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Eine Familiengeschichte in Zeiten permanenter Öffentlichkeit — Mia Spenglers Back for Good erzählt von einer dysfunktionalen Familie und der Halbpromi-Tochter, die unversehens nach Hause zurückkehren muss. Klar, dass das nicht gutgehen kann… 

Back for Good (2017)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Eine erbärmliche Welt

Angie ist berühmt. Naja, was man halt heute so berühmt nennt. Bachelor, Promidinner, Let’s Dance – Angie ist berühmt fürs Berühmtsein und insofern eine von vielen. Nächstes großes Ziel: Dschungelcamp. Dafür nimmt sie einiges auf sich, sogar einen Kokain-Entzug. Leider aber hat sie hinterher keine Bleibe und muss gezwungenermaßen zurück zu Mama …

Mia Spengler wirft mit ihrem Abschlussfilm Back for Good einen langen, scharfen Blick auf ein Celebritysternchen – und sie macht sich nicht lustig über Angie, obwohl das so leichtfallen würde. Angie ist inzwischen auch schon 30 Jahre alt. Aber ihr Beruf ist die Jugendlichkeit, die Brüste hat sie sich schon machen lassen, mit Schminke kann sie arbeiten und natürlich zieht sie sich standesgemäß an. Mit viel Glitzer, kurzen Röcken, Kleidern, die viel offenbaren – es ist der Promi-Porno-Chic, den sie lebt: Das ist die Uniformierung derer, für die das Gesehenwerden Lebensmittelpunkt ist. Sich zeigen bedeutet Aufmerksamkeit, die einem zuteilwird, und das ist vielleicht so etwas wie Liebe. Oder ein ganz guter Ersatz dafür. Und wo Angie auf keinen Fall Liebe erwarten darf, das ist zuhause bei ihrer Mutter.

In der Kleinstadt wird Angie für ihr Berühmtsein bewundert. Mehr aber auch nicht. Sie ist zu weit weg von allem, und ihre abgehobene Art der überkandidelten Überheblichkeit hilft nicht sehr viel weiter. Die Mama ist Leiterin einer Linedance-Gruppe, wo sie auch ihre Tupperware loswird. Und dann ist da noch Kiki, die kleine Schwester, die sich so abmüht, auf YouTube ein paar Klicks für ihre Dance-Performance im Kinderzimmer zu bekommen. Und die dafür von allen nur gemobbt wird.

Mia Spengler entwirft eine kaputte Familie; kaputt im Wortsinn: Kiki ist Epileptikerin und muss mit einem lächerlichen Helm herumlaufen. Die Mama trägt Langzeit-EKG, wenn sie sich aufregt, bekommt sie einen Herzanfall. Für Muttchen ist das Leiden sehr bequem: Erlaubt sie doch die Totalkontrolle über die geliebte Kiki, eine Kontrolle, die sie bei ihrer verlorenen Tochter Angie nie ausüben konnte. Emotionale Erpressung aus Mutterliebe, anhand der diversen Wehwehchen, mit denen die Familie geschlagen ist … Der Vater ist abwesend, wird niemals auch nur erwähnt. Dafür muss jetzt Angie immer wieder einspringen, um auf Kiki aufzupassen, die ja dauerüberwacht werden muss. Immerhin hatte sie im letzten Jahr zwei Anfälle! 

Babysitten erledigt Angie auf ihre Art. Immerhin muss sie ja auch noch arbeiten. Sprich: Sie muss sich um ihr Image kümmern, muss auf Partys erscheinen, über einen roten Teppich laufen, muss vor allem und mit allen Mitteln versuchen, in den „Promi-Zoo“ zu kommen, eine neue TV-Show – für’s Dschungelcamp war sie wohl doch zu unbekannt … Angie muss kleine Skandälchen produzieren, die zum großen Spiel im Promizirkus dazugehören. Zieht sich hinter einem DJ-Pult aus. Kippt ihrem Ex-Manager Sekt übern Latz, weil der es wagt, seine schwangere Frau nicht für sie zu verlassen. Macht sich an einen ziemlich alternden Popsänger aus den 1990ern ran. Eine Affäre mit ihm würde die Karriere pushen. Der zieht mit seinem Wohnwagen durch die Lande, spielt in Baumärkten seine alten Hits, verkauft aber nicht seine Würde, darauf legt er wert: In Promi-Shows geht er nicht! Sagt er und steht dabei im Müllcontainer, wo montags die noch frische Ware des Supermarkts entsorgt wird.

Angies Welt ist erbärmlich. Elendig. Würdelos. Genau das ist es, was Angies Fans (ja, von denen gibt’s einige!) fasziniert. Wie sich Leute als Promis kaputtmachen – doch diese Welt wird nicht veräppelt in Back for Good. Vielmehr erzählt Mia Spengler zwischendrin plötzlich etwas ganz anderes, etwas von richtiger Menschlichkeit im falschen Leben. Und wenn diese Menschlichkeit auch nur darin besteht, Kiki aufzupäppeln, aus der grauen Maus zumindest so was wie eine kleine Dorfprinzessin zu machen. Angie kümmert sich. Und Kiki wächst daran. Und die Mutter flippt fast aus … Back for Good ist eine Familiengeschichte in Zeiten permanenter Öffentlichkeit, die zum eigenen Nutzen bewältigt werden will. Und weil die Charaktere perfekt ausbalanciert sind, weil sie zwar die Oberflächlichkeit leben, aber nicht oberflächlich gezeichnet sind, gelingt dieser Film.
 

Back for Good (2017)

Angie ist berühmt. Naja, was man halt heute so berühmt nennt. Bachelor, Promidinner, Let’s Dance – Angie ist berühmt fürs Berühmtsein und insofern eine von vielen. Nächstes großes Ziel: Dschungelcamp. Dafür nimmt sie einiges auf sich, sogar einen Kokain-Entzug. Leider aber hat sie hinterher keine Bleibe und muss gezwungenermaßen zurück zu Mama …

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Meinungen

niggel99 · 06.11.2019

Wow! Da denkt man der Deutsche Film ist tot.....und dann so ein Meisterwerk. Respect-Hammerregie-fantastische Darsteller :Kim Riedle Leonie Wesselow Nickie von Tempelhoff Juliane Köhler einfach toll und nah-Kino mit Herz und Emotion ohne kitschig zu sein, das gab es lange nicht. Fantastische Kameraarbeit immer gnadenlos drauf -ungeschminkt-das wahre, harte Leben eines C-Stars-nie klischeehaft und Mutter und Tochter auch nur Wow-Genial besetzt, genial ausgeleuchtet und vertont.Hier passt einfach alles. Freue mich über dieses cineastische Kleinod und denke von Frau Spengler werden wir noch viel schönes sehen.Vielen Dank für diesen tollen Film.