Die Abmachung

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Häuser und Menschen

Häuser sind am Anfang von Peter Bösenbergs Die Abmachung zu sehen. Einfamilienhäuser, Reihenhäuser in wohlgeordneten Straßen behaglich-langweiliger Bürgerlichkeit. Ein Haus kann – in Film und im Leben – vieles sein: Zuflucht, Zuhause, Gefängnis, ein Ort der Erholung und des unvorstellbaren Grauens. Dabei steht das Gebäude stets in einer Beziehung zu den Menschen, die dort wohnen – und es kann den Blick verstellen: auf die Wahrheit in den vier Wänden, es kann ihn aber auch öffnen: auf die Seelenlage der dort Wohnenden.
In Die Abmachung wird schnell deutlich, dass die fehlende Wärme aufgrund der mal wieder einmal ausgefallenen Heizung nicht nur das Haus von Stine (Stine Stengade) erkalten lässt, sondern auch ihr Innenleben von einer Kühle durchzogen ist. Vor einem Jahr ist ihr Mann gestorben, seither lebt sie alleine mit ihrer Tochter Stephanie (Antonia Lingemann) in dem gutbürgerlichen Vorort-Einfamilienhaus, an dem sich immer mehr Mängel und Baustellen zeigen. Aber Stine kann sie nicht reparieren, nicht beseitigen lassen, weil sie kein Geld hat. Sie kann sich ihr altes Leben schlichtweg nicht mehr leisten. Doch dann trifft sie auf Roger (Alex Brendemühl), scheinbar ein selbständiger Handwerker, der auch kleine Aufträge übernimmt und seinen Sohn Kevin (Robert A. Baer) mitbringt, damit dieser etwas lerne. Roger schaut sich die Heizung an, entdeckt weitere Mängel, an der Heizung, im Wohnzimmer, im Garten, überall an dem Haus, und bietet an, dass er sie vorerst kostenlos reparieren wird, sofern er eine warme Mahlzeit und die Möglichkeit zu duschen bekommt. Und hätte Stine die Weisheit beherzigt, dass etwas, das zu gut klingt, um wahr zu sein, in der Regel auch nicht wahr ist, wäre der Film hier vorbei. Aber das Angebot scheint Stine zu verlockend, deshalb lässt sie sich von Kevins irritierendem Verhalten nicht weiter stören und nimmt es an.

Schon bald sitzen sie an einem Tisch und essen gemeinsam, eine Einstellung später ist Stine mit Roger im Bett. Vielleicht also repariert dieser Mann nicht nur Haus, sondern auch Stines Seelenleben, das noch mehr Verletzungen als den Tod des Mannes zu bewältigen hat. Doch mit Robert und Kevin stimmt etwas nicht, das merkt Stines aufgeweckte Tochter Stephanie sofort. Und tatsächlich: Nachdem Robert das Haus und Stines Bett einmal betreten hat, ist er nicht gewillt, es wieder zu verlassen. Es entspinnt sich in dem zweiten Teil des Films in ruhigen Sequenzen ein Psychodrama, das insbesondere von den Schauspielern getragen wird: Stine Stengade überzeugt als orientierungslose, bisweilen überforderte Witwe, die nicht weiß, wie sie mit der Realität umgehen soll. Gerade in Konfrontation mit ihrer Tochter, die sehr viel direkter, wirklichkeitsnäher ist, wird deutlich, wie unsicher Stine in allen Belangen ist. Es scheint nur die Gewissheit zu geben, dass sie ihrer Tochter eine gute Mutter sein will. Diese Beziehung ist die einzig intakte, die ihr geblieben ist. Dagegen ist ihr Verhältnis zu Roger, den Alex Brendemühl von Anfang an mit einer alarmierenden Aufmerksamkeit überzieht, stets angespannter, lauernder. Dabei lässt Alex Brendemühl mühelos erkennen, dass Psychopathen ihre Opfer oft gezielt aussuchen – dafür wäre die plakative Frage „Wann kommt denn Ihr Mann nach Hause?“ kaum notwendig. Vielmehr erspürt er Stines fragiles Selbstbewusstsein, ihre Unsicherheit, die leichten Schäden und Risse ihrer Psyche. Und wie im Haus immer mehr Baustellen auftauchen, immer mehr Reparaturen nötig sind, so verliert sich auch Stine in dieser Situation – bis es irgendwann nicht mehr nur um ihr Leben geht.

Wenngleich die Kamera die Beziehung zwischen Bewohner und Haus anfangs gut einfängt, hätten in der zweiten Hälfte das zunehmende Grauen und der Psychoterror innerhalb der Handlung sowie zwischen den Figuren sich noch stärker in der visuellen Inszenierung widerspiegeln können. Eine expressivere Bildsprache würde den Thrill noch verstärken. Insgesamt aber ist Die Abmachung ein spannendes und gut besetztes Psychodrama.

Die Abmachung

Häuser sind am Anfang von Peter Bösenbergs „Die Abmachung“ zu sehen. Einfamilienhäuser, Reihenhäuser in wohlgeordneten Straßen behaglich-langweiliger Bürgerlichkeit. Ein Haus kann – in Film und im Leben – vieles sein: Zuflucht, Zuhause, Gefängnis, ein Ort der Erholung und des unvorstellbaren Grauens. Dabei steht das Gebäude stets in einer Beziehung zu den Menschen, die dort wohnen – und es kann den Blick verstellen:
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