Die Tochter (2017)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Dreiecks-Eifersuchtsdrama in der Familie

Griechenland-Urlaub. Schroffe Klippen, schwarzer Strand. Hier teilen Mama und Papa der kleinen Luca mit, dass sie sich trennen werden. Zwei Jahre später hat sich die Situation einigermaßen eingeschaukelt, ist aber lange nicht glücklich. Die Tochter ist ein Drama von Trennung und Suche nach Glück, in dem Mascha Schilinski eine spannungsvolle Dreiecksbeziehung schildert: Elternteil 1, Elternteil 2, Tochter.

Und hier können Verführungen und Eifersucht und Liebe und Rache genauso hart ausgefochten werden wie im schlimmsten Beziehungsdrama. Papa Jimmy besucht Luca immer wieder, Mama Hannah ist alleinerziehend, einigermaßen überfordert, froh über Jimmys Hilfe. Beide lieben ihre Tochter über alles. Und die Tochter liebt vor allem den Vater. Der nicht so oft da ist. Den sie vergöttert. Luca ist sieben Jahre alt, das Leben mit Mama ist Alltag. Mit Papa kann sie herumblödeln, er hat Zeit für sie, er ist nicht genervt. Die Mutter muss sich abstrampeln, sie ist Schauspielerin, sie sucht einen neuen Mann und immer wieder zieht sie sich zurück, wenn ihr alles zu viel wird. Während der Vater für Luca da ist – nach seinen Bedingungen, zu seinen Zeiten.

Das ist das Spannende an diesem Film: Wie hier die Tochterperspektive als voll genommen wird und zugleich ihre Limitiertheit gezeigt wird. Der Vater ist nicht das umschwärmte Idol als das Luca ihn anhimmelt. Er ist da, wenn er es einrichten kann – doch immer wieder taucht er ab, meldet sich nicht. Seine Wohnung ist zugemüllt, er ist Handwerker, hat abends keinen Nerv, aufzuräumen und zu spülen. Hannah muss den Alltag regeln, die Wohnung kindgerecht halten. Jimmy darf ihre Organisationsfrüchte ernten.

Doch in dieser zweiten Ebene, die die Realität jenseits kindlicher Vorstellungen schildert, gibt es keine Wertungen. Der Vater tut, was er kann, er ist nicht bösartig, er liebt seine Tochter und ist da, sooft es geht. Die Mutter hasst den Ex-Mann nicht, sie liebt ihn nur nicht mehr. Das Schwarz-Weiß-Denken, das hat die Tochter, die den Vater bedingungslos vorzieht. Und die wiederum in seelischen Nöten steckt: Jimmys Herz scheint nicht in Ordnung zu sein. Beständige Angst begleitet Lucas junges Leben, Angst um ihn, Angst um die Gemeinschaft. In fast surrealen Bildern sehen wir das Herz pulsieren, der Puls pumpert; Luca zaubert einen Schutzkreis um Jimmy, als der einmal Atemnot bekommt.

Hannah hat Geldsorgen. Sie will ihr Elternhaus in Griechenland verkaufen. Jimmy muss mitkommen, um beim Renovieren zu helfen. Es ist eine Umkehrung all der glücklichen Familienurlaube, die zwei Jahre zuvor geendet haben: Arbeit, wenig Zeit, ein Paar, das kein Paar mehr ist. Bis Luca einmal beim Strand ist. Und Jimmy und Hannah ihren Rhythmus finden. Er poliert eine Tür, sie kratzt Farbe ab, sie kommen in einen gemeinsamen Takt, sie spielen sich aufeinander ein – eine wunderbare Szene, in der die Liebe wieder zu glimmen beginnt. Für Luca ist das eine Katastrophe. Nichts wird mehr sein wie vorher: Der Vater liebt nicht mehr sie, sondern die Mutter. Elektrakomplex at its best: Den Vater heiraten, die Mutter töten.

Mascha Schilinski komponiert ihren Debütfilm souverän über dieses Thema. Psychologisch ist der Film vollkommen nachvollziehbar: Die Eifersucht der Tochter, für die Aufmerksamkeit die Währung ist, in der Liebe bemessen wird – sie ist ein Kind! Hannah und Jimmy mit ihren Bedürfnissen nach einem neuen alten Leben. Das Genervtsein, wenn Luca wieder und wieder Jimmys Nähe fordert. Der depressive Ärger, wenn sie wieder und wieder die Mutter zurückweist … Und das alles voll konzentriert; nie kommen anderen Personen ins Spiel, wir sind ganz bei diesen dreien, die hier in ein Geflecht von Eifersucht und Begehren, von Verführen und Rivalität kommen, von dem sie nie etwas geahnt hätten; und das sie vielleicht auch nie ganz überblicken.

Dabei ist dies immer ein stiller Film, das macht ihn so besonders: Was geschieht, geschieht im Kleinen. Und dann, immer wieder, geht es ums große Ganze: Dann wischt Luca im Zorn den Zauber-Schutz um Jimmy weg, dann steht sie über den Klippen und wirft ihren riesigen Stoffelefanten hinunter und wir sind immer am Rande der ganz großen Katastrophe. Dabei – und das ist das Geheimnis des Film – bleiben wir doch immer im Alltag. Ein Alltag, der für alle drei schwer ist. Und den sie alle drei meistern müssen.

Die Tochter (2017)

Griechenland-Urlaub. Schroffe Klippen, schwarzer Strand. Hier teilen Mama und Papa der kleinen Luca mit, dass sie sich trennen werden. Zwei Jahre später hat sich die Situation einigermaßen eingeschaukelt, ist aber lange nicht glücklich. Die Tochter ist ein Drama von Trennung und Suche nach Glück, in dem Mascha Schilinski eine spannungsvolle Dreiecksbeziehung schildert: Elternteil 1, Elternteil 2, Tochter.

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Meinungen

Petra benesch · 24.05.2021

Bitte um Info.
Wie heißt die griechische Sängerin ,die während des Films " Die Tochter",gesungen hat?
Ps.der Film war toll.

Erika · 20.07.2020

Nur wer als Kind die Trennung der Eltern miterlebt hat, kann das ganze Ausmass des Gefühlsleben dieser Tochter nachempfinden. Wunderbar, wie allen 3 Beteiligten gleich großer Raum für ihre Gefühle gegeben wurde. Gerade die Gefühle der Tochte, die sie noch nicht in die richtigen Worte fassen kann, wurden durch die unwirklichen Schutzblasen sichtbar ge-
macht. Hervorragende Schauspieler, insbesondere die einfühlsame Darstellung der Tochter.

André · 29.08.2018

Der Film beginnt mit einer wundervoll poetischen Art zu erzählen, die wirklich zu fesseln und dramatisieren versteht. Die Poesie der Bilder ist ganz hervorragend, die Musik unkonventionell gewählt, die Schauspieler überzeugend, ABER leider überspannt die Regisseurin irgendwann diesen Bogen und landet im klassischen, getragenen, deutschen sozial Drama und langweilte mich damit zunehmend, bis ich einfach die Lust und all den Zauber der ersten 40 Minuten vollständig verloren hatte. Schade. Nun interessiert mich auch das Ende nicht mehr und mir ist egal, ob Papa stirbt, die wieder entflammte Liebe der Eltern halten wird, oder nicht. Alles hat seinen Zauber verloren! Sehr sehr schade*

Steffi · 28.06.2020

exakt genau SO empfand ich den Film auch.
Tolle Bikder, gute Schauspieler...gute Musik....und dann gleitet alles ab in humorlosen Sozialquark um ein verwöhntes, nerviges Kleinkind.
Schade.

dirk · 14.02.2021

Der Film ist super, alles absolunt nachvollziehbar und sehr bewegend. zum Glück gleitet die Handlung nicht in humorlosen Sozialquark ab. "Die Tochter" und Eltern spiegeln Wirklichkeiten und werden super dargestellt.