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Mit Riesen zu ringen, als seien sie eigene Traumata: So schützt die Protagonistin in I Kill Giants ihre ganze Welt.

I Kill Giants (2017)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Nur Riesen in Gedanken

Barbara (Madison Wolfe) trägt eine schwere Last. Jeden Tag streift sie durch die Wälder, am Strand entlang, legt Köder aus, errichtet Fallen. Immer dabei: die Hasenohren auf dem Kopf als Tribut an ihr Spirit Animal und ihre kleine Handtasche, in der sie ihren magischen Kampfhammer verbirgt, herauszuholen nur in äußerster Gefahr. Ohne ihre alltägliche Arbeit, erklärt sie Sophia (Sydney Wade), der neuen Mitschülerin aus Großbritannien, wäre die kleine Stadt auf Long Island schon längst von den Riesen heimgesucht und zerstört worden. Auch der sehr freundlich-bemühten Schulpsychologin Mrs. Mollé (Zoe Saldana) erzählt sie diese Geschichte, wenn sie ihr überhaupt mal ihre wertvolle Zeit als Riesentöterin opfert.

Spätestens hier fragt sich die aufmerksame Zuschauerin, warum Barbara überhaupt zum Gespräch mit Mollé gebeten wurde – ist doch das massive Mobbing, dem sie ausgesetzt ist, ausgerechnet kein Thema bei den Gesprächen. Und so wird schon im ersten Drittel des Films deutlich, dass I Kill Giants sein eigentliches Sujet hinter der fantastischen Geschichte von den Riesen nicht wirklich verstecken kann – obwohl er so tun möchte, als ob.

Barbara lebt mit ihren Geschwistern in einem Haus, die Brüder scheinen nur an Videospielen interessiert zu sein, die älteste Schwester (Imogen Poots) schmeißt den Laden und jongliert offenbar mit mehreren Jobs, um Geld und Essen und Haus zu bringen. Dass die offensichtliche Leerstelle – die Eltern – von niemandem aus- und angesprochen wird, ist völlig unglaubwürdig und entzieht der großen Offenbarung im Finale fast ihre ganze Kraft.

Ob diese Schwäche dem Drehbuch anzulasten ist oder bereits der literarischen Vorlage entstammt, kann ich nicht beantworten, da ich leider die 2008 veröffentlichte, gleichnamige Graphic Novel von Joe Kelly und J.M. Ken Niimura nicht kenne; die Vorlage macht jedenfalls klar, dass I Kill Giants nicht einfach von Sieben Minuten nach Mitternacht abkupfert, dessen Buchvorlage erst 2011 erschienen war. Allerdings wird dessen emotionale und psychologische Tiefe von I Kill Giants nie erreicht.

Der Kampf mit den Riesen steht auch in diesem Film, dem Langfilmdebüt von Anders Walter, für einen inneren Konflikt, der in seiner Protagonistin tobt – Barbara agiert Zweifel und Ängste aus, über die sie mit niemandem sprechen kann; als das Gespräch mit der Psychologin möglich wird, gibt es schon keinen Weg mehr aus der Fantasie heraus als frontal und mit offenen Augen hindurch. Das Ergebnis ist zumindest filmisch nicht uninteressant: Auseinandersetzungen mit gut gemachten, wenn auch etwas generisch-allzu bekannt wirkenden Monstern, bis der Wald brennt. Da wird dann wenigstens für Momente durchaus noch einmal die Frage gestellt, was denn jetzt bitte Realität sei – und was nicht.

Psychologisch bleibt der Film hingegen leider bemerkenswert flach und mutlos. Poots gibt ihrer großen Schwester noch reichlich Verzweiflung und Zorn, aber Saldanas Figur bleibt leider recht eindimensional. Wolfe schließlich müht sich kräftig, ihrer präpubertären Heldin Komplexität zu geben; in den Grenzen des Drehbuchs allerdings hadert sie, wie diese, nur mehr oder minder erfolgreich mit ihrem Schicksal.

I Kill Giants (2017)

Die Heranwachsende Barbara hat sich dazu entschlossen, die Augen vor der Realität in in ihrem familiären und schulischen Umfeld zu verschließen — stattdessen sucht sie Zuflucht in einer magischen Fantasiewelt, die von Riesen und Titanen bevölkert wird. Mit Hilfe ihrer neuen Freundin Sophia und einer Schulpsychologin wagt sie es schließlich, sich den Menschen zu stellen, die ihr übel mitspielen — und auch ihrer schrecklichen Angst vor dem Tod will sie mutig entgegentreten …

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Meinungen

Lina · 16.02.2019

Eine schlechte Kritik über einen sehr tiefgehenden Film, der die Ängste und Unicherheit eines Teenagermädchens widerspiegelt. Scheinbar hat der Verfasser der Kritik den Film garnicht richtig gesehen oder ihn nicht verstanden, denn allein schon die Bemerkung, sie habe "Brüder" obwohl sie nur einen Bruder hat (was im FIm ganz klar rüber kommt) lässt mich zu dem Schluss kommen, dass er dem Film entweder nicht folgen konnte oder ihn eben nicht mit voller Aufmerksamkeit gesehen hat. Bevor man etwas kritisiert, sollte man sich damit auseinandersetzen - als kleiner Tipp für die Zukunft.

Pa · 19.09.2018

Eine bemerkenswert schlechte Kritik für einen genialen Film, den der Kritiker überhaupt nicht zu verstehen scheint. Am besten selbst ein Bild davon machen..