste vor einem sozialen Abstieg sind vollkommen aus der Luft gegriffen und seine Minderwertigkeitskomplexe ein echtes Luxusproblem. Die Augen öffnen lässt sich der Non-Profit-Spezialist jedoch nicht, sondern steigert sich auch eine ganze Weile später noch in seine verquere Unzufriedenheit hinein, die von albernen Wohlstandsträumen und Zukunftsfantasien flankiert wird.

Dass sich die aus den Online-Profilen genährten Mutmaßungen über das ach so tolle Leben der früheren Freunde als trügerisch erweisen, ist ein netter Kniff. Mitunter bringt ihn das Drehbuch aber zu plakativ zum Vorschein. Die Entwicklung gegen Ende wirkt leider ein wenig schematisch und erscheint angesichts der vorherigen Stagnation überhastet. Schade ist nicht zuletzt, dass Im Zweifel glücklich durch die Fokussierung auf Brad die Figur des Sohnes nur in Ansätzen konturieren kann, obwohl Troy eigentlich ein spannendes Gegengewicht zu seinem Vater darstellt.

Im Zweifel glücklich (2017)

Ein Vater begleitet seinen Sohn an die Ostküste, um Colleges zu besuchen. Dabei trifft er auf einen alten Freund, der ihn schnell in die Enge treibt und seine Lebensentscheidungen grundlegend in Frage stellt.

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