El Bar (2017)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Die dünne Decke der Zivilisation

Wenn man sich einer Sache sicher sein kann, dann dass Álex de la Iglesias Filme immer voller Energie sind. Die Frage ist nur, ob er diese Energie erfolgreich kanalisieren kann. Manchmal klappt es und das Ergebnis ist phänomenal, wie zum Beispiel in Mad Circus – Eine Ballade von Liebe und Tod oder La chispa de la vida. Oft klappt es aber auch nicht so ganz. El Bar ist dafür ein sehr gutes Beispiel.

Eine kleine, dreckige Eckkneipe an einem Platz in Madrid: Hier trifft sich, weil es der Zufall so will, eine kleine Gruppe von Menschen in einem Schicksalsmoment. Die grantige Besitzerin, ihr leicht depperter Angestellter, ein Schlüpferverkäufer, ein saufender Ex-Polizist, ein Hipster, eine Spielsüchtige, ein Penner und ein Typ, der hustend in die Bar rennt und auf’s Klo. Sekunden später ist plötzlich nichts mehr so wie es mal war. Der letzte Kunde, der die Bar gerade verlassen hat, wird auf dem Platz erschossen. Und der nächste, der die Bar verlässt auch. Plötzlich sind alle Menschen weg. Außer den Leuten in der Bar, die völlig außer sich sind. Wieso schießt da jemand? Wo sind alle anderen? Was zur Hölle ist hier los? De la Iglesia nutzt diese interessante Ausgangslage nicht nur dafür, ein Horrorfilmgefühl zu etablieren, sondern auch um hier sofort mit dem anzusetzen, was er sehr gerne macht: Menschen zu sezieren. Meist im metaphorischen, ab und an auch im wahrsten Sinne des Wortes. Die Decke der Zivilisation ist bekanntlich eine dünne und jetzt, wo die Gruppe eingekesselt ist und um ihr Leben bangen muss, reißt sie recht schnell ein. Ein Terroranschlag muss es sein! Natürlich drehen sich alle zum Hipster um, der hat eben einen langen Bart. Man pflückt seine Sachen auseinander, aber findet nichts. Was ist mit dem Vertreter und seinem Koffer? Achso, nur Schlüpfer. Doch dann bemerken sie den Mann auf dem Klo, der dort gerade im Sterben liegt. Neben ihm eine Ampulle. Er hat sich was gespritzt. Ein Telefon mit Bildern aus Afrika, eine Konversation über einen Virus. Verdammt! Es ist also ein Virus ausgebrochen?

Ja, ist es. Und mit dem kommt gleich ein zweiter und zwar ein Klischeeausbruch. Denn so ein Virus kann natürlich nur aus Afrika kommen, Ebola und so, Sie verstehen? Und die Regierung will das natürlich vertuschen. Aber davon nicht genug, ab hier wird auch aus der eben noch halbwegs menschlichen Gruppe eine Ansammlung voller Tropen: die schöne, junge Frau, die sich natürlich demnächst ausziehen muss (und dann noch mit Öl übergossen wird), der Hipster, der eigentlich ein ängstlich-aggressiver Wurm ist, die hysterische ältere Frau, die nicht klar kommt, der Dorftrottel und der Penner, der natürlich, sonst wäre er kein Penner, völlig psychopathisch ist. Ab hier geht de la Iglesia auch die Balance komplett verloren. El Bar verliert sich irgendwo zwischen Allgemeinplätzen und Slapstick, zwischen blutigen Momenten und vielen Anspielungen auf das spanische Lieblingsgenre, den Schlock-Horror, und dessen bekannteste Vertreter der 1950er-1970er Jahre. Die im Presseheft zum Film erwähnten Einflüsse von Luis Buñuel und John Carpenter lassen sich hier allerdings nur marginal finden.

All dies hat hier und da durchaus seine Momente, aber das, wofür de la Iglesia am bekanntesten ist, seine tiefschwarzen, ultrabösen Gesellschaftskritiken, geht hier einfach völlig im Geschrei und Getose unter. Und das ist sehr ärgerlich, denn die kleinen Momente, die hier anklingen versprechen eigentlich ein Szenario, aus dem man so viel mehr hätte machen können und müssen. Doch de la Iglesia konzentriert sich hier lieber auch den Slapstick. „Warum nur?“ möchte man ihm zurufen, denn vor allem jetzt, bei der politisch brisanten Situation im eigenen Land und in der Welt braucht das Kino unbedingt Filmemacher wie ihn, die die Kraft des Kinos zur Subversion eigentlich perfekt zu nutzen wissen.

El Bar (2017)

Wenn man sich einer Sache sicher sein kann, dann dass Álex de la Iglesias Filme immer voller Energie sind. Die Frage ist nur, ob er diese Energie erfolgreich kanalisieren kann. Manchmal klappt es und das Ergebnis ist phänomenal, wie zum Beispiel in „Mad Circus – Eine Ballade von Liebe und Tod“ oder „La Chispa de la vida“. Oft klappt es aber auch nicht so ganz. „El Bar“ ist dafür ein sehr gutes Beispiel.

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